Hannover. Der neue „Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring zeigt die Heimkehr eines IS-Terroristen. Es ist aber auch die Rückkehr eines Ermittlers.

In den Sonntagskrimis des NDR geht es gern ein bisschen rauer zu als anderswo; und das keineswegs nur im „Tatort“ mit Til Schweiger. In „Zorn Gottes“ platscht ein Toter aus großer Höhe in ein Schwimmbecken; „bumm, zack, Arschbombe“, kommentiert Thorsten Falke den ungewöhnlichen Leichenfund. Der trockene Spruch belegt: Der Bundespolizist hat seinen Humor wiedergefunden; der war ihm bei seinem erschütternden vergangenen Fall, als er die Umstände eines seltsamen Todesfalls in einem Polizeirevier untersuchte („Verbrannt“), ebenso abhandengekommen wie seine Partnerin; und auch in dieser Hinsicht tut sich was.

Sehenswert aber ist „Zorn Gottes“, wie Falkes erster Fall („Feuerteufel“) von Özgür Yildirim inszeniert, aus anderen Gründen. Da ist zum einen der Schauplatz, denn die Handlung trägt sich größtenteils hinter den Kulissen des Flughafens Hannover zu. Schon allein die Schilderung der Sicherheitsvorkehrungen und erst recht die Suche nach den toten Winkeln im eigentlich lückenlosen Überwachungssystem sind faszinierend. Genauso spannend und zudem reichlich brisant ist die Geschichte: Ein deutscher „IS“-Kämpfer kehrt heim und bringt den Terror mit; im dramatischen und packenden Finale liefern sich Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Mitstreiterin Julia Grosz (Franziska Weisz) einen Wettlauf mit dem Tod, denn der Terrorist plant ein Blutbad in Braunschweig.

Eine Studie des Sicherheitsapparats

Bevor Jäger und Gejagte am Ende aufeinandertreffen, lässt Drehbuchautor Florian Oeller sie in zwei Handlungssträngen parallel agieren. Der Film beginnt mit einem Mord aus Versehen: Ein Schleuser (Christoph Letkowski), der zum Personal des Flughafens gehört, wartet auf einen Kunden, um ihn an der Passkontrolle vorbei aus dem Terminal zu schmuggeln. Dummerweise erwischt er den falschen und muss den Mann nun beseitigen, um nicht aufzufliegen; die Leiche landet kurz drauf im Pool, was Yildirim ziemlich schwarzhumorig inszeniert. Derweil testet Falke inkognito, wie gut die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen sind, und wird von einer Kollegin recht unsanft auf die Bretter geschickt.

