Berlin. Lena Meyer-Landrut ist wieder in der Jury von „The Voice Kids“. Im Interview erzählt sie, wie sie enttäuschte Kinder aufmuntert.

Und plötzlich war sie „unsere“ Lena. Liebling einer ganzen Nation. 2010 hat Lena Meyer-Landrut ein bisschen Geschichte geschrieben: Gerade 19 Jahre alt war die Sängerin, als sie mit „Satellite“ in Oslo den ersten deutschen Sieg beim Eurovision Song Contest seit Nicole holte. Nach einem kurzen Karriere-Knick hat sich die Hannoveranerin in den letzten fünf Jahren langsam aber stetig gewandelt. Drei Alben hat sie nach ihrem Debüt veröffentlicht. Ihr Markenzeichen, der britische Cockney-Akzent, verschwand dabei von Mal zu Mal mehr. Warum das so ist, und wie sie als Jurorin der Casting-Show „The Voice Kids“ mit enttäuschten Kindern klarkommt, erzählt sie im Interview:

Sie sind zum vierten Mal in der Jury von „The Voice Kids“. Wie fühlt sich das aus Juroren-Sicht an, wenn ein Kind nicht weiterkommt und enttäuscht vor Ihnen auf der Bühne steht?

Lena Meyer-Landrut: Ich muss echt sagen, dass das so das Schlimmste an allem ist, dass man da so kleine enttäuschte Kids hat. Das ist wirklich das, was am wenigsten Spaß macht an der ganzen Sache. Wir versuchen natürlich immer, die Kids mit irgendwelchen kleinen Geschenken oder Goodies zu versorgen, dass die nicht traurig sind oder so. Manche sagen dann: Kann ich euch mal umarmen oder kann ich ein Foto machen oder ein Autogramm haben? Und dann ist die Traurigkeit eigentlich auch schon wieder halb vergessen.

Manche Medienkritiker fürchten, dass die Kinder den Druck einer solchen Castingshow nicht aushalten können und traumatisiert werden. Wie bewerten Sie das?

Meyer-Landrut: Also ich persönlich hab jetzt noch kein traumatisiertes Kind erlebt. Aus meiner Erfahrung ist diese Veranstaltung auch das komplette Gegenteil von traumatisierendem Erlebnis. Es geht hier darum eine tolle Lebenserfahrung zu machen, und alle Kids, die hier dabei sind, sagen, dass das einzige, worüber sie traurig sind, ist, dass die Show irgendwann vorbei ist, und dass das ist wie Schullandheim. Also dass man hier neue Freunde findet und so. Klar, man kann von außen immer viel Kritik üben wenn man nicht selber dabei ist, aber ich kann auf jeden Fall nicht bestätigen, dass Kinder traumatisiert werden.

Wenn es das vor zehn oder zwölf Jahren schon gegeben hätte, wäre das was für Sie gewesen? Hätten Sie sich beworben?

Meyer-Landrut: Och, ich weiß nicht, ob ich mich getraut hätte als Kind. Also es sind schon viele Kids dabei, die ein extremes Selbstbewusstsein haben, aber es sind tatsächlich auch viele dabei, die sehr schüchtern sind, aber dafür eine tolle Stimme haben. Ich weiß es nicht genau. Es könnte sein, dass ich mitgemacht hätte. Ja.

Sprechen wir über die Musik, die Sie seit Ihrem Casting bei Stefan Raab gemacht haben. Mir ist beim Durchhören Ihres letzten Albums „Crystal Sky“ aufgefallen, dass eines Ihrer Markenzeichen verschwunden ist: Ihr britisch anmutender Cockney-Akzent fehlt. Woran liegt das?

Meyer-Landrut: Hmm, also, Sie sind der erste, der mich darauf anspricht. Wahrscheinlich ist der Grund einfach eine Entwicklung oder so. Ich glaube, man verändert sich mit der Zeit, man entwickelt sich. Ich würde mal vermuten, dass das der Grund ist. Es ist auf jeden Fall keine geplante Sache gewesen. Ich singe so, wie ich mich fühle, und wahrscheinlich hab ich mich einfach verändert mit der Zeit.

Das Album unterscheidet sich ja in der Tat sehr von den Vorgängern. Viele haben das als musikalischen Befreiungsschlag von der Raab-Ära interpretiert. Würden Sie das unterschreiben?

