Köln. Kann der deutsche Staat seine Bürger noch beschützen? Diese Frage ließ Frank Plasberg am Montagabend bei „Hart aber fair“ diskutieren.

Die Übergriffe in der Silvesternacht haben eine Debatte hochgespült, die jahrelang nur von einschlägigen „Law and Order“-Politikern bedient wurde. Von einem schwachen Staat ist jetzt die Rede und von einer „kaputtgesparten“ Polizei. Können die Behörden die Bevölkerung noch schützen? Diese Frage stellte Frank Plasberg am Montagabend bei „Hart aber fair“.

Mit Talkshow-Dauergast Wolfgang Bosbach (CDU) und Rüdiger Thust vom Bund Deutscher Kriminalbeamter schickten sich zwei erwartbare Gäste an, das Thema zu diskutieren. Für frischen Wind sollten die Kölner Werbefachfrau Emitis Pohl, der Sozialpädagoge Samy Charchira und der Strafverteidiger Ingo Lindemann sorgen.

Berechtigte Ängste oder Hysterie?

Einen guten Teil der Zeit beschäftigte sich die Runde damit, zu klären, ob die Reaktionen auf die Kölner Übergriffe angemessen oder hysterisch sind. Letzteren Standpunkt vertrat Anwalt Lindemann, der darauf verwies, dass von den jetzt in den Fokus gerückten nordafrikanischen Tätergruppen zumeist Alltagsdelikte begangen würden. „Unser Rechtsstaat kommt mit diesen Auswüchsen klar“, sagte der Strafverteidiger. Angst sei dagegen ein schlechter Ratgeber für die Kriminalitätsbekämpfung.

Kritik gab es dafür von Wolfgang Bosbach, der unter Verweis auf das Ausmaß der Übergriffe von berechtigten Ängsten sprach. „Meine Befürchtung ist, dass der allergrößte Teil der Täter ungeschoren davon kommen wird“, sagte der CDU-Innenpolitiker. Auch das führe zu einem Gefühl der Unsicherheit. Zudem sei auch Alltagskriminalität für viele Betroffene traumatisierend.

Das konnte Emitis Pohl nur bestätigen, die in ihrer etwas unklaren Funktion als Kölner Bürgerin ihre Verunsicherung seit den Übergriffen in der Silvesternacht schilderte. So habe sie etwa in einem Kaufhaus zuletzt auch mal ihre Tasche festgehalten, weil sie sich unsicher fühlte. Zur Frage nach der Angemessenheit der Debatte hatte Pohl einen wichtigen Satz beizutragen: „Wir werden auch immer wieder damit in den Medien konfrontiert“, benannte die Werbefachfrau eine Quelle ihrer Sorgen.

„Es gibt keine Pauschalisierung“

Ein weiterer interessanter Aspekt wurde vom Gastgeber selbst eingebracht. Ausführungen des Sozialpädagogen Charchira, wonach derzeit eine Pauschalisierung stattfinde, bei der die Taten Einzelner zu den Taten ganzer Gruppen umdeklariert würden, beendete Plasberg knapp mit dem Hinweis, dass es solche Tendenzen seinem Eindruck nach nicht gebe.

Wirklich? Man musste Plasberg nicht an die vielen Leitartikel und Beiträge aus den vergangenen Wochen erinnern, in denen unter anderem über „die Sexualität“ von „dem arabischen Mann“ theoretisiert wurde. Es reichte, dass der Moderator später Pohl und Charchira nach ihren jüngsten Erfahrungen fragte: Beide berichteten über verbale Attacken aufgrund ihres Migrationshintergrundes, die sie so bisher noch nie erlebt hätten.

Überraschende Verbündete beim Thema Geld

Abgesehen davon verzettelte sich die Diskussion auf den üblichen Allgemeinplätzen. Während sich Bosbach und Kriminalpolizist Thust für einen stärkeren Staat aussprachen, argumentierte Charchira, dass man den Tätern auch eine Perspektive bieten müsse. Als grundsätzliches Problem wurde einhellig erkannt, dass die Abschiebung von Straftätern nach wie vor kompliziert ist, auch weil die Identitäten und damit die Herkunftsländer häufig unbekannt sind.

Große Übereinstimmung gab es auch bei der Frage, ob die Polizei „kaputtgespart“ wurde. „Wir sind deutlich unterbesetzt bei der Polizei“, sagte Bosbach. Dabei seien die Anforderungen in den letzten Jahren gestiegen. „Alle begrüßen es, wenn die Polizei mehr Präsenz zeigt“, pflichtete Sozialpädagoge Charchira. Klar sei aber auch, dass so nicht alle Probleme gelöst werden könnten.

Bei dem Thema waren dann selbst Polizist Thust und Strafrechtler Lindemann, naturgemäß und auch in der Debatte eher Gegner, plötzlich ganz einig. „Wenn der Bürger nicht mehr von der Polizei bedient werden kann, können wir den Laden dichtmachen“, sagte Thust. Dann würden sich die Leute selbst bewaffnen. Eine Feststellung, der Lindemann vehement zustimmte – um gleichzeitig auch eine solide Finanzierung auf Seiten der Pflichtverteidigung der Beschuldigten zu fordern.

Klare Feststellung am Ende

Echte Erkenntnisse hatte die Debatte trotz einiger guter Ansätze letztlich nicht zu bieten. Am Ende war es dann auch der zuvor so ehrliche Anwalt Lindemann, der das Problem dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ knapp aber treffend zusammenfasste, als er sagte: „Wir haben keine Problemanalyse betrieben.“

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