Köln/Berlin. Seit 20 Jahren läuft beim WDR der nächtliche Radio-Talk mit Jürgen Domian. Solch einen dramatischen Anruf hatte der Moderator noch nie.

„So jetzt habe ich die Christina, 23 Jahre alt“, leitet Jürgen Domian in der Nacht zu Dienstag sein nächstes Gespräch ein. Es klingt nach Routine, so wie der 57-jährige Rundfunk-Moderator seit 20 Jahren in seiner nächtlichen Sendungen Anrufer mit ihren Sorgen und Gedanken live begrüßt. An die 20.000 Gespräche hat „Domian“, wie das Programm heißt, auf diese Weise Nacht für Nacht geführt. Die Sendung wird im WDR-Fernsehen und im Radio auf der Welle 1Live übertragen und hat einen treuen Hörerstamm. Doch diesmal kommt alles anders.

Die Anruferin erzählt, dass ihr Freund sie brutal schlage. Der 25-Jährige sei Moslem und seine Familie akzeptiere es nicht, dass er mit einer Christin zusammen sei und mit ihr ein Kind habe. „Er gibt mir den Hass zu spüren“, berichtet die junge Frau mit tränenerstickter Stimme. Einmal habe er ihr mit einem Faustschlag die Nase gebrochen, ein anderes Mal mit einem Stockhieb das Bein verletzt. „Ich bin einfach am Ende“, so die Anruferin. Dann geschieht das Unerwartete.

„Jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen“

Denn plötzlich ist im Hintergrund eine männliche Stimme zu hören: „Mit wem redest du? Was soll das?“ Danach erklingt ein dumpfes Geräusch, die Anruferin schreit „Nein“. Dann bricht das Gespräch ab. Domian ist geschockt. „Wir werden uns sofort um Christina kümmern“, stammelt er, „jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen.“

Was war da geschehen? Ein Fall von brutaler häuslicher Gewalt? Oder war das ganze Gespräch inszeniert, ein Fake also, wie manche im Internet vermuteten, wo die Geschichte der Anruferin schnell die Runde macht?

Der Anruf kam aus Castrop-Rauxel

„Wir haben sofort die Polizei informiert und die ist in der Nacht noch aktiv geworden“, berichtete Moderator Domian am Dienstagnachmittag in einem Interview mit 1Live. Er sei sich „sehr sicher, dass es kein Fake war“. Auch der Psychologe, der seine Live-Sendung stets begleite, habe zweimal versucht, telefonisch zu der Anruferin durchzudringen, sei aber stets von der männlichen Person abgewiesen worden. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Nur so viel: Der Anruf kam aus Castrop-Rauxel.

Eine WDR-Sprecherin sagte am Dienstag, in der Vergangenheit habe es bereits ähnliche Vorfälle gegeben, diese seien allerdings sehr selten gewesen. Konsequenzen für kommende Sendungen werde der Vorfall grundsätzlich nicht haben. Es komme auch vor, dass Anrufer zu ihrem eigenen Schutz nicht auf Sendung genommen würden. „Aber vor solchen unvorhersehbaren Situationen sind Domian und sein Team natürlich nie gefeit“, hieß es.

Bei dem Moderator saß auch Stunden nach der Sendung der Schreck noch tief. „Ich war sehr geschockt“, erzählte er im WDR-Interview. Eigentlich hatte Domian sich ein ruhigeres Ausklingen seiner Sendung gewünscht. Denn nach 20 Jahren auf Sendung will er Ende dieses Jahres den Kult-Talk zum letzten Mal moderieren, wie er schon vor einem Jahr wissen ließ. „20 Jahre Nachtschicht sind nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Ich habe Lust, mal wieder häufiger die Morgensonne zu sehen“, sagte Domian damals.