Dresden-„Tatort“: Frauenpower und bunte Schlagerwelt
•
Lesezeit: 4 Minuten
Dresden. Der neue Sachsen-„Tatort“ kommt aus Dresden. Für ihren ersten Fall ermittelt das forsche Kommissarinnen-Duo in der Welt der Volksmusik.
Im bunten Dirndl trällert die junge Frau einen Schlagerhit, im Hintergrund die barocke Kulisse des Dresdner Zwingers. „Mein Sachsen, hier bin ich geboren, mein Sachsen, hier gehör’ ich hin...“. Die Probe für eine große Unterhaltungsshow wird jäh unterbrochen, als die Sängerin einen toten Kollegen hinter der Bühne findet – Toni vom Schlagerduo „Toni und Tina“. Daneben Musiker, die nach einer durchzechten Nacht ihren Rausch ausschlafen.
Der neue „Tatort“ aus Dresden „Auf einen Schlag“ zeigt gleich zu Beginn Risse in der heilen Schlagerwelt. Unter Verdacht stehen zunächst der Manager Rollo mit seinen Schlangenleder-Stiefeletten und ein enttäuschter Schlagerfan – der mit Schnauzbart, sächsischem Dialekt und seiner Wohnung im Plattenbau als Klischee-Ossi daherkommt. Wer profitierte von Tonis Tod? Dabei geht es auch um die Volksmusik-Rocker „Herzensbrecher“ und eine heiße Affäre, die am Ende mit einer überraschenden Wende aufwartet.
Das erste Frauen-Duo der „Tatort“-Geschichte
Für ihren ersten Fall tauchen die Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Henni Sieland (Alwara Höfels) in Dresden immer tiefer hinein in die Welt der Volksmusik, in der es um Geschäfte, alternde Stars und den schönen Schein geht.
Mit den beiden Kommissarinnen ermittelt erstmals in der Geschichte der ARD-Krimireihe ein reines Frauenteam. Die eine alleinerziehend und mit ihrem pubertierenden Sohn überfordert, die andere eine liierte Karrierefrau mit Kinderwunsch. Zickenkrieg oder Frauenpower? „Es sind zwei Frauen, die oft unterschiedlicher Meinung sind und an bestimmte Dinge anders herangehen. Aber sie zicken sich nicht an, die klären nur manchmal Dinge – recht offen“, sagt Hanczewski.
Starke Frauen ermitteln im „Tatort“
1/11
Den Chef der modernen Frauen gibt Martin Brambach („Barfuß bis zum Hals“) als altmodischen Peter Michael Schnabel. Der Leiter des Kommissariats hört gern Schlager, steht auf Kriegsfuß mit Handy und „diesem“ Internet und reißt gern mal Witze, die nicht politisch korrekt sind. Ein Mann, der nach Einschätzung seiner Kolleginnen endlich mal in „unserem Zeitalter ankommen“ soll. „Da steckt auch viel von mir in der Figur, ich gehe nicht gern ins Internet, ich telefoniere nicht gern mit dem Handy“, sagt Brambach. Mit modernen Frauen dagegen habe er keine Probleme.
Ohrwürmer nach dem Dreh
Für Wortwitz und flotte Dialoge sorgt Drehbuchautor Ralf Husmann. Der Erfinder von „Stromberg“ hat sich für seinen ersten „Tatort“ die Volksmusik-Szene ausgesucht, „weil da noch Rock n’ Roll drin ist“, wie er sagt. Die Schlagerwelt stelle zudem „den größtmöglichen Kontrast zu Brutalität, Blut, Gewalt und Leichen“ dar. Die eingängigen Schlagertexte schrieb er selbst. „Nach unserem Dreh hatte ich auf jeden Fall Ohrwürmer“, sagt Hanczewski.
Neuer Dresden-„Tatort“ nach 15 Jahren
1/12
Die Grenzen zur echten Schlagerwelt verschwimmen im „Tatort“, Stefan Mross hat einen Gastauftritt, auf einem Selfie ist Achim Mentzel zu sehen, der mit dem Foto einen Verdächtigen entlastet. Der Entertainer starb vor wenigen Wochen im Alter von 69 Jahren. Shooting Star Jella Haase („Fack Ju Göhte“) übernimmt die Rolle einer jungen Polizeianwärterin, deren Ehrgeiz ihr zum Verhängnis wird. Ein kurzes Gastspiel, von Anfang an so geplant.
Der neue Sachsen-„Tatort“ will jung sein, pendelt zwischen Ironie und Brutalität und setzt dafür auf emanzipierte Frauen, schwule Volksmusiker und den Konflikt der Generationen.
Viele Klischees, aber trotzdem gut
Wenn auch mit Klischees an mancher Stelle überfrachtet, so ist der Krimi dennoch kein Vergleich zum alten Dresden-„Tatort“. Für den ermittelten bis 1999 etwas betulich Peter Sodann und Bernd Michael Lade an der Elbe, bevor sie nach Leipzig wechselten. Seit 2008 gingen dann Simone Thomalla und Martin Wuttke in Leipzig auf Verbrecherjagd, mussten jedoch ihren Dienst quittieren. Bei einer Online-Ausschreibung gingen dutzende Bewerbungen beim Mitteldeutschen Rundfunk ein – letztlich fiel die Entscheidung auf Dresden.
„Ich bin unglaublich glücklich, dass es Dresden geworden ist. So viele Widersprüche, wie es dort gibt, da werden uns die Stoffe in den nächsten Jahren nicht ausgehen“, sagt Schauspielerin Alwara Höfels – auch mit Blick auf die wöchentlichen Pegida-Demonstrationen, die die Schauspieler am Rande der Dreharbeiten mitbekommen haben.