Berlin. Anne Will widmete sich am Sonntagabend wieder einmal der Flüchtlingskrise. Aufgemischt wurde die Runde von einem radikalen Slowaken.

In dieser Woche steht erneut eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise auf der Agenda. Am Montag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs mit der Türkei zum Sondergipfel, um eigentlich schon lange vereinbarte gemeinsame Maßnahmen zu konkretisieren: Die Türkei soll mehr dafür tun, dass weniger Flüchtlinge kommen – und kann dafür auf Zugeständnisse wie Visa-Erleichterungen, finanzielle Hilfen und eine neue Beitrittsperpektive hoffen.

Passiert ist bisher trotz einer grundsätzlichen Einigung herzlich wenig, was insbesondere für die Bundeskanzlerin ein Problem ist. Während Österreich und die Balkanstaaten mit nationalen Maßnahmen eine Verschiebung des Problems nach Griechenland herbeigeführt haben, hofft Angela Merkel weiter auf eine europäische Lösung. Die aber kann nur im Zusammenspiel mit der Türkei gelingen, was deutlich macht, wie wichtig der Sondergipfel schon allein für die Kanzlerin ist.

Das Thema beschäftigte am Sonntagabend auch Anne Will. „Flüchtlingsdrama vor dem Gipfel - Ist Europa noch zu retten?“ fragte die Redaktion. Diskutiert wurde das Thema von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Katja Kipping (Linkspartei), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und dem slowakischen Europa-Abgeordneten Richard Sulík.

Ein defensiver Österreicher

Im Zentrum des Interesses stand zu Beginn Sebastian Kurz, der Österreichs Haltung in der Flüchtlingskrise verteidigte. Die eingeführten Tageskontingente und die Grenzkontrollen hätten zu einer neuen Dynamik in Europa geführt, sagte der österreichische Außenminister. Natürlich seien die Bilder aus Griechenland furchtbar, doch werde es ohne sie nicht gehen. Wenn es zu einem Deal mit der Türkei komme, werde sich das Problem einfach dorthin verlagern. „Und womöglich wird dann keine Kamera da sein, um das zu dokumentieren“, warnte Kurz. Zugleich kündigte er an, dass auf dem Sondergipfel die Schließung der Balkanroute als „Ende des Durchwinkens“ bestätigt würde.

Heiko Maas pochte dagegen auf eine europäische Lösung. „Wenn wir alle nationale Lösungen treffen, wird es keine Kontingente geben“, sagte der Bundesjustizminister. Es sei aber fester Bestandteil des Abkommens mit der Türkei, dass Europa einen Teil der Flüchtlinge kontrolliert aufnehme und innerhalb der Staatengemeinschaft verteile. Die Türkei hält Maas, der in der Sendung peinlicherweise besonders eifrig von seinem Pressesprecher beklatscht wurde, neben der Bekämpfung der Fluchtursachen für entscheidend. „Es muss eine Außengrenze geben, an der entschieden wird, wer kommen kann und wer nicht.“ Durch eine Registrierung und Verteilung aus der Türkei heraus könne der Prozess geordnet werden. Darüber hinaus kündigte Maas an, dass auf dem Sondergipfel voraussichtlich finanzielle und logistische Hilfe für Griechenland zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beschlossen würde.

Ein radikaler Slowake

Eine besonders kontroverse Stellung nahm in der Diskussion Richard Sulík ein, der deutlich seine Abneigung gegen die EU, aber auch gegen Flüchtlinge im eigenen Land durchblicken ließ. „Man muss sie ja nicht gleich umbringen, aber man muss Gewalt anwenden, um die Grenze zu schützen“, sagte der Vorsitzende der nach slowakischen Maßstäben liberalen Partei Freiheit und Solidarität mit Blick auf die Szenen an der mazedonisch-griechischen Grenze. Die Aufnahme von Flüchtlingen lehnt Sulík ab. Für die Slowakei gelte eine Obergrenze von null, weil es das Volk so wolle.

Mit solchen Äußerungen brachte der Slowake die Runde endgültig gegen sich auf. „Wissen Sie, was ich heuchlerisch finde: Alle Vorteile der EU einzukassieren, und sich dann, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, wegzuducken“, fasste Maas unter schallendem Applaus die Empörung zusammen.

Ein Jammer, dass diese treffende Beschreibung der unmöglichen Haltung der osteuropäischen Staaten erst so spät in der Sendung formuliert wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt geriet der bis dahin selbstsichere Sulík ins Wanken. Die Slowakei zahle schließlich auch ein, lamentierte er. Und überhaupt würde das viele EU-Geld ja auch die Korruption im Land befördern. Merke: In der Slowakei sind es nicht Menschen oder Systeme, die korrupt sind. Das Geld ist das Problem.

Eine einige Opposition

Katrin Göring-Eckardt und Katja Kipping nahmen in der Diskussion ihre gewohnten Oppositionsrollen ein, machten aber auch beide deutlich, dass sie den Kurs der Kanzlerin im Prinzip unterstützen: Sowohl die Fraktionschefin der Grünen als auch die Parteichefin der Linken plädierten für eine Bekämpfung der Fluchtursachen und eine europäische Lösung im Sinne von Kontingenten.

Göring-Eckardt machte dabei noch einmal deutlich, dass eine Grenzsicherung keine nachhaltige Lösung sei. „Die Menschen kommen aus Kriegsgebieten, sie werden nicht aufzuhalten sein“, sagte die Grünen-Politikerin. Kipping wurde noch deutlicher: „Ihre europäische Lösung bedeutet Tränengas und einen Schießbefehl gegen Menschen“, sagte sie mit Blick auf Österreichs nationale Maßnahmen.

Für eine kurze Diskussion im Netz sorgte allerdings neben Göring-Eckardt eine weitere Grünen-Politikerin. So hatte Renate Künast den Slowaken Richard Sulík fälschlicherweise zum Polen gemacht. In einer Nachricht beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb Künast: „oh je, es gibt bestimmt bessere Botschafter für #Polen“. Gleich mehrere Twitter-Nutzer wiesen Künast auf ihren Fehler hin. Doch die Politikerin reagierte souverän und erklärte, dass sie nur in die Sendung hineingezappt habe und der Tweet wohl voreilig gewesen sei.

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