Berlin. Die Bundesregierung plant eine Obergrenze für Bargeldzahlungen. FDP-Chef Lindner empörte sich darüber bei Anne Will wie ein Linker.

Es war eine Meldung, die im Trubel um Flüchtlinge und die zahlreichen internationalen Krisen beinahe unterging: Deutschland und Frankreich streben EU-weit eine Obergrenze für Bargeldzahlungen an. Das physische Geld, so das Argument, sei entscheidend für Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus. Aus diesem Grund plant die Bundesregierung zur Not sogar einen nationalen Alleingang, bei dem eine eigene Begrenzung von maximal 5000 Euro festgelegt werden könnte.

Das Vorhaben stößt auf Kritik – und beschäftigte am Sonntagabend sogar Anne Will, die zum ersten Mal auf ihrem neuen Sendeplatz vom Themenkomplex „Flüchtlinge“ abließ. „Nimmt uns der Staat das Bargeld weg?“, fragte die Redaktion besorgt im Titel der Sendung, zu der sich neben Michael Meister aus dem Finanzministerium und dem früheren Finanzminister Theo Waigel auch FDP-Chef Christian Lindner, der Rechtsanwalt Peter Fissenewert und Nancy Schneider, Geschäftsführerin eines Autohauses, eingefunden hatten.

Stolz beim Bargeldkauf

Eigentlich könnte man meinen, dass sich gegen eine Obergrenze in diesem Fall kaum konkrete Argumente finden lassen. Geschäfte in den Größenordnungen sind eher selten, der Trend geht ohnehin immer stärker zum bargeldlosen Zahlen. Damit die Diskussion um das liebe Geld nicht schon an dieser Stelle scheitert, war Schneider geladen, die als Autoverkäuferin die Rolle der Betroffenen einnahm.

„Es ist ein Einschnitt für die Wirtschaft“, sagte Schneider mit Blick auf die 5000-Euro-Grenze. Der Betrag werde teilweise schon bei Anzahlungen überstiegen. EC-Kartenzahlungen seien häufig mit einem Limit von 2000 Euro belegt, wobei die Banken nicht selten eine Anhebung verweigern würden. Und Überweisungen? Das wollten viele Kunden nicht: Sie seien stolz, mit Bargeld beim Autokauf aufzutauchen.

Irrationale Gründe führte auch Theo Waigel ins Feld. „Es gibt einen sinnlichen Bezug zum Bargeld“, sagte der frühere Finanzminister. Vielen Menschen sei beispielsweise die Einführung des Euro erst bewusst geworden, als sie das Geld in der Hand gehalten hätten. Eine Feststellung, die die Gastgeberin zu der süffisanten Bemerkung bewegte, dass die Mehrheit der Deutschen die neue Gemeinschaftswährung dann erst mal abgelehnt habe.

Deutschland, Hort der Kriminalität

Gegen so viel geballte Leidenschaft argumentierte Michael Meister mit einem eigenen eigenwilligen Superlativ an. „Deutschland ist ein Hort der Kriminalität“, sagte der Staatssekretär des Finanzministeriums mit Blick auf Statistiken, wonach hierzulande jährlich 100 Milliarden Euro aus kriminellen Kanälen gewaschen werden. „Dagegen müssen wir etwas tun.“ Es gehe nicht darum, das Bargeld abzuschaffen, sondern gegen Kriminalität und Terrorfinanzierung vorzugehen, wiederholte Meister das Mantra der Befürworter. Berechtigte Datenschutzsorgen wischte er mit dem Hinweis weg, dass es sich bei Deutschland um einen Rechtsstaat handle, in dem Ermittler nur in gut begründeten Fällen Zugriff auf Transaktionsdaten erhalten würden.

Unterstützt wurde Meister von Peter Fissenewert. Deutschland liege bei der Geldwäsche weltweit auf einem unrühmlichen achten Platz, sagte der Anti-Korruptionsexperte. Dafür gebe es drei Gründe: Die wirtschaftliche Stärke und die geografische Lage Deutschlands in der Mitte Europas. Und das Fehlen einer Obergrenze für Barzahlungen.

Lindner der Bankenschreck

Sorgte für überraschende Argumente: Christian Lindner von der FDP.
Sorgte für überraschende Argumente: Christian Lindner von der FDP. © dpa | Maja Hitij

Eine echte Erfrischung in einer insgesamt öden Debatte war Christian Lindner. Zwar überraschte nicht, dass sich der FDP-Chef gegen die Große Koalition wandte und unter dem Banner der „Freiheit“ für das Bargeld stritt. Interessant waren aber seine Argumente. „Wenn eine geldsüchtige Regierung und Großbanken sich verbünden, muss man skeptisch sein“, legte Lindner los. Die geplante Obergrenze sei doch erst der Anfang. Mittelfristig gehe es der Politik darum, das Bargeld komplett abzuschaffen und die Kunden so in die Arme der Geldhäuser zu treiben. Dort seien sie dann schutzlos „Gebührenwucher“ und womöglich auch noch Negativzinsen ausgesetzt.

Diese Feststellung brachte eine sichtlich amüsierte Anne Will zu der Frage, ob Lindner eventuell das politische Lager gewechselt habe und jetzt für die Linkspartei auftrete. Doch der FDP-Chef gab sich unbeirrt. „Wir sind eine Partei der Freiheit und nicht der Banken.“

Die Zeit löst alle Probleme

Für die vielleicht wichtigste Feststellung der Debatte sorgte am Ende Fissenewert. In zehn Jahren, so der Anwalt, werde sich das Problem von alleine erledigt haben, weil das Gros der Menschen dann ohnehin bargeldlos bezahlen werde. Die Liebe zum Bargeld sei im Kern letztlich eine Generationenfrage.

Da konnte Theo Waigel nur zustimmen. „Ich kann mit den Karten durchaus umgehen“, beschrieb der frühere Finanzminister seine Erfahrung mit EC- und Kreditkarten. Anders als mit Bargeld hätte er aber mit virtueller Bezahlung schon Probleme gehabt. „In China, in Arabien, sogar in Deutschland ist auf meine Daten zugegriffen worden“, sagte Waigel vage. Man solle daher doch bitte schön ein wenig Rücksicht nehmen. „Lassen Sie der älteren Generation die Freude am Bargeld.“

Die Ausgabe von „Anne Will“ können Sie in der ARD-Mediathek im Stream ansehen.