Braunschweig. Das Satire-Magazin „extra 3“ lässt sich von Präsident Erdogan nicht einschüchtern. Ein Gespräch mit Redaktionsleiter Andreas Lange.

Der türkische Präsident Erdogan lässt sich nur sehr ungern kritisieren. Einheimische Medien bekommen das schon lange zu spüren. Jetzt versucht die türkische Regierung, auch in Deutschland Einfluss zu nehmen. Konkret geht es um das NDR-Satiremagazin „extra 3“. Es nahm Erdogan in einem Video aufs Korn. Doch bei den Satirikern beißt Erdogan auf Granit. Das sagt Redaktionsleiter Andreas Lange. Mit ihm sprach Andre Dolle.

Ihnen ist ein großer Satire-Coup gelungen. Glückwunsch!

Andreas Lange: Danke. In meiner Laufbahn bei „extra 3“ ist so etwas in dieser Eskalationsstufe noch nie passiert. Ich arbeite hier schon einige Jahre. Es gibt regelmäßig Beschwerden, diplomatische Verwicklungen haben wir aber noch nie ausgelöst.

Im Internet schreibt ein Nutzer: „Das hätte sich die Satire-Zeitung ,der Postillon‘ nicht besser ausdenken können.“ Er meinte damit die Reaktion Erdogans.

Lange: Wir freuen uns über die vielen Reaktionen. Selten hat uns ein Politiker so geholfen. Man darf dabei aber nicht den Anlass der Satire vergessen. Dieser macht mich traurig. In unserem Song geht es um die Repression in der Türkei gegen Oppositionelle, gegen Journalisten, auch gegen die Kurden. Das ist alles nicht so witzig, auch wenn der Song unterhaltsam und lustig gemacht ist. Ganz im Ernst: Dass Erdogan so wütend auf unseren Beitrag reagiert, das macht mir ein wenig Sorge.

Sie haben Erdogan nun ganz frech zu Ihrem „Mitarbeiter des Monats“ gekürt. Das türkische Außenministerium hat gestern hingegen den Stopp des Liedes im Internet gefordert. Werden Sie dem folgen?

Lange: Ich kann kein Vergehen feststellen. Wir haben uns an die geltenden Gesetze in der Bundesrepublik Deutschland gehalten. Solange der Artikel 5 des Grundgesetzes, also die Meinungsfreiheit, gilt, mache ich mir keine Sorgen. Da gibt es gar keine Diskussionen.

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Haben sich schon Mitarbeiter des deutschen Außenministeriums in irgendeiner Form bei Ihnen gemeldet? Sie haben eine mittlere außenpolitische Krise ausgelöst.

Lange: Bei uns in der Redaktion hat sich von offizieller Seite noch niemand gemeldet – sei es von der türkischen Botschaft, von der deutschen Botschaft in der Türkei oder von der Bundesregierung. Ich werte das als positives Zeichen. Alles andere würde mich auch verwirren. Ein Anruf aus dem Vorzimmer von Erdogan gehört sich nicht in einer Demokratie. Bei aller Satire, die wir bei extra 3 machen, fühlen wir uns als Journalisten. Wir verwahren uns gegen jede Form der äußeren Einflussnahme.

Etwas Vergleichbares gab es in Deutschland nur ein einziges Mal, das war 1987. Damals ließ Rudi Carrell Ajatollah Chomeini in seiner „Tagesshow“ mit Dessous bewerfen. Der Iran ließ den deutschen Botschafter vorsprechen. Geschichte wiederholt sich offenbar.

„Wir haben offenbar in ein diplomatisches Wespennest gestochen“: „extra 3“-Redaktionsleiter Andreas Lange.
„Wir haben offenbar in ein diplomatisches Wespennest gestochen“: „extra 3“-Redaktionsleiter Andreas Lange. © NDR / Christian Spielmann | Christian Spielmann

Lange: Ja, offensichtlich. Wir haben bei extra 3 einen Spruch: „Wenn wir irgendwo hinschießen und jemand schreit ,Aua‘, haben wir offenbar getroffen.“ Das ist ganz offensichtlich der Fall. Herrn Erdogan ist der Kragen geplatzt. Die Vorwürfe, die Kritik, die wir äußern, scheinen ihm nicht zu passen. Wir haben offenbar in ein diplomatisches Wespennest gestochen. Das kann einen als Satiriker und als Journalist eigentlich nur freuen.

Von vielen Seiten erhalten Sie Zuspruch, von der Opposition im Bundestag oder vom Deutschen Journalistenverband etwa. Die Bundesregierung aber schweigt. Wünschen Sie sich mehr Einsatz, etwa von Außenminister Steinmeier?

Lange: Das diplomatische Parkett lässt das in dieser Phase der Gespräche um die Flüchtlingsfrage offenbar nicht zu. Ich würde mich freuen, wenn Kanzlerin Merkel oder Außenminister Steinmeier sich äußerten. Das Schweigen mag auch eine stille Zustimmung sein. Ich werte das einfach mal positiv.

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Macht es Sie stolz, dass Sie in einem Clip, der noch nicht einmal zwei Minuten dauert, mehr Menschen erreicht haben als Außenpolitiker mit ihren Reden?

Lange: Wir haben das Thema noch einmal aufs Tableau gehoben. Wir haben den Clip mit türkischen Untertiteln versehen, wir werden ihn mit englischen Untertiteln versehen. Wir wollen, dass die Türken und andere Menschen außerhalb Deutschlands den Song verstehen. Ich glaube daran, dass die Menschen in einem Land die Politik verändern können. Vielleicht haben wir einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass man das, was Herr Erdogan macht, auch in der Türkei künftig kritischer sieht.

Sie haben Erdogan bei „extra 3“ öfter aufs Korn genommen. Was macht den Mann so interessant, gerade auch für Sie als Satiriker?

Lange: Wir gehen journalistisch an die Themen heran. Wir schauen, was gerade aktuell ist, wo es Missstände gibt, wer die Verantwortlichen sind. Dann überlegen wir uns, wie wir das satirisch und lustig umsetzen können. Wir gehen nie nach dem Aussehen, wir wollen keine blöde Verarsche machen. Das hat alles einen inhaltlichen Hintergrund. Wenn Herr Erdogan so weiter macht, wird er noch einige Male bei extra 3 auftauchen – wie viele andere Politiker auch.

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Warum reagiert Erdogan gerade jetzt so dünnhäutig?

Lange: Das ist sehr bedenklich, was gerade in der Türkei mit der Pressefreiheit geschieht. Es gab die Vorfälle mit der türkischen Zeitung Zaman, die wir satirisch aufgegriffen haben. Es gibt den Prozess gegen zwei prominente türkische Journalisten, bei dem Herr Erdogan keine Diplomaten duldet. Wir waren offenbar das Tröpfchen, dass das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Sie haben es schon angedeutet: Zahmer werden Sie gegenüber Präsident Erdogan nun also nicht?

Lange: Dazu gibt es keinen Anlass, im Gegenteil. Er bietet leider, leider sehr viel Angriffsfläche. So lange sich das nicht ändert, werden wir nicht vom ihm ablassen. Das ist ein zweischneidiges Schwert: Es würde mich freuen, wenn es wieder mehr Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei gäbe. Als Satiriker hätten wir dann aber ein interessantes Thema weniger.