Berlin. Kosten die Flüchtlinge zu viel? Darüber ließ Maischberger zur Abwechslung ohne Politiker diskutieren. Gefordert sind die nun trotzdem.

Nanu! Eine politische Talkshow ganz ohne Politiker? Darf man das? Geht das? Ergibt das Sinn? Ja, ja und ja. Denn auch wenn man das ob der Omnipräsenz von Berufspolitikern in Talkshows leicht vergessen kann: Sie sind nicht alleine dafür zuständig, dass sich politische Überzeugungen und Ziele bilden. Menschen ohne offensichtliches Parteibuch stärker zu Wort kommen zu lassen, war daher ein erfrischender Ansatz. Trotzdem wurde zwischendurch nach der Politik gerufen.

„Sozialstaat unter Druck – Kosten uns die Flüchtlinge zu viel?“, fragte Sandra Maischberger am Mittwochabend Unternehmer Wolfgang Grupp, Publizist Roland Tichy, Verdi-Landesvorsitzende Leni Breymaier, „Tafel“-Leiterin Edeltraut Sack, die Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen und Marcel Fratzscher sowie den Auszubildenden Alireza Faghihzadeh, der vor zweieinhalb Jahren aus Iran nach Deutschland flüchtete. Vor allem seine Geschichte zeigte, wie die Bundesrepublik es sich bei der Integration selbst schwer macht.

Trotz Muster-Integration droht Abschiebung

Faghihzadeh hat eine Musterkarriere hingelegt. Angekommen ohne Deutschkenntnisse spricht er jetzt fließend, wird bei Siemens zum heiß begehrten Facharbeiter ausgebildet. Zuvor engagierte sich der 22-Jährige freiwillig bei der Diakonie, einfach weil er etwas tun wollte. Arbeiten oder studieren war ihm damals nicht gestattet, die Kosten für einen Sprachkurs wollte der deutsche Staat erst übernehmen, wenn der Aufenthaltsstatus des Iraners geklärt ist. Das ist bis heute nicht geschehen. Faghihzadeh muss fürchten, nach der Ausbildung abgeschoben zu werden.

„Das zeigt die Perversion unseres Systems“, sagte Publizist Roland Tichy: „300.000 Fälle hängen in der Luft, dabei haben weitere 400.000 noch nicht mal einen Antrag gestellt.“ Die Menschen dürften nicht durch den Fleischwolf der Bürokratie gedreht werden. „Es ist der große Fehler der großen Koaltion, dass sie es nicht schafft, die Regeln dahingehend zu ändern.“

Drei Monate von einem Amt zum anderen geschickt

Vom Kampf mit den Behörden konnte auch Trigema-Chef Wolfgang Grupp erzählen. Als sich im September 2015, vermittelt durch die Agentur für Arbeit, ein 38-jähriger Näher aus Pakistan vorstellte und zeigte, was er kann, hat ihn Grupp spontan eingestellt. Bis der Mann tatsächlich bei ihm anfangen konnte, vergingen aber noch mal drei Monate. „Der musste von einem Amt zum anderen, dann waren Papiere nicht da“, erinnerte sich Grupp. Inzwischen habe man aber wohl dazugelernt, bei drei Syrern klappe es mit dem Einstellen derzeit schon besser.

Doch wie sieht es im Durchschnitt aus? Werden die meisten Geflüchteten Arbeit finden? Oder belasten sie am Ende doch nur den Sozialstaat? Darüber gingen die Meinungen auseinander. „Der Sozialstaat ist schon jetzt in Schwierigkeiten wegen des demographischen Wandels“, sagte Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher, „die Flüchtlinge sind daher eine Riesenchance. Wenn es gelingt, sie in Arbeit zu bringen, entlasten sie die Sozialsysteme.“ Bis dahin braucht man aber etwas Geduld. Fünf bis sechs Jahre dürfte es dauern, rechnet Fratzscher vor, bis zwei Drittel der Flüchtlinge einen Job finden. Sein Kollege Raffelhüschen geht im schlimmsten Fall von bis zu 15 Jahren aus. Und bis dahin kosten sie erst mal Geld – ist das gerecht?

Verteilungskampf zwischen armen Deutschen und Geflüchteten?

Man dürfe das nicht so kurzfristig sehen, sagte Fratzscher: „Die Ausgaben für Flüchtlinge verschwinden nicht in einem schwarzen Loch, sondern sind eine Investition in die Menschen.“ Es sei deshalb Aufgabe des Staates, für Bildung und Qualifizierung zu sorgen. „Ich wünsche mir, dass Sie Recht haben“, entgegnete Tichy, „aber ich fürchte, dass sie es nicht zurückgeben können. Und dann sind wir nicht mehr in der Lage, die Mittel auf jene zu konzentrieren, die es nötig haben.“

Haben wir am Ende also einen Verteilungskampf zwischen Hartz-IV-Empfängern und Flüchtlingen? „Unten wächst die Spannung untereinander“, sagte Edeltraut Sack, die die Sorgen der deutschen Bedürftigen bei der Tafel erlebt. „Hier ist die Politik gefordert, klare Strukturen zu schaffen.“ Mehr Geld wäre auch nicht verkehrt, forderte Gewerkschafterin Breymaier: „Wir haben in Deutschland Menschen, die haben Geld wie Dreck. Die sollen sich jetzt auch mal beteiligen!“ Für Fratzscher sind Steuererhöhungen allerdings kontraproduktiv: „Wir haben Rekordeinnahmen, das Geld muss nur am richtigen Ort ankommen.“

In der sozialen Arbeit etwa. Bei den Deutschkursen. In den Migrationsämtern. Damit Menschen wie Faghihzadeh es künftig weniger schwer haben anzukommen.