Berlin . Der ZDF-Dreiteiler „Ku’damm 56“ erzählt von einer Mutter und ihren Töchtern in den 50er-Jahren – zwischen Sittsamkeit und Lebenslust.

Wer in diesen Tagen über den Kurfürstendamm in Berlin spaziert, auf die Bauten schaut, die rund um die Gedächtniskirche entstanden sind oder gerade hochgezogen werden, der kann sich kaum vorstellen, dass die Gegend hier auch mal andere Zeiten erlebt hat. Es gab die Jahre kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Menschen wieder zu sich selbst zu finden versuchten.

Aber dann auch die 50er-Jahre, als der Krieg zwar immer noch seine Schatten warf, aber in das graue Stadtbild wieder Farbe eingezogen war.

Aus den USA schwappte der Rock’n’Roll zu uns rüber, die Frauen trugen Petticoats, und wer es sich leisten konnte, fuhr ein Goggomobil. Die ersten Vorboten der 68er-Proteste kündigten sich an, denn die Jugend rebellierte langsam gegen das steife und autoritäre Elternhaus.

Die Mutter ist charmante Leiterin der Tanzschule, aber geprägt von Sittsamkeit

Von dieser Zeit erzählt der Dreiteiler „Ku’damm 56“. Ort des Geschehens ist eine Tanzschule, die den wunderbaren Namen „Galant“ trägt. Sie wird geleitet von Caterina Schöllack (Claudia Michelsen), einer alleinerziehende Mutter von drei schon ziemlich erwachsenen Töchtern ist.

Schöllack scheint aber auf den ersten Blick hin- und hergerissen zwischen ihrer Rolle als strenges Familienoberhaupt und der der charmanten aber auch gouvernantenhaften Chefin. Eigentlich könnte sie schon recht emanzipiert sein, doch der alte Geist, die stramme Sittsamkeit, prägt sie.

Wer bei ihr in die Stunde geht, soll den ordentlichen Tanz erlernen. Der Mann darf bei der Partnerin seine Hand nicht in der Gesäßgegend haben und auch nicht in der freien Schulterpartie, sondern irgendwo dazwischen. Die neue Musik ist ihr verhasst.

„Rumba ist ein Balztanz“ und „Rock’n’Roll führt direkt in den Urwald. Bald wälzen sich alle auf dem Boden“, erklärt sie. Kein Wunder, wenn man in Zeitungsüberschriften sowas wie „Sittenverfall durch Negermusik“ lesen kann.

Der Vater ist offenbar im Krieg gefallen

Da ist ihre Tochter Monika (Sonja Gerhardt) ein ganz anderes Kaliber: Die Haushaltsschule schmeißt sie und schleicht sich von zu Hause weg, um im Rock’n’Roll ihre Freiheit zu finden. „Mutti“ ist überfordert mit der aufmüpfigen Tochter.

Der Vater der Kinder ist im Krieg gefallen, das hat sie ihren Kindern erzählt. Und so versucht sie selbst den fehlenden Erzieherpart mitzuübernehmen. Das heißt: Wer nicht spurt, kriegt eine Ohrfeige verabreicht. Nur spuren die Töchter immer weniger.

Die älteste Tochter Helga (Maria Ehrich) hat die Mutter zwar schon unter die Haube gekriegt, aber die Ehe entpuppt sich als Desaster. Eva (Emilia Schüle), die jüngste in der Geschwisterreihe, arbeitet in einer Nervenheilanstalt als Pflegerin und versucht, ihren sehr viel älteren Chef zu umgarnen. Eine gute Partie – das ist ja alles was „Mutti“ will, aber das will auch bei Eva erstmal nicht so recht zu funktionieren.

Das Drehbuch stammt von der Autorin der Serie „Weißensee“

Viereinhalb Stunden lang, gestückelt in drei Teile, nimmt das Drama für den Fernsehzuschauer seinen Lauf. Das Drehbuch hat Annette Hess geschrieben, die sich bereits als Schöpferin der „Weißensee“-Serie einen Namen gemacht hat. Was dort allerdings mit insgesamt 18 Folgen glänzend klappte, weil es mit Ausdauer und Geduld erzählt wurde, wirkt bei „Ku’damm 56“ leicht überfrachtet.

Jede Figur trägt einen derartigen Berg von Geschichten mit sich herum, dass sie manchmal unter ihm zusammenzubrechen droht. Eine kleine Streckung, eine Folge mehr hätte vielleicht eine willkommene Atempause geschaffen.

Fazit: Dennoch lohnt es sich einzuschalten. Der Film bietet tolle Bilder, waghalsige Tanzeinlagen, witzige Dialogeinfälle und vor allem sehr gute Schauspieler: Claudia Michelsen in der strengen Mutterrolle, Maria Ehrich als angepasste und scheue Tochter, Ehefrau und Hausfrau, die es aber irgendwann versucht auszubrechen, und schließlich Sonja Gerhardt als widerspenstige Monika.

In den Nebenrollen glänzen Uwe Ochsenknecht als Hausfreund mit düsterer Nazivergangenheit und Sabin Tambrea als gefühlskalter Unternehmersohn. Jan Draeger

20., 21. und 23. März um 20.15 Uhr, ZDF