Dortmund-„Tatort“ beschert den Ermittlern die „Hundstage“
•
Lesezeit: 3 Minuten
Von Felix Müller
Berlin. Die Dortmunder „Tatort“-Ermittler treten zur achten Folge an. Es ist heiß – und die Kommissare plagen die Geister der Vergangenheit.
Schon seltsam: Komplett quer zur nasskalten Jahreszeit herrschen im Dortmunder „Tatort“ beinahe tropische Temperaturen. Es sind die „Hundstage“, wie der Titel der Folge an diesem Sonntag verrät, brutaler Hochsommer. Überall rattern die Ventilatoren, Kommissar Kossik bewahrt Ersatzhemden im Kühlschrank auf, und es wird irre viel getrunken. Am liebsten „lecker Pilsken“, die sein Kollege Faber an der Pommesbude ordert. Der Sommer liegt wie eine schwere Decke über der Stadt. Er treibt den Schweiß auf die Haut – und die Erinnerungen in die Köpfe.
Es gibt viel zu erinnern und mit dem Gestern zu hadern in den Reihen der Dortmunder Ermittler. Es ist der achte Fall der Truppe, die sich überraschend gut gemacht hat im Vergleich zu den altgedienten Kollegen aus Köln, Münster oder München – wohl auch, weil ihre persönlichen Geschichten horizontal fortgeschrieben werden. Diese Episode, entstanden unter der Regie von Stephan Wagner, setzt noch stärker als die vorigen auf die Dämonen des Konjunktivs: Hätte ich früher anders handeln, mich anders entscheiden sollen? Wäre mein Leben dann ein besseres geworden?
Ein grandioser Jörg Hartmann als Kommissar Faber
Diese Fragen peinigen die Polizisten. Kommissar Faber, wie immer grandios gespielt von Jörg Hartmann, hat Frau und Tochter bei einem Verkehrsunfall verloren. Martina Bönisch (Anna Schudt) lebt in Trennung von ihrem Mann und muss miterleben, wie sich der Sohn von ihr entfremdet. Und Dalay und Kossik (Aylin Tetzel und Stefan Konarske) haben ein Kind abgetrieben, ihre Beziehung ist daran zerbrochen.
Der Dortmunder „Tatort“ ist immer auch eine Meditation über die Frage, was solche Weichenstellungen mit dem Leben von Menschen anstellen. Diese hier blicken ratlos zurück. Sie haben sich verlaufen.
Der neue Dortmund-„Tatort“ in Bildern
1/23
Der Fall, mit dem sie es zu tun bekommen, hat auf vielfache Weise damit zu tun. Faber wird nachts zum Dortmunder Hafen gerufen. Er kann eine Frau aus dem Wasser retten, ein Mann kann nur noch tot geborgen werden, ein Einschussloch in der Brust. Ein Zeuge behauptet, die Frau habe zuvor auf den Mann geschossen. Was hat sie dann im Wasser gemacht? Was hatten die beiden überhaupt miteinander zu tun? Sie ist eine Verkäuferin, er ein hochrangiger Manager. Bald werden auch noch 100.000 Euro entdeckt. War da Erpressung im Spiel?
Ein 14 Jahre alter Fall taucht wieder auf
Für Ermittlerin Bönisch klopft auch hier eine alte Geschichte an die Tür. Mit dem Toten und seiner Witwe hatte sie vor 14 Jahren zu tun, als deren Sohn spurlos verschwand. Sie wirft sich heute Ermittlungsfehler vor. Und erfährt nun auch, dass die verwaiste Mutter der Frau am Hafen nachgestellt hat – beharrlich behauptend, deren Sohn sei in Wirklichkeit ihr eigenes Kind. Eine Konstellation, die vor allem Faber an die Nieren geht. Er sitzt nachts besoffen in der Wache, starrt die Bilder der Verdächtigen an und wiederholt immer wieder diesen einen Satz: Ich habe mein Kind verloren.
Das haben sie alle, die Kommissare aus Dortmund. Dieser atmosphärisch dichte, spannende „Tatort“ hätte vielleicht ab und an ein Fenster öffnen können, um diesem schlimmsten aller Sätze seine Wucht zu nehmen. Aber vor dem Fenster ist es heiß und stickig, und drinnen sitzen traurige Menschen.