Meyer-Landrut: Also ich hab ja das Gefühl, dass ich mich auch schon mit dem Vorgängeralbum „Stardust“ entwickelt habe und auch dort schon meinen eigenen Stil versucht habe zu finden. Von Befreiungsschlag würde ich nicht sprechen, das Wort wäre mir zu negativ. Ich würde von Entwicklung sprechen. Es ist ja ein Findungsprozess, wenn man so ein Album macht. Und manchmal weiß ich dann auch nicht so richtig, warum ich Sachen tue, weil sie eher aus einem Gefühl entstehen.

Im Moment ist deutschsprachiger Pop sehr populär. Wird es mal ein deutschsprachiges Lena-Album geben?

Meyer-Landrut: Also ich hab ehrlich gesagt auch schon drüber nachgedacht. Ich bin da unentschlossen, ich weiß es noch nicht. Es ist nicht so, dass ich deutsche Musik schlecht finde, oder dass ich damit nichts anfangen kann oder so. Ich hab das einfach nur noch nie gemacht und müsste das mal ausprobieren. Dieses Jahr gehe ich wieder ins Studio und fange an, für ein neues Album zu schreiben. Und dann werde ich mit Sicherheit auch mal ein paar deutsche Sachen ausprobieren. Weil auch einfach ganz viele zu mir sagen: Bitte mach doch mal was Deutsches, wir würden so gerne was Deutsches hören. Ich probiere das einfach mal aus, und wenn es nix ist, dann ist es nix. Und wenn es doch was ist, dann werden wir das ja hören.

Sie sind überaus aktiv in den sozialen Medien, bei Instagram posten Sie regelmäßig neue Bilder. Gibt es etwas, das Sie dort nicht zeigen würden?

Meyer-Landrut: Ja, also ich würde zum Beispiel keine Nacktbilder von mir posten. Oder meinen Freund. Und meine Familie würde ich auch nicht zeigen oder mein Zuhause. Solche Sachen finde ich zu privat.

Sie haben die berühmte Liedzeile „Je ne regrette rien“ von Edith Piaf als Tattoo auf dem Knöchel: „Ich bereue nichts“, steht also da. Ist das Ihr Lebensmotto oder gibt es Dinge, die Sie in Ihrer bisherigen Karriere anders gemacht hätten, wenn Sie könnten?

Meyer-Landrut: Es gibt natürlich Sachen, die man im Nachhinein anders machen würde. Weil man aus Fehlern, die man gemacht hat. Aber wenn ich vorher gewusst hätte, was ich falsch machen werde, dann hätte ich ja nicht daraus gelernt.

Fällt Ihnen da etwas Konkretes ein?

Meyer-Landrut: Mir fallen ganz viele Sachen ein. Da fängt es ja bei ganz kleinen Sachen an, bei der Klamottenwahl oder was weiß ich. Also bei ganz unwichtigen Dingen. Ich glaube halt einfach, dass alle Sachen, die man macht, wichtig sind. Also dass man alles aus einem bestimmten Grund tut. Und das Tattoo ist für mich eine Erinnerung eben genau daran. Man sollte nichts bereuen, weil alles aus einem Grund passiert. Ich glaube an das Schicksal.

Ab Mitte Februar gehen Sie wieder auf Tour, da sind Sie fast jeden Tag in einer anderen Stadt. Das schlaucht sicher. Wie ist das am Ende einer solchen Tour: Sind sie dann froh, dass es vorbei ist?

Meyer-Landrut: Es gibt das sogenannte Tourloch. Und das hab ich auch. Das hält zwei bis drei Tage an und dann geht’s einem wieder gut. Wenn man so lange mit immer den gleichen Leuten unterwegs ist, dann wächst man zusammen und bekommt so ein Familiengefühl. Und dann kommt man plötzlich nach Hause und denkt so: Was ist jetzt eigentlich los? Wo bin ich? Was soll ich tun? Und das ist dann das Tourloch. Nach einer Tour hat man so etwas wie ein Vermissungsgefühl. Man ist natürlich platt, weil es einfach auch sehr anstrengend ist. Es ist sowas wie: Aah, wohin mit mir? Ich weiß nicht, was ich tun soll.

Was tun Sie denn dann?

Meyer-Landrut: Meistens sowas wie Serien gucken.

Gibt es da eine bestimmte Serie?

Meyer-Landrut: Ich warte dann immer auf die neuesten Staffeln von „Game of Thrones“ oder „Walking Dead“, da ist gerade aber nichts Aktuelles. Mal überlegen, was guck ich denn gerade? Gerade guck ich tatsächlich die neue Staffel von „Keeping up with the Kardashians“. Leichte Kost ist ja manchmal auch nicht so verkehrt.