Berlin. Frank Plasberg ließ am Montag die Landtagswahlen diskutieren. Eine wichtige Ergänzung war der Auftritt einer mutigen AfD-Wählerin.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt verändern die politische Landschaft in Deutschland. Die SPD bangt um ihren Status als Volkspartei, die CDU debattiert die Folgen ihres schwachen Abschneidens – und die AfD gewinnt in allen drei Bundesländern deutlich.

Mit den Folgen dieser Entwicklung befasste sich am Montagabend auch Frank Plasberg. „Die Wut-Wahl: Verliert Deutschland die politische Mitte?“ fragte die Redaktion von „Hart aber fair“. An einer Antwort versuchten sich Peter Altmaier (CDU), Thomas Oppermann (SPD), Jörg Meuthen (AfD), die Schriftstellerin Juli Zeh sowie der Journalist Christoph Schwennicke.

Hat Merkel verloren?

Einen guten Teil der Zeit verwendete die Runde auf die Frage, inwiefern die Kanzlerin mit dem Votum abgestraft worden ist. Von dieser Lesart der Wahlergebnisse wollte Peter Altmaier nichts wissen. „Es hat sich eine Mehrheit für den Kurs der Kanzlerin ausgesprochen“, sagte der Kanzleramtschef mit Blick auf die starken Ergebnisse von Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD) und Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne). Bedauerlich sei, dass sie es nicht direkt für die CDU getan habe. „Wir müssen überlegen, was wir falsch gemacht haben.“ Klar sei, dass die Flüchtlingskrise als „außergewöhnliche Situation“ stark in die Wahlkämpfe hineingespielt habe.

Christoph Schwennicke sah das ganz anders. „Wir unterstützen deine Willkommenspolitik nicht“, laute die Botschaft an Angela Merkel. Zwar hätten die Spitzenkandidaten in den Ländern ihr Übriges zum Debakel für die CDU beigetragen. „Die Ursache aber ist die Politik von Angela Merkel“, sagte der Chefredakteur des Cicero.

Patrioten, keine Rassisten?

Jörg Meuthen stellte in diesem Zusammenhang die gewagte Behauptung auf, dass seine Partei nicht nur wegen der Flüchtlingskrise so gut abgeschnitten habe. „Wir hätten es auch so gut geschafft“, sagte der Co-Chef der AfD. Grund sei, dass es im deutschen Parteiensystem einen „zutiefst sozialdemokratisierten politischen Einheitsbrei“ gebe, zu dem eine echte Alternative bisher gefehlt habe. Die Lücke habe die AfD erfolgreich gefüllt.

An anderer Stelle kam Meuthen allerdings ins Schleudern. Mit Einspielern belegte Plasberg die Nähe der Partei zum äußersten rechten Rand – ein Phänomen, das der sich windende Meuthen nicht so recht verargumentieren konnte. „Ich kenne diese Leute und ich weiß, wofür die stehen: Das sind Patrioten, keine Fremdenfeinde“, beteuerte Meuthen etwa mit Blick auf Björn Höcke, der sich unter anderem mit eindeutig rassistischen Äußerungen zu „dem Fortpflanzungsverhalten“ von „den Afrikanern“ hervorgetan hatte. Man habe in der AfD eine klare Abgrenzung und dulde keine Fremdenfeinde, versicherte Meuthen dennoch.

„Gabriel wirkt arrogant“

Ein weiteres großes Thema der Runde war das schlechte Abschneiden der SPD. Hier kam Thomas Oppermann in Erklärungsnot. „Gabriel macht gute Arbeit“, sagte der SPD-Fraktionschef zur in den Medien geführten Personaldiskussion um den Parteichef. Zudem sei ja auch nicht über Gabriel abgestimmt worden. Inhaltlich sei die SPD nicht etwa zu beliebig, sondern müsse als Volkspartei viele unterschiedliche Strömungen integrieren. Das sei wichtig für die Demokratie, aber eben auch nicht immer einfach.

Juli Zeh hatte für die Schwierigkeiten der Partei, die nach eigenem Bekunden früher für sie politische Heimat gewesen ist, eine andere Erklärung. „Es gibt Politiker, die eine Arroganz ausstrahlen“, sagte die Schriftstellerin. Dazu gehöre Gabriel, während Menschen wie Malu Dreyer oder Winfried Kretschmann das Gegenteil verkörpern würden und deswegen erfolgreich seien. Außerdem scheine es derzeit eine tragische Gesetzmäßigkeit zu geben, nach der es immer die SPD trifft. „Manchmal kann sie nicht einmal etwas dafür.“

Eine mutige AfD-Wählerin

Eine gute Ergänzung der Debatte war gegen Ende der Sendung der Auftritt von Brigitte Büttner aus Rheinland-Pfalz. Büttner, die laut eigener Auskunft jahrelang konsequent Grün gewählt hat, hatte am Sonntag erstmals für die AfD gestimmt, um, wie sie selbst sagt, ihren Protest auszudrücken. Dass es ihr so viele gleich taten, habe sie überrascht, sagte Büttner. Sie werde keine AfD-Stammwählerin werden, sondern hoffe vielmehr, ein Signal gesendet zu haben. „Ich habe meine Stimme instrumentalisiert. Das, was sonst mit uns gemacht wird, habe ich jetzt auch gemacht“, fasste Büttner ihre Motivation zusammen.

Doch was genau treibt solche Wähler an? Sie habe sich zerrissen und ohne politische Heimat gefühlt, schilderte Büttner ihren Gemütszustand weiter. Es gehe ihr darum, gehört zu werden. „Das wünschen sich viele Menschen.“ Sie wollten nicht nur als „Stimmvieh“ gelten.

Merkel kann nicht vermitteln, wohin die Reise geht

„Ich habe keine Angst vor Überfremdung“, wehrte sich Büttner gegen eine naheliegende Erklärung für ihre Wahlentscheidung. Später widersprach sie dieser Aussage allerdings indirekt: Ihr sei nicht klar, inwieweit Europa darauf vorbereitet sei, „wenn ganz Afrika kommt“, formuliert sie ihre Hauptkritik. „Mein Thema ist, dass Frau Merkel nicht vermitteln kann, wohin die Reise geht.“ Doch ist es nicht gerade die Kanzlerin, die mit der Bekämpfung der Fluchtursachen die von Büttner gefürchtete Massenmigration verhindern möchte, während CSU und AfD einfach nur Zäune errichten wollen? Beim Blick auf diese Diskrepanz drängt sich die Frage auf, ob es sich am Ende vielleicht wirklich nur um ein Kommunikationsproblem handeln könnte.

Büttners Auftritt war in jedem Fall gerade wegen solcher Einsichten ein echter Gewinn für die Runde. Hier wurde eine Gemütslage deutlich, die möglicherweise von einem guten Teil der AfD-Wähler geteilt wird. Ein mutiger Schritt für eine Privatperson, sich so der Öffentlichkeit auszusetzen. „Es wird immer gesagt, dass man Rückgrat zeigen soll“, erklärt Büttner am Ende noch einmal ihren Auftritt. Das hat sie definitiv getan.

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