Berlin. Die Kanzlerin steht in der Causa Böhmermann unter Druck. Maybrit Illner ging der Frage nach, ob sich Merkel erpressbar gemacht hat.

Einbestellte Botschafter, Protestnoten, juristische Prüfungen – Jan Böhmermanns Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Erdoğan hat sich zu einer echten Staatsaffäre ausgewachsen. Das Dilemma der Bundesregierung beschäftigte am Donnerstagabend auch Maybrit Illner. „Kuscht Merkel vor Erdogan?“, lautete die zentrale Frage der Sendung. Und dann drehte es sich doch oft um das unterschiedliche Verständnis von Ehre.

Der CSU-General verteidigt die Kanzlerin

Es gehörte zur Ironie der Runde, dass ausgerechnet CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Rolle zukam, die Kanzlerin zu verteidigen, die in den vergangenen Monaten viel Kritik aus München einstecken musste. „Wir sind nicht erpressbar“, sagte Scheuer mit Blick auf die Frage der Sendung. Die Bundesregierung handele richtig. Die Causa Böhmermann sei von den eigentlichen politischen Fragen getrennt. Und schließlich sei es doch auch so, dass das Abkommen mit der Türkei nicht zwischen Merkel und Erdogan, sondern zwischen der EU und der Türkei ausgehandelt wurde, befand Scheuer.

Ähnlich sah das der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Wie Scheuer kritisierte er Erdogans Haltung in der Sache, betonte zugleich aber auch, dass der EU-Türkei-Deal davon unbenommen sei. „Wir müssen das Beste aus dem Abkommen machen“, sagte der luxemburgische Außenminister. Dafür brauche es die Zusammenarbeit mit der Türkei. Er sagte auch: Demokratie gehe ohne Pressefreiheit nicht. „Aber Herr Böhmermann hat uns ein interessantes Ei ins Nest gelegt.“

Kalkofe gegen Bilgi

Echte Gegensätze zeigten sich zwischen Oliver Kalkofe und Bülent Bilgi. Auf der einen Seite der Komiker, der für die Staatsaffäre klare Worte fand. „Ein solche Absurdität habe ich bisher nicht erlebt“, sagte Kalkofe. Dabei gehe es Böhmermann gar nicht um das Gedicht, sondern um die Präsentation. Nicht der Inhalt, sondern die Form sei Satire und eine gewollte Provokation gewesen. „Das Gedicht ist so absurd beleidigend, dass es kein vernünftiger Mensch ernstnehmen kann“, sagte Kalkofe. Der Aufregung liege ein falscher Ehrbegriff auf Seiten von Erdogan zugrunde. „Wenn jemand auf der Straße zu mir ‘du alter Ziegenficker’ sagt, würde ich erwidern, „Entschuldigung, sie müssen mich verwechseln.“ Letztlich gehe es in der Angelegenheit doch um Kinderwitze.

Das wollte Bülent Bilgi nicht gelten lassen. „Vielleicht machen Sie sich nichts aus Ehre, aber sie dürfen diese Sichtweise nicht anderen aufzwingen“, erwiderte der Generalsekretär der Union Europäisch-Türkischer Demokraten. „Dieser Haufen von Zeilen hat nichts mit Satire zu tun, der Inhalt ist nicht hinnehmbar. Ich habe mich gekränkt gefühlt“, führte Bilgi aus, der Erdogan und dessen AKP befürwortet.

Doch warum reagiert Erdogan so drastisch? Für diese Frage hatte die Zeit-Redakteurin Özlem Topçu in der Runde eine Erklärung. Das Autoritäre sei tief in der Politik der Türkei verwurzelt, sagte sie. Auch der Ehrbegriff sei in dem Land ein großes Thema. „Wenn jemand Hochrangiges sich nicht wehrt, wird das als eine Schwäche ausgelegt.“ Zudem gelte: Je größer die innenpolitischen Probleme, umso mehr müsse Erdoğan Stärke zeigen.

Merkel kann nur verlieren

Am Ende war man sich in der Runde einig, dass Merkel bei der anstehenden Entscheidung über den Strafantrag nur verlieren kann. Erlaubt die Bundesregierung ein Verfahren, dürfte der innenpolitische Schaden erheblich sein. Lehnt sich Erdoğans Ansinnen ab, würde sie einen wichtigen Akteur in der Flüchtlingskrise verärgern.

Den wichtigsten Punkt machte vor diesem Hintergrund schließlich Oliver Kalkofe, als er daran erinnerte, dass es eigentlich um eine wichtigere Frage als den Fall Böhmermann gehe, nämlich um die Flüchtlinge. „Es ist jetzt auch mal gut mit dem Thema. Wir sollten nicht aus einem Furz einen Tsunami machen“, fasste der Komiker zusammen. Eine Feststellung, die man mit Blick auf die thematische Dominanz des juristischen Streits eigentlich nur unterschreiben kann.

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