Berlin. Wo steht Deutschland in der Flüchtlingskrise, fragte Maybrit Illner am Donnerstag in der ARD. Dabei gab es ungewohnte Konstellationen.

Wie weiter in der Flüchtlingskrise? Diese große Frage stellte Maybrit Illner am Donnerstagabend in einer Spezialausgabe. Der Clou: Die Besetzungen wechselten ständig, so dass verschiedene Gesprächspartner aufeinandertrafen, um unterschiedlichste Aspekte des Themas zu diskutieren. Hintergrund der Debatte ist der „Super-Sonntag“, bei dem an diesem Wochenende neue Landtage in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt werden und der auch eine erste große Abstimmung über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ist.

Katja Kipping gegen AfD-Chefin Frauke Petry

Zu den sehenswertesten Besetzungen gehörte das Aufeinandertreffen von AfD-Chefin Frauke Petry und der Chefin der Linkspartei, Katja Kipping. Den Weg bereitete Norbert Scheiwe, der in Baden-Württemberg in der Jugendhilfe mit jungen Flüchtlingen arbeitet.

In der Diskussion mit Petry sprach sich Scheiwe vehement dafür aus, nicht zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden. „Wer definiert denn, was wirtschaftliche Not ist und was Kriegsnot ist?“, fragte Scheiwe in Richtung Petry. Bei seiner Arbeit merke er immer wieder, wie engagiert die jungen Leute seien, ganz gleich, aus welchem Grund sie geflohen seien: „Das sind die Krankenpfleger, die Kfz-Mechaniker und die Ärzte von morgen.“ Viele würden hochmotiviert nach Deutschland kommen und sich schnell einbringen.

Petry sah das erwartungsgemäß anders. „Wir bleiben dabei: Die Trennung zwischen Asylrecht und Einwanderungsrecht ist nicht gegeben“, sagte die AfD-Politikerin, die wenig später ihre Kontrahentin von der Linkspartei als „Oberlehrer“ abtat und sie bat, doch bitte mal ein „bisschen länger Luft“ zu holen. Derzeit finde in der Flüchtlingskrise ein dauerhafter Bruch von geltendem Recht statt, weil nicht zwischen „Migrant“ und „Flüchtling“ unterschieden werde.

„Sie wenden immer den gleichen Trick an!“

Auf Nachfrage äußerte sich Petry auch zu den Übergriffen auf Flüchtlingsheime. „Jeder Anschlag ist einer zu viel“, sagte die AfD-Chefin. Eine klare Aussage, die sie im nächsten Moment aber gleich wieder relativierte, indem sie die Verantwortung dafür der Bundesregierung übertrug, die die Gewalt mit ihrer Flüchtlingspolitik ja provoziere.

Viel Kritik musste Petry von Kipping einstecken, die zunächst die Rhetorik der AfD-Chefin anprangerte. „Sie wenden immer den gleichen Trick an: Erst etwas sagen, dann dementieren“, kritisierte Kipping etwa mit Blick auf den „Schießbefehl“ gegen Flüchtlinge. Zudem finde sich in den Programmen der AfD kaum ein echter Inhalt. Die Sozialpolitik etwa finde kaum statt. In Wahrheit verfolge die Partei hier einen Ansatz, bei dem Ärmere vernachlässigt würden. „Die AfD ist zutiefst unsozial“, fasste Kipping ihre inhaltliche Kritik zusammen.

„Jeder darf ein Kopftuch tragen“

Ein weiteres interessantes Aufeinandertreffen fand unter der Überschrift „Integration“ statt. Hier berichtete die Studentin und Muslima Emine Aslan dem stellvertretenden CDU-Chef Thomas Strobl aus ihrem Lebensalltag. Integration werde hierzulande oftmals mit Assimilation gleichgesetzt, sagte Aslan. Dabei bedeute sie nicht, dass man sich exakt wie die einheimische Bevölkerung verhalte, sondern dass man am politischen und gesellschaftlichen Leben teilhabe. Dabei komme es aber immer wieder zur Diskriminierung. „Es wird viel Politik mit dem Körper von muslimischen Frauen gemacht. Wir gelten als unterdrückt, aber auch als Terrorgefahr“, nannte Aslan ein Beispiel.

Strobl gab ihr dahingehend recht, dass über den Islam ein Feindbild aufgebaut werde. Dabei gelte doch: Natürlich dürfe jede Person ein Kopftuch tragen, wenn sie es denn will. „Wir sind ein freies Land.“ Insbesondere die AfD spiele hier mit den Ängsten der Menschen. „In meiner Heimatstadt Heilbronn haben wir 50 Prozent Migrationsanteil. Und was haben wir für Probleme: Keine.“ Zugleich sei aber auch klar, dass Integration nicht nur ein Angebot, sondern auch eine Pflicht sei, die nötigenfalls mit Sanktionen erzwungen werden müsse.

Wie Integration funktionieren kann

Die letzte Besetzung zeigte, wie die kurz zuvor diskutierte Integration funktionieren kann. Auf der einen Seite Angela Papenburg, Unternehmerin aus Sachsen-Anhalt, die in Eigeninitiative viel Kraft und Zeit darauf verwendet, Flüchtlinge in ihrem Betrieb in Arbeit zu bringen. Auf der anderen Seite Arthur Mashuryan aus Rheinland-Pfalz, der aus dem Nichts eine Konditorei mit zehn Mitarbeitern erschaffen hat.

Und mittendrin: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und FDP-Chef Christian Lindner, die darüber streiten, ob die Hürden für Flüchtlinge am Arbeitsmarkt schnell genug abgebaut werden oder nicht.

Papenburg berichtete, wie sie in ihren Bemühungen von fehlender staatlicher Initiative behindert wird. Dabei könne sich die Flüchtlingskrise letztlich durchaus als ökonomischer Erfolg entpuppen. Dazu brauche es aber weniger Bürokratie, und auch die Unternehmen müssten sich öffnen. „Die Fachsprache fehlt“, benannte Papenburg ein großes Problem auf Seiten der Flüchtlinge. Zudem seien nicht alle gleichermaßen engagiert, weil oft nicht klar sei, ob sie bleiben dürften.

„Ich versuche, nur mein Bestes zu geben“

Auch Konditor-Unternehmer Mashuryan berichtete eindringlich aus der Praxis. „Ich versuche, nur mein Bestes zu geben“, erklärte er seinen Erfolg. Dabei sei aber auch klar, dass man sich Chancen erkämpfen müsse. „Es gibt in der Gesellschaft einige Hürden.“ Noch immer würden Menschen wie er als Fremde angesehen. „Dabei sind wir ein Teil dieser Gesellschaft, wir wollen sie mitgestalten.“ Die Debatte über die Flüchtlinge sei oft unfair. „Hat ein Flüchtling eine Arbeit, nimmt er sie dem Deutschen weg, hat er keine, liegt er ihm auf der Tasche.“

Am Ende konnte es sich Mashuryan nicht verkneifen, noch einmal auf die Unterscheidung von Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen zurückzukommen. Wie problematisch diese sein kann, machte er mit einem einfachen, aber deutlichen Satz klar: „Wenn man verhungert, stirbt man, auch wenn man nicht erschossen wird.“