Berlin. Maybrit Illner sprach mit ihren Gästen über das Für und Wider des Türkei-Plans der EU. Der Runde ging es vor allem um vier Fragen.

Für jeden Syrer, der aus Griechenland in die Türkei geschickt wird, nimmt die EU einen anderen Syrer aus der Türkei auf – das ist der Deal, den sich die Bundeskanzlerin vorstellt, um die Flüchtlingskrise zu lösen. Doch wie weit sollte man dafür gehen? Wie viele Zugeständnisse an die Türkei darf man machen? Wie vertrauenswürdig ist dieser Partner? Und wäre ein solches Abkommen überhaupt rechtens?

„Feilschen um die Flüchtlinge: Was bringt Merkels Türkei-Plan?“, fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, den türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karsilioglu, den österreichischen Abgeordneter im Europäischen Parlament Heinz K. Becker, und den Chefkorrespondenten des Deutschlandradios Stephan Detjen.

Welche Folgen hätte das Türkei-Abkommen?

„Merkel will die Bilder aus Idomeni in die Türkei verlagern. Das ist ein schäbiger Deal“, meint Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.
„Merkel will die Bilder aus Idomeni in die Türkei verlagern. Das ist ein schäbiger Deal“, meint Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

Die erste Antwort darauf lieferte Sahra Wagenknecht. „Merkel will die Bilder aus Idomeni in die Türkei verlagern. Das ist ein schäbiger Deal“, sagte die Fraktionschefin der Linken. Zehntausende Flüchtlinge harren derzeit in dem griechischen Dorf nahe der geschlossenen mazedonischen Grenze aus, kaum versorgt, in Kälte und Schlamm. Das sei natürlich eine Schande, pflichtete Ursula von der Leyen bei, es sei jedoch ein Riesenunterschied, ob in Idomeni Flüchtlinge durch Organisierte Kriminalität landeten, oder von der Türkei aus legal einreisen könnten.

Denn das ist die Idee hinter dem Deal: Er soll die Menschen davon abhalten, mit Hilfe von Schleppern den gefährlichen Weg über das Mittelmeer zu nehmen. Wer in Griechenland aufgegriffen wird, soll zunächst nicht für eine Aufnahme in der EU in Frage kommen. Der Journalist Stephan Detjen sieht dabei ein entscheidendes Problem: „Die legale Migration wird abhängig gemacht von der illegalen Migration. Ein syrischer Flüchtling in der Türkei ist darauf angewiesen, dass ein Flüchtling aus Griechenland zurückgeschickt wird.“ Das sei Menschenhandel.

Gibt es eine Alternative?

Ein besserer Weg sei es, Kontingente festzulegen, wie auch Wagenknecht findet: „Dafür brauchen wir keinen Deal mit der Türkei.“ Auch das Abkommen sieht Kontingente vor, allerdings erst im zweiten Schritt, nachdem die illegal eingereisten Flüchtlinge zurückgeschickt wurden. „Der Sinn dahinter ist, dass wir das Geschäftsmodell der Schlepper zerstören“, sagte von der Leyen. „Das Signal soll sein: Geb nicht euer Vermögen, riskiert nicht euer Leben!“

Wie vertrauenswürdig ist die Türkei?

Dabei mit der Türkei zusammenzuarbeiten, sehen nicht nur Asylorganisationen und Menschenrechtler kritisch. Die Türkei präsentiert sich derzeit als ein Land, dass sich zusehends von demokratischen Werten verabschiedet. Illner nennt die Stichworte: „Pressefreiheit, Frauenrechte, Krieg gegen die Kurden“. Der türkische Botschafter wehrt sich: „Wir führen keinen Krieg gegen die Kurden, sondern gegen die PKK.“ Auch sonst betonte er, dass man der Türkei in Sachen Flüchtlinge ruhig vertrauen könne. Schließlich habe sie jahrzehntelange Erfahrung darin. „Wir tun unser Äußerstes, um den Flüchtlingen zu helfen“, sagte Karsilioglu. Und das Geld der EU komme allein den Geflüchteten zugute: „Das geht nicht in unsere Haushaltskasse.“

Wie soll man mit den weiteren Forderungen umgehen?

Die Visafreiheit kommt ohnehin – daran erinnerte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei Maybrit Illner.
Die Visafreiheit kommt ohnehin – daran erinnerte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei Maybrit Illner. © imago/Metodi Popow | imago stock&people

Drei Milliarden Euro hat die EU der Türkei bereits zugesagt, kommt der Deal zustande, sollen noch einmal drei Milliarden fließen. Doch das ist nicht die einzige Forderung. Weitere sind Visafreiheit und eine Forcierung der EU-Beitrittsgespräche. Auch darüber gehen die Meinungen der Talk-Gäste auseinander. „Der IS hat in der Türkei ausgeprägte Netze“, warnte Wagenknecht, dass die Visafreiheit auch deren Reisen erleichtern würde. Allerdings: „Die Visafreiheit ist im letzten Jahr mit allen 28 EU-Mitgliedsstaaten ausverhandelt worden“, sagte von der Leyen. Sie kommt also ohnehin. Jedoch nicht ohne Voraussetzungen. „Die Türkei muss viele Schritte nachweisen“, so die Bundesverteidigungsministerin.

Das gilt auch für eine Mitgliedschaft in der EU, die derzeit noch in weiter Ferne liegt. Doch das sei gar nicht das Wichtigste. „Weitere Verhandlungen sind doch eine großartige Chance, all die Dinge auf den Tisch zu legen, die wir der Türkei vorwerfen“, sagte ÖVP-Politiker Becker. Das fand auch von der Leyen: „Wird es besser, wenn wir uns abwenden und die Türkei isolieren, oder wenn wir immer wieder diese Konflikte aushandeln?“ Entscheidend sei, dass ein Demokratisierungsprozess einsetze.