„Tatort“: IS-Kämpfer drohen mit Anschlag

Menschenschmuggel, Schleuserproblematik und IS-Terroristen – aktueller kann der  siebte NDR-„Tatort“ am 20. März um Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) nicht sein. Der Fall „Gottes Zorn“ beginnt skurril: Aus heiterem Himmel fällt die Leiche eines jungen Mannes in den Swimmingpool eines jungen Paares.
Menschenschmuggel, Schleuserproblematik und IS-Terroristen – aktueller kann der siebte NDR-„Tatort“ am 20. März um Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) nicht sein. Der Fall „Gottes Zorn“ beginnt skurril: Aus heiterem Himmel fällt die Leiche eines jungen Mannes in den Swimmingpool eines jungen Paares. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, r.) ist überzeugt, dass das Opfer schon vor dem Aufprall tot war.
Hauptkommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring, r.) ist überzeugt, dass das Opfer schon vor dem Aufprall tot war. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Die Ermittlungen führen vom Fundort zum nahe gelegenen Flughafen Hannover-Langenhagen. An Falkes Seite agiert die neue und selbstbewusste Bundespolizistin Julia Grosz (Franziska Weisz).
Die Ermittlungen führen vom Fundort zum nahe gelegenen Flughafen Hannover-Langenhagen. An Falkes Seite agiert die neue und selbstbewusste Bundespolizistin Julia Grosz (Franziska Weisz). © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Das Ermittlerteam Falke, Grosz und Polizeirätin Hellinger (Marie-Lou Sellem, l.) beraten sich.
Das Ermittlerteam Falke, Grosz und Polizeirätin Hellinger (Marie-Lou Sellem, l.) beraten sich. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Kommissar Falke und ...
Kommissar Falke und ... © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
... der kühlen Neuen wird schnell klar, dass der tote Mann – ein jordanischer Geschäftsmann – einer Schleuserbande zum Opfer fiel, die auf dem Flughafen agiert.
... der kühlen Neuen wird schnell klar, dass der tote Mann – ein jordanischer Geschäftsmann – einer Schleuserbande zum Opfer fiel, die auf dem Flughafen agiert. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
In Verdacht steht Rocky Kovac (Christoph Letkowski). Der Tote ist dem deutschen Schleuser auf dem Flughafen gefährlich in die Quere gekommen.
In Verdacht steht Rocky Kovac (Christoph Letkowski). Der Tote ist dem deutschen Schleuser auf dem Flughafen gefährlich in die Quere gekommen. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Ein weiterer Passagier ist verschwunden. Es stellt sich heraus, dass es offenbar einem IS-Heimkehrer gelungen ist, durch eine Sicherheitslücke im Flughafen zu schlüpfen. Grosz nimmt die Spur des Flüchtigen auf ...
Ein weiterer Passagier ist verschwunden. Es stellt sich heraus, dass es offenbar einem IS-Heimkehrer gelungen ist, durch eine Sicherheitslücke im Flughafen zu schlüpfen. Grosz nimmt die Spur des Flüchtigen auf ... © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
... und hat ihn im Blick. Plant er ein Attentat?
... und hat ihn im Blick. Plant er ein Attentat? © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Polizeirätin Hellinger ist besorgt über die anscheinend große Sicherheitslücke am Flughafen.
Polizeirätin Hellinger ist besorgt über die anscheinend große Sicherheitslücke am Flughafen. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
Es folgt eine dramatische Geiselnahme in einem Krankenhaus, ...
Es folgt eine dramatische Geiselnahme in einem Krankenhaus, ... © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
... der Täter droht, das Krankenhaus in die Luft zu sprengen ...
... der Täter droht, das Krankenhaus in die Luft zu sprengen ... © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
... und schießt um sich.
... und schießt um sich. © NDR/Marion von der Mehden | NDR/Marion von der Mehden
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Gemeinsam gehen die beiden der Frage nach, wie es zu der unfreiwilligen Arschbombe kommen konnte. Oeller und Yildirim erzählen diesen Teil der Handlung auf mehreren Ebenen: Während Falke und Grosz nach dem Leck suchen, stellt der Film beiläufig die umfangreichen Überwachungsmaßnahmen vor. Mindestens genauso reizvoll ist die Zusammenarbeit der beiden völlig unterschiedlichen Charaktere, denn im Gegensatz zum lockeren Falke ist Julia Grosz, die unter einem Trauma leidet, seit sie als Polizeiausbilderin in Afghanistan einen Kollegen erschießen musste, ein Granitblock, an dem er sich die Zähne ausbeißt; die Wienerin Franziska Weisz gibt passend zur Figur ein sehr sachliches Debüt als „Tatort“-Ermittlerin.

Film verrät wenig über den Terroristen

Während Oeller die Recherche hinter den Kulissen des Flughafens sehr kenntnisreich und glaubwürdig beschreibt, kommt ausgerechnet die Figur des Gegenspielers etwas kurz. Der Terrorist (Cem-Ali Gültekin) liefert sich zwar einen moralischen Diskurs mit dem Schleuser, aber über seine Motive, sich dem „Dschihad“ anzuschließen, gibt der Film zu wenig preis. Das ist schade, denn der biografische Hintergrund der beiden Männer ist sehr ähnlich. Da hat Oeller die Gelegenheit verpasst zu verdeutlichen, dass der vermeintlich heilige Krieg nichts mit Religion zu tun hat; vielmehr gibt der „Islamische Staat“ Jugendlichen ohne Perspektive ein Ziel, für das es sich zu leben (und zu sterben) lohnt.

Trotzdem ist „Zorn Gottes“ ein ungewöhnlicher und sehenswerter „Tatort“, zumal Yildirim, der 2008 durch das Jugenddrama „Chiko“ bekannt geworden ist und im vergangenen Jahr mit „Boy7“ einen großartigen Kinothriller gedreht hat, das Kunststück gelungen ist, dem nüchternen Schauplatz dank eines konsequenten ästhetischen Konzepts (Kamera: Matthias Bolliger) bemerkenswerte Bilder abzugewinnen.