Berlin. „Wie liebt Deutschland?“ fragt Reinhold Beckmann in der ARD – und reißt Themen zwischen jugendlicher Pornosucht und Sex im Alter an.

Eine Lehrerin, die zur Tantra-Masseurin umgeschult hat. Ein Ehepaar mit Kindern, das eine offene Beziehung lebt. Zwei 20-Jährige, die bereits seit sechs Jahren ein Paar sind. Eine Frau, die sich nach 30 Ehejahren getrennt hat und jetzt mit einem 20 Jahre jüngeren Partner glücklich ist. Und ein 18-Jähriger, der sich als pornosüchtig bezeichnen würde: Das sind die Protagonisten, die Reinhold Beckmann für seine Reportage trifft. Mit der Sendung am Montagabend (20.15 Uhr) in der ARD will Beckmann nichts weniger als diese Frage beantworten: „Wie liebt Deutschland?“

Die kurze Antwort: sehr unterschiedlich. Und garantiert noch viel unterschiedlicher, als Beckmann anreißt, dabei in weiten Teilen allerdings vermutlich konventioneller. Aber selbstverständlich erwartet auch niemand, dass der Journalist die Themenkomplexe Liebe, Sexualität und Beziehungen in 45 Minuten erschöpfend behandeln kann.

Steile These: „Jederzeit und überall willige Sexualpartner“ für alle

Andi und Melanie sind seit 13 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und zweifelten zwischenzeitlich an ihrer Beziehung. Für beide war es ein langer Weg zur heutigen Harmonie.
Andi und Melanie sind seit 13 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und zweifelten zwischenzeitlich an ihrer Beziehung. Für beide war es ein langer Weg zur heutigen Harmonie. © NDR/beckground.tv | NDR/beckground.tv

Gleich zu Beginn stellt Beckmann eine steile These auf: Mit „Sex-Apps“ wie Tinder „und online“ stünden jedem jederzeit und überall willige Sexualpartner zur Verfügung – „die Möglichkeiten sind grenzenlos“. Ob es überhaupt noch Tabus gebe, will der Journalist wissen, oder „ist alles erlaubt?“

Alles ist vielleicht nicht erlaubt, aber mehr, als die Theorie der ewigen Liebe in einer monogamen Beziehung vorsieht, schon – zumindest bei Melanie und Andi. Die beiden sind seit 13 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und irgendwann festgestellt, dass sich ihre Vorstellungen von Beziehung doch unterscheiden. Da hat’s, sagt Andi, auch mal „sauber g’scheppert“. Psychologin Felicitas Heyne weiß, warum. Es sei das klassisches Beziehungsproblem: „Langzeitbeziehung lebt ja von Intimität, Nähe, Vertrauen, diesen Dingen – Erotik lebt aber von genau dem Gegenteil: Spannung, Ungewissheit, Distanz.“ Andi und Melanie haben sich auf eine offene Beziehung geeinigt – weil sie, wie Melanie sagt, auch noch die nächsten zwölf, 13 Jahre verheiratet bleiben wollen.

Paartherapeut: Das „romantische Ideal“ hat „etwas Terroristisches“

Jasmin wollte irgendwann nicht mehr verheiratet bleiben. Die Lehrerin, Mutter einer Tochter, lebte noch drei Jahre in der Beziehung, nachdem ihr klar war, dass diese vorbei war, dann trennte sie sich von ihrem Mann. Heute ist die 40-Jährige Tantra-Masseurin, hat ihre Sexualität wiederentdeckt und versucht anderen, ebenfalls dazu zu verhelfen.

Zwischen Kind, Karriere und Haushalt blieb irgendwann die Sexualität in der Ehe von Jasmin auf der Strecke. Die Lehrerin trennte sich von ihrem Mann, zog mit ihrer Tochter in die Großstadt und arbeitet heute als Tantra-Masseurin.
Zwischen Kind, Karriere und Haushalt blieb irgendwann die Sexualität in der Ehe von Jasmin auf der Strecke. Die Lehrerin trennte sich von ihrem Mann, zog mit ihrer Tochter in die Großstadt und arbeitet heute als Tantra-Masseurin. © NDR/beckground.tv | NDR/beckground.tv

Sexualwissenschaftler Ulrich Clement benennt eines der grundlegenden Probleme vieler Beziehungen: „Das Interessante ist, dass die Idee der großen Liebe konstant geblieben ist – Eines mit Einem für immer.“ Schöne Idee, „aber eine mühsame Realität“, sagt der Paartherapeut, und sie habe ein hohes Potenzial, zu scheitern: Dieses romantische Ideal, meint Clement, habe fast schon etwas „Terroristisches“.

Die Sendung ist zu kurz, das ist tatsächlich schade, denn die Menschen, mit denen Beckmann spricht – sowohl die Liebenden als auch die Experten – haben interessante Dinge zu erzählen. Mit etwas mehr Sendezeit müsste Beckmann auch nicht von einem Thema zum nächsten hecheln. Thema „Lustpille für die Frau“: Wem sie wirklich nütze, will der Moderator wissen, und der Wissenschaftler räumt ein, dass eine solche Pille erstens bei Frauen nicht so „einfach“ funktioniere wie bei Männern, und dass zweitens – wie bei Männern – ein „erhebliches wirtschaftliches Interesse“ dahinter stehe. Eine Frage, eine Antwort, und Beckmann ist beim nächsten Thema: Trennungen von älteren Paaren. Immerhin: Einige Inhalte, die über die Sendung hinausgehen, sind online zu finden, etwa Beziehungstipps von Therapeuten.

• Die Reportage „#Beckmann - Wie liebt Deutschland? Liebe, Sex und Treue heute“ läuft am Montag, 1. Februar, ab 20.15 Uhr in der ARD und online hier.