ZDF-Moderatorin Dunja Hayali geht dahin, wo es unbequem ist. Nun bekommt sie die Goldene Kamera in der Kategorie „Beste Information“.

Sie trägt eine blau-weiße Thermoskanne bei sich. Dieses Ding in der Hand von Dunja Hayali passt so gar nicht zum Berlin-Mitte-Treff für Lobbyisten, Politiker, Unternehmer und Medienleute. So eine Kanne ist in Zeiten von Coffee-to-go-Bechern etwas Altmodisches, ein treuer Begleiter für alle, die sich nicht mal eben einen Kaffee holen können, die auf dem Bau arbeiten oder am Fließband. Im „Café Einstein Unter den Linden“ sitzen um diese Zeit hauptsächlich Männer in Anzügen. Dunja Hayali, Hauptmoderatorin des ZDF-„Morgenmagazins“, bestellt Tee mit Milch, gefrühstückt hat sie bereits vor Stunden. Ihr Wecker klingelte zum ersten Mal um 3.39 Uhr, jetzt, um kurz vor zehn, ist ihre Schicht schon vorbei.

Sie sagt, sie hätte auf dem Schlauch gestanden. Ausgerechnet sie. Dunja Hayali, die ZDF-Allzweckwaffe. Sie ist selten um eine Antwort oder Frage verlegen und geht in bester Reportermanier dahin, wo es unangenehm wird. Also, die mit dem kurzen dunklen Haar, mit den schönen Augen und dem Spitzbubenlächeln wusste einen Moment lang nicht, ob sie gerade bei „Verstehen Sie Spaß“ gelandet war oder ob sich ihr Team einfach nur einen Scherz erlaubte, als „Heute-Journal“-Anchorman Claus Kleber plötzlich live in der Sendung anrief.

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Sie sagte mehrmals so etwas wie: „Du veräppelst mich. Ist das hier meine letzte Sendung, ihr macht hier die versteckte Kamera und ich wusste nichts davon?“ Claus Kleber konnte Hayali schnell aufklären, beruhigen aber nicht. Sie müsse sich ein wunderschönes Kleid kaufen, sagte er, für den 6. Februar, denn dann werde sie die Goldene Kamera in der Kategorie „Beste Information“ bekommen. „Ausgerechnet ich“, sagt sie immer noch, heute, Wochen nach dem Anruf. „Ich war sprachlos. Mir haben danach viele Zuschauer geschrieben und gesagt, dass sie auch eine Träne im Auge hatten. Das hat mich so gerührt. Auch weil es so freundlich ist, zu einer Zeit, in der man ziemlich viel Hass entgegengeschleudert bekommt.“

Der Hass, die AfD, ihre Berichte passen nicht jedem

Dunja Hayali bekommt viel davon ab. Berichte über Flüchtlinge, über die AfD, über Pegida, das passt nicht jedem. Deutschland diskutiert, und vieles davon landet bei ihr, einem der wichtigsten Gesichter des ZDF. Schaut man sich Hayalis Profile in den sozialen Netzwerken auf Facebook oder Twitter an, dann findet man Lob, die übliche Kritik und eben Hasskommentare von Leuten, deren eigenes Profil schon mal leer ist. Die sich nicht zu erkennen geben.

Hayali hat auf vieles in der Vergangenheit reagiert. Sich empört und ihrem Ärger Luft gemacht. Doch jetzt macht sie seit dem 18. Januar eine Facebook-Pause: „Die Auszeit tat gut, um mal wieder Luft zu holen“, sagt sie, um gleich hinzuzufügen: „Schweigen ist natürlich nicht der richtige Weg. Es ist wichtig, zu diskutieren, aber man muss auch nach Lösungen suchen. Denn Schuldzuweisungen helfen nur wenig.“

Hayali will aus ihren Fehlern lernen

Und die Diskussion, die sucht sie. Immer wieder. Wenn jetzt auch weniger im Netz, dann doch öffentlich. Zum Beispiel auf „Dunjas Hausbesuch“. Anfang dieses Jahres hat sie sich auf den Weg zu denen gemacht, die sie und ihr Team als „Lügenpresse“ bezeichnen. Und sie befragt, was ihnen nicht passe. „Wenn wir Fehler machen, dann geben wir das zu. Was ist daran Lügenpresse? Es geht vielen nur darum, ihre eigene Meinung zu sagen und die bestätigt zu wissen. Wenn das dann nicht passiert, ist man Lügenpresse. Aber das ist ein Totschlagargument in jeder Diskussion.“

Zudem fuhr sie nach Heidenau, als es dort massive Proteste gegen ein Flüchtlingsheim gab, für den Verein „Gesicht zeigen“. Und berichtete von einer AfD-Demo aus Erfurt. Sie will sich auseinandersetzen und die Kritiker zu Wort kommen lassen. „Ich war schon immer irritiert darüber, dass einige glauben, dass man etwas in Deutschland nicht sagen darf. Was soll das sein? Jeder Bürger kann seine Meinung sagen, seine Zustimmung zur Asylpolitik, seine Ablehnung, das ist alles erlaubt. Das ist meine Einstellung. Nur, wenn man sich fremdenfeindlich äußert, muss man auch sagen dürfen: Sie sind ein Rassist.“

Hayali ist Deutsche mit irakischen Wurzeln. Sie kommt aus einer Mediziner-Familie, Vater und Bruder sind Ärzte, die Schwester Krankenschwester. „Medizin war für mich keine Option, ich habe wahnsinnige Angst vor Spritzen. An meinem Vater habe ich immer bewundert, dass er seine Berufung gefunden hat. Er liebt seine Arbeit, und das wollte ich auch immer. Und ich bin heute mit Leib und Seele Journalistin. Ich liebe es, Leute zu befragen, ohne dass man mir sagt: Bist du neugierig.“

Reden ist eigentlich nicht ihr Problem, aber eine Rede halten?

Ihre Haltung und ihr journalistischer Mut brachten ihr nun auch die Auszeichnung ein. Die Goldene-Kamera-Jury lobte in der Begründung: „Sie geht keiner Konfrontation aus dem Weg und flüchtet sich niemals in Ironie. Das, was im Journalismus zum handwerklichen Selbstverständnis gehören sollte, erscheint bei Dunja Hayali so konsequent und normal – und fällt gerade deshalb auf.“

Und nun die Gretchenfrage: Was wird sie anziehen? „Das verrate ich nicht. Aber es wird eine Überraschung sein“, sagt sie und freut sich auf ihren großen Auftritt. Einerseits. Denn andererseits sitzt Hollywoodschauspielerin Julianne Moore im Publikum – sie wird in der Kategorie „Beste Schauspielerin International“ ausgezeichnet. „Das wird meine größte Herausforderung. Ich bin sowieso schon aufgeregt, und dann sitzt sie auch noch in der ersten Reihe.“ Sie mache sich wirklich nicht viel aus Stars, aber neben Cate Blanchett sei Moore ihre Lieblingsschauspielerin. „Sie hat mich in ihrem letzten Film als alzheimerkranke Professorin sehr mitgenommen.“ Nach dem Film wollte Hayali eigentlich noch in ein Restaurant gehen, aber der Appetit war ihr vergangen.

Auf der After-Show-Party der Gala wird sie Moore bestimmt treffen können. Hoffentlich steht Hayali dann nicht wieder auf dem Schlauch.