Berlin. Die Dortmunder „Tatort“-Ermittler treten zur achten Folge an. Es ist heiß – und die Kommissare plagen die Geister der Vergangenheit.

Schon seltsam: Komplett quer zur nasskalten Jahreszeit herrschen im Dortmunder „Tatort“ beinahe tropische Temperaturen. Es sind die „Hundstage“, wie der Titel der Folge an diesem Sonntag verrät, brutaler Hochsommer. Überall rattern die Ventilatoren, Kommissar Kossik bewahrt Ersatzhemden im Kühlschrank auf, und es wird irre viel getrunken. Am liebsten „lecker Pilsken“, die sein Kollege Faber an der Pommesbude ordert. Der Sommer liegt wie eine schwere Decke über der Stadt. Er treibt den Schweiß auf die Haut – und die Erinnerungen in die Köpfe.

Es gibt viel zu erinnern und mit dem Gestern zu hadern in den Reihen der Dortmunder Ermittler. Es ist der achte Fall der Truppe, die sich überraschend gut gemacht hat im Vergleich zu den altgedienten Kollegen aus Köln, Münster oder München – wohl auch, weil ihre persönlichen Geschichten horizontal fortgeschrieben werden. Diese Episode, entstanden unter der Regie von Stephan Wagner, setzt noch stärker als die vorigen auf die Dämonen des Konjunktivs: Hätte ich früher anders handeln, mich anders entscheiden sollen? Wäre mein Leben dann ein besseres geworden?

Ein grandioser Jörg Hartmann als Kommissar Faber

Diese Fragen peinigen die Polizisten. Kommissar Faber, wie immer grandios gespielt von Jörg Hartmann, hat Frau und Tochter bei einem Verkehrsunfall verloren. Martina Bönisch (Anna Schudt) lebt in Trennung von ihrem Mann und muss miterleben, wie sich der Sohn von ihr entfremdet. Und Dalay und Kossik (Aylin Tetzel und Stefan Konarske) haben ein Kind abgetrieben, ihre Beziehung ist daran zerbrochen.

Der Dortmunder „Tatort“ ist immer auch eine Meditation über die Frage, was solche Weichenstellungen mit dem Leben von Menschen anstellen. Diese hier blicken ratlos zurück. Sie haben sich verlaufen.

Der neue Dortmund-„Tatort“ in Bildern

Ein Mord im Hafen von Dortmund: Schüsse fallen, zwei Personen treiben im Wasser. Kommissar Peter Faber erreicht gerade noch rechtzeitig den Tatort und kann einen der beiden vor dem Ertrinken retten.
Ein Mord im Hafen von Dortmund: Schüsse fallen, zwei Personen treiben im Wasser. Kommissar Peter Faber erreicht gerade noch rechtzeitig den Tatort und kann einen der beiden vor dem Ertrinken retten. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Das Ermittler-Team Dortmund ist zurück: Martina Bönisch (l.), Nora Dalay (m.), Kommissar Peter Faber (r.) und Daniel Kossik haben ihren achten Fall aufzuklären.
Das Ermittler-Team Dortmund ist zurück: Martina Bönisch (l.), Nora Dalay (m.), Kommissar Peter Faber (r.) und Daniel Kossik haben ihren achten Fall aufzuklären. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Eva Dehlens (Maren Eggert, m.) erfährt vom Tod ihres Ehemannes. Er ist der Tote aus dem Hafenbecken.
Eva Dehlens (Maren Eggert, m.) erfährt vom Tod ihres Ehemannes. Er ist der Tote aus dem Hafenbecken. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Das Fahnder-Team scheint gespalten: Ein Konflikt zwischen Faber und seinem Kollegen Kossik eskaliert. Die beiden Kommissarinnen können nur noch tatenlos daneben stehen.
Das Fahnder-Team scheint gespalten: Ein Konflikt zwischen Faber und seinem Kollegen Kossik eskaliert. Die beiden Kommissarinnen können nur noch tatenlos daneben stehen. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Die Ehefrau des Toten ist Kommissarin Bönisch nicht unbekannt. Bereits vor 14 Jahren saßen sie sich gegenüber. Damals war ihr dreijähriger Sohn spurlos verschwunden. Der Junge wurde nie gefunden.
Die Ehefrau des Toten ist Kommissarin Bönisch nicht unbekannt. Bereits vor 14 Jahren saßen sie sich gegenüber. Damals war ihr dreijähriger Sohn spurlos verschwunden. Der Junge wurde nie gefunden. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Rückblick: Manager Max Dehlens (Ralf Drexler) hat privat eine Katastrophe erlebt.  Nun wurde er zum Mordopfer.
Rückblick: Manager Max Dehlens (Ralf Drexler) hat privat eine Katastrophe erlebt. Nun wurde er zum Mordopfer. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Kein leichtes Leben: Eine Dienstaufsichtsbeschwerde setzt Kommissar Faber (Jörg Hartmann) schwer zu.
Kein leichtes Leben: Eine Dienstaufsichtsbeschwerde setzt Kommissar Faber (Jörg Hartmann) schwer zu. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Der Mordfall fordert Faber alles ab. In der Rechtsmedizin steht er vor der Leiche – und sucht nach einer Spur.
Der Mordfall fordert Faber alles ab. In der Rechtsmedizin steht er vor der Leiche – und sucht nach einer Spur. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Heftig: