Kiew. Jamala singt in „1944“ von der Deportation der Tataren. Mit dem Song tritt sie beim ESC in Stockholm an – eine brisante Entscheidung.

Diese Wahl könnte sich zu einem Politikum entwickeln: Die Krimtatarin Jamala wird beim „Eurovision Song Contest“ (ESC) mit „1944“ für die Ukraine antreten. Ihr Song handelt von der Massendeportation der Tataren unter Josef Stalin – ein dunkles Kapitel in der ukrainischen Geschichte.

Im vergangenen Jahr konnte die Ukraine aufgrund der politischen Situation im Land nicht am ESC in Wien teilnehmen. Für 2016 organisierten der nationale Fernsehsender NTU und der Privatsender STB eine Rückkehr. Eine dreiköpfige Jury, bestehend aus Produzentenlegende Konstantin Meladze, Ruslana und Andrej Danilko alias Verka Serduchka, und 382.000 Anrufer entschieden am Sonntagabend, dass Jamala mit „1944“ die Siegerin des ukrainischen Vorentscheids ist.

„1944“ ist emotionale Elektro-Pop-Nummer

Jamala wurde von einer Jury und Telefonanrufern zur Siegerin des ukrainischen ESC-Vorentscheids gewählt.
Jamala wurde von einer Jury und Telefonanrufern zur Siegerin des ukrainischen ESC-Vorentscheids gewählt. © REUTERS | VALENTYN OGIRENKO

„Wenn Fremde kommen, kommen sie zu eurem Haus, sie töten euch alle und sagen: Wir sind nicht schuldig“, beginnt die Elektro-Pop-Nummer „1944“. Jamalas selbstkomponierter Beitrag spielt auf die Deportation der Krimtataren 1944 unter Sowjetdiktator Stalin an. Diese wurden in überfüllten Zügen nach Zentralasien geschickt. Tausende starben auf dem Weg dorthin oder verhungerten nach ihrer Ankunft in der dürren Steppe. Mehr als die Hälfte der krimtatarischen Bevölkerung kam ums Leben. Erst Michail Gorbatschow erlaubte in den 1980er Jahren, dass die Tataren wieder auf die Krim zurückkehren dürfen.

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Lied erinnert viele an Annexion der Krim

Jamala selbst wurde in Kirgistan geboren und war seit der Annektion durch Russland vor zwei Jahren nicht mehr auf der Krim. „1944“ singt sie sowohl auf Englisch als auch auf Krimtatarisch – eine Neuheit in der ESC-Geschichte. „Ich wurde von einer Geschichte meiner Urgroßmutter inspiriert. 1944 passierte ein Desaster, das meine Familie und den Rest der Krimtataren verletzte. Ich spreche von der Zwangsdeportation von Krimtataren, ausgeführt vom sowjetischen Regime“, zitiert die Zeitung „Ukraine Today“ Sängerin Jamala, deren richtiger Name Susana Jamaladinova ist. Sie möchte, dass ihre Botschaft von so vielen Menschen wie möglich gehört wird, sowohl in der Ukraine als auch außerhalb des Landes.

Die Wahl der Ukraine gilt als brisant und hochemotional. Obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wird, erinnert das Lied viele Menschen an die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel durch Russland im Jahre 2014. Krimtataren klagen seitdem über Repressionen durch die Behörden. Jamalas Auftritt bei einem der weltweit meistgesehenen TV-Events dürfte die politischen Beziehungen zu einem Thema im Umfeld des Song Contest machen. Der Vertreter der Krimtataren, Mustafa Dschamilew, sagte: „Die Besetzung und andere furchtbare Dinge, die die Besatzer in unserer Heimat machen, werden nicht erwähnt. Trotzdem behandelt es das Thema von Ethnien, die schreckliches Unrecht erleiden mussten.“

ESC verbietet politische Texte

Eigentlich verbieten die ESC-Regeln Lieder mit politischen Texten. 2009, ein Jahr nach der Auseinandersetzung zwischen Georgien und Russland, durfte Georgien nicht mit „We Don't Wanna Put In“ antreten. Die ESC-Leitung hatte das Lied als politisch eingestuft, es richtete sich gegen Kremlchef Wladimir Putin.

Insgesamt 43 Teilnehmerländer sind am 14. Mai beim 61. „Eurovision Song Contest“ in Stockholm dabei.

Die Teilnehmer beim ESC-Vorentscheid

Jamie-Lee Kriewitz ist noch frisch im Musikbusiness. Im Dezember 2015 gewann die 17-Jährige erst das Finale von „The Voice of Germany“, nun soll es zum „Eurovision Song Contest“ nach Stockholm gehen. Jamie-Lee Kriewitz tritt mit ihrem Song „Ghost“ an. Den melancholischen Popsong sang sie bereits im „The Voice“-Finale, er schaffte es dann auch bis auf Platz elf der deutschen Musikcharts.
Jamie-Lee Kriewitz ist noch frisch im Musikbusiness. Im Dezember 2015 gewann die 17-Jährige erst das Finale von „The Voice of Germany“, nun soll es zum „Eurovision Song Contest“ nach Stockholm gehen. Jamie-Lee Kriewitz tritt mit ihrem Song „Ghost“ an. Den melancholischen Popsong sang sie bereits im „The Voice“-Finale, er schaffte es dann auch bis auf Platz elf der deutschen Musikcharts. © dpa | Jörg Carstensen
Schon lange im Musikgeschäft ist Ella Endlich. Mit dem Überraschungshit „Küss mich, halt mich, lieb mich“ startete sie bereits 2009 ihre Karriere. Bekannt ist Ella Endlich unter Pop- und Schlagermusikfans. In der Show „Willkommen bei Carmen Nebel“ war sie mehrmals zu Gast. Eine Art Familientreffen: Denn Gastgeberin Carmen Nebel ist mit Ellas Vater Norbert Endlich liiert. Beim deutschen ESC-Vorentscheid tritt Ella Endlich mit „Adrenalin“ an.
Schon lange im Musikgeschäft ist Ella Endlich. Mit dem Überraschungshit „Küss mich, halt mich, lieb mich“ startete sie bereits 2009 ihre Karriere. Bekannt ist Ella Endlich unter Pop- und Schlagermusikfans. In der Show „Willkommen bei Carmen Nebel“ war sie mehrmals zu Gast. Eine Art Familientreffen: Denn Gastgeberin Carmen Nebel ist mit Ellas Vater Norbert Endlich liiert. Beim deutschen ESC-Vorentscheid tritt Ella Endlich mit „Adrenalin“ an. © dpa | Jörg Carstensen
Als Singer-Songwriter Alex Diehl am 13. November 2015 im Fernsehen Zeuge der Attentate in Paris wird, verfasst er spontan einen Gedenksong für die Terroropfer: „Nur ein Lied“. Auf Diehls Facebook-Seite wird es millionenfach angeklickt. Eine Online-Petition schickt den Sänger schließlich mit seinem Song zum deutschen ESC-Vorentscheid. Dort will er seine Emotionen und Hoffnung für eine friedliche Welt und ein menschliches Miteinander ausdrücken – schon Nicole konnte mit „Ein bisschen Frieden“ die ESC-Jury überzeugen.
Als Singer-Songwriter Alex Diehl am 13. November 2015 im Fernsehen Zeuge der Attentate in Paris wird, verfasst er spontan einen Gedenksong für die Terroropfer: „Nur ein Lied“. Auf Diehls Facebook-Seite wird es millionenfach angeklickt. Eine Online-Petition schickt den Sänger schließlich mit seinem Song zum deutschen ESC-Vorentscheid. Dort will er seine Emotionen und Hoffnung für eine friedliche Welt und ein menschliches Miteinander ausdrücken – schon Nicole konnte mit „Ein bisschen Frieden“ die ESC-Jury überzeugen. © dpa | Jörg Carstensen
Lauter wird es dann bei Tobias Sammet und seiner Band „Avantasia“. Die Metal-Band will mit „Mystery Of A Blood Red Rose“ den ESC-Vorentscheid für sich entscheiden. Tobias Sammet arbeitete schon mit vielen großen Musikern zusammen – Alice Cooper, Klaus Meine und Rudolf Schenker von den „Scorpions“ oder Mitgliedern von „Kiss“. Und Metal kann beim Eurovision Song Contest funktionieren. Das zeigte schon die Band „Lordi“.
Lauter wird es dann bei Tobias Sammet und seiner Band „Avantasia“. Die Metal-Band will mit „Mystery Of A Blood Red Rose“ den ESC-Vorentscheid für sich entscheiden. Tobias Sammet arbeitete schon mit vielen großen Musikern zusammen – Alice Cooper, Klaus Meine und Rudolf Schenker von den „Scorpions“ oder Mitgliedern von „Kiss“. Und Metal kann beim Eurovision Song Contest funktionieren. Das zeigte schon die Band „Lordi“. © dpa | Jörg Carstensen
Ralph Siegel meldet sich zurück: Der ESC-Veteran komponierte und produzierte für Kandidatin Laura Pinski „Under The Sun We Are One“ – ein Wunsch nach mehr Völkerverständigung. Die 19-Jährige machte schon länger Musik, spielt Klavier und Gitarre. Früher lud sie ihre Songs auf YouTube hoch und 2012 erreichte sie bei „Das Supertalent“ den fünften Platz. Ralph Siegel könnte ihr größter Trumpf sein. Siegel ist ESC-erfahren und nahm zuletzt 2003 mit „Let’s Get Happy“, gesungen von Lou, für sein Heimatland teil.
Ralph Siegel meldet sich zurück: Der ESC-Veteran komponierte und produzierte für Kandidatin Laura Pinski „Under The Sun We Are One“ – ein Wunsch nach mehr Völkerverständigung. Die 19-Jährige machte schon länger Musik, spielt Klavier und Gitarre. Früher lud sie ihre Songs auf YouTube hoch und 2012 erreichte sie bei „Das Supertalent“ den fünften Platz. Ralph Siegel könnte ihr größter Trumpf sein. Siegel ist ESC-erfahren und nahm zuletzt 2003 mit „Let’s Get Happy“, gesungen von Lou, für sein Heimatland teil. © dpa | Henning Kaiser
„Luxuslärm“ kennen sich mit Songcontests aus. 2012 trat die Band für Nordrhein-Westfalen beim Bundesvision Song Contest an – und belegte den vierten Platz. Beim ESC-Vorentscheid sollen es dann der erste Platz und das Ticket nach Stockholm sein. „Luxuslärm“ steigen mit „Solange Liebe in mir wohnt“ in den ESC-Ring ein.
„Luxuslärm“ kennen sich mit Songcontests aus. 2012 trat die Band für Nordrhein-Westfalen beim Bundesvision Song Contest an – und belegte den vierten Platz. Beim ESC-Vorentscheid sollen es dann der erste Platz und das Ticket nach Stockholm sein. „Luxuslärm“ steigen mit „Solange Liebe in mir wohnt“ in den ESC-Ring ein. © dpa | Nicolas Armer
Seit 16 Jahren zieht der Mystic-Chor „Gregorian“ in Mönchskutten um die Welt. Mit einem Mix aus gregorianischen Gesängen und Pop will die Kloster-Pop-Kombo mit ihrem Song „Master Of Chant“ beim ESC-Vorentscheid überzeugen.
Seit 16 Jahren zieht der Mystic-Chor „Gregorian“ in Mönchskutten um die Welt. Mit einem Mix aus gregorianischen Gesängen und Pop will die Kloster-Pop-Kombo mit ihrem Song „Master Of Chant“ beim ESC-Vorentscheid überzeugen. © dpa | Andreas Lander
Die Schwestern Josepha (li.) und Cosima Carl bilden zusammen das Pop-Duo „Joco“. In ihren verträumte Klangwelten, die mal an „Simon & Garfunkel“, mal an die Klavierklänge von Yann Tiersen erinnern, sollen sich nun die Zuschauer und die Jury des ESC-Vorentscheids verlieren. Ihren Song „Full Moon“ haben sie selbst komponiert und geschrieben.
Die Schwestern Josepha (li.) und Cosima Carl bilden zusammen das Pop-Duo „Joco“. In ihren verträumte Klangwelten, die mal an „Simon & Garfunkel“, mal an die Klavierklänge von Yann Tiersen erinnern, sollen sich nun die Zuschauer und die Jury des ESC-Vorentscheids verlieren. Ihren Song „Full Moon“ haben sie selbst komponiert und geschrieben. © dpa | Benedikt Schnermann
Von der Theater- auf die ESC-Bühne geht es für Schauspieler Christian Friedel (Mitte) und die Mitglieder seiner Band „Woods of Birnam“. „Nimm die Hände in die Hand und schau nach vorn“, heißt die Botschaft ihres Songs „Lift Me Up (From The Underground)“ – und nach vorn wollen sie auch beim ESC-Vorentscheid, am besten auf Platz 1, um das Ticket nach Stockholm zu lösen.
Von der Theater- auf die ESC-Bühne geht es für Schauspieler Christian Friedel (Mitte) und die Mitglieder seiner Band „Woods of Birnam“. „Nimm die Hände in die Hand und schau nach vorn“, heißt die Botschaft ihres Songs „Lift Me Up (From The Underground)“ – und nach vorn wollen sie auch beim ESC-Vorentscheid, am besten auf Platz 1, um das Ticket nach Stockholm zu lösen. © dpa | Ursula Düren
Das Indie-Pop-Duo „Keøma“ um die Singer-Songwriter Kat Frankie und Chris Klopfer will den „Sound für ein weltoffenes und modernes Deutschland“ liefern. Ihr Song nennt sich „Protected“.
Das Indie-Pop-Duo „Keøma“ um die Singer-Songwriter Kat Frankie und Chris Klopfer will den „Sound für ein weltoffenes und modernes Deutschland“ liefern. Ihr Song nennt sich „Protected“. © NDR/Eduardo Pavez Goye | NDR/Eduardo Pavez Goye
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