Berlin. Maybrit Illner widmete sich der internationalen Dimension in der Flüchtlingskrise. Herauskam ein Talk mit vielen Allgemeinplätzen.

Angela Merkels großer Plan in der Flüchtlingskrise lautet, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Was nützt es, die Grenzen dicht zu machen, wenn aus dem Nahen Osten und Afrika weiterhin Hunderttausende nach Europa drängen? So lautet in einem Satz ihr ständig wiederholtes Mantra.

Diese globale Perspektive auf ein nationales Problem findet seit den Übergriffen von Köln in der Diskussion kaum mehr statt. Insofern war es schon für sich genommen erfrischend, dass sich Maybrit Illner am Donnerstagabend genau dieser Ebene widmete. Unter dem Titel „Schlachtfeld Syrien – Wer stoppt Krieg und Flucht?“ ließ sie den aggressivsten Konflikt im Nahen Osten und damit eine wichtige Ursache für den Flüchtlingsandrang diskutieren.

Doch nicht nur das Thema, auch die Besetzung war vielversprechend. Neben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatten Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, der kommandierende General des US-Heeres in Europa, Ben Hodges, der Journalist Andreas Zumach und der Präsident der US-Denkfabrik „Atlantic Council“, Fred Kempe Platz genommen.

„Wir brauchen sie alle“

Einen guten Teil der Diskussion nahm die Fahndung nach Lösungsansätzen ein. Berührungsängste mit zweifelhaften Partnern hatte dabei niemand: Ob Russland, die Türkei, Saudi-Arabien, der Iran oder die Kurden – „wir brauchen sie ja offensichtlich alle“, fasste die Gastgeberin die Aussagen ihrer Runde zusammen. „Wenn wir anfangen zu sagen, mit wem wir nicht reden wollen, sind wir schnell alleine“, formulierte dazu pragmatisch die Verteidigungsministerin.

Doch was müssen diese Akteure mit höchst unterschiedlichen Interessen tun, um den Konflikt zu lösen? Auf diese zentrale Frage fand die Runde fast nur unkonkrete Antworten. Insbesondere Bartsch, ganz Oppositionspolitiker, zählte erst einmal auf, was alles nicht gehe: Nämlich in erster Linie jede Form der militärischen Intervention. Etwas konkreter wurde „Atlantic Council“-Mann Kempe, der eine Art Wiener Kongress für den Nahen Osten forderte, bei dem alle Beteiligten die Verhältnisse ein für alle Mal regeln sollten. Ein großer, vielleicht zu große Wurf– aber immerhin ein Vorschlag.

Bomben ohne Effekt?

Einen Unterstützer für seine Kritik an der bisherigen militärischen Intervention fand Bartsch in Andreas Zumach. „38.000 Bomben und Raketen, 11.000 Luftangriffe seit August 2014 – der Erfolg ist minimal“, kritisierte der Journalist das Vorgehen der Allianz gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Dass die Terrormiliz weiterhin agieren könne, sei ein Beleg dafür, dass Luftschläge alleine nicht ausreichen.

An dieser Stelle war insbesondere Ben Hodges gefragt, der als General der US-Streitkräfte prädestiniert war, die Frage nach dem Erfolg des Vorgehens gegen den IS zu beantworten. In dieser Rolle wirkte er hilflos. „Die Lage ist kompliziert“, erklärte Hodges, warum die Islamisten trotz der vielen Bomben weiterhin stark genug für Offensiven sind. Es gebe viele Fraktionen, außerdem gelte es, sogenannte Cholateralschäden unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. „Es gibt keine schnelle Lösung“, sagte der US-General, zwei Jahre, nachdem auch die Vereinigten Staaten mit Luftschlägen gegen den IS begonnen hatten.

Streit um Assad

Einigermaßen kontrovers wurde es schließlich bei der Frage nach der Rolle Assads. Zumach unterstellte allen, die behaupten, dass Assad ein Partner im Kampf gegen den IS sein könne, dass sie entweder keine Ahnung hätten oder aber bewusst eine falsche Fährte legen würden. Assad gehe es zusammen mit den Russen derzeit nur darum, einen syrischen Rumpfstaat zu sichern, so der Journalist.

Gegenwehr kam zumindest indirekt von Bartsch. Nicht nur Assad, auch die Interventionspolitik der Bush-Administration habe zum Erstarken des IS und zur desolaten Situation im Nahen Osten beigetragen, sagte der Politiker der Linkspartei.

Ist Obama schuld?

Überhaupt nahm die Rolle der USA in der Diskussion einigen Raum ein. Sie verdichtete sich auf die Frage, ob Obama zu zurückhaltend vorgegangen ist. Diese These vertrat Kempe. Der US-Präsident habe die Kriege seines Vorgängers beenden wollen und sei daher zu verhalten aufgetreten, argumentierte der Präsident der Denkfabrik. Dadurch habe er ein Vakuum geschaffen, das zuerst vom IS und später von der russische Intervention in Syrien gefüllt wurde.

Dieser Kritik wollte von der Leyen nicht folgen. „Wir haben uns immer beschwert, dass die USA machen, was sie wollen“, sagte die Verteidigungsministerin. Statt auf einen Alleingang habe Obama in Syrien auf eine Koalition und auf Absprachen gesetzt. „Die USA tun, was wir immer von ihnen gefordert haben.“

Ein Ex-Salafist erdet die Debatte

Auch wenn die Diskussion einige erhellende Momente hatte: Unterm Strich sorgten viele Allgemeinplätze dafür, dass der Zuschauer am Ende ratlos zurückblieb. Als angenehme Erdung eines teilweise abgehobenen Talks erwies sich deshalb der ehemalige Salafist Dominic Musa Schmitz, der früher zum engen Kreis um den salafistischen Prediger Pierre Vogel gehörte und gleich zu Beginn der Sendung kurz von Illner befragt wurde.

Schmitz kam über einen befreundeten Marokkaner zu den Salafisten und berichtete eindringlich, was ihn faszinierte – und wie er sich schließlich wieder von der Bewegung befreien konnte. Mit seinen kurzen Äußerungen machte er deutlich, dass eine militärische Intervention tatsächlich allenfalls ein Anfang sein kann, bevor es langfristig um einen „Kampf um die Köpfe“ gehen muss.

Die komplette Sendung in der ZDF-Mediathek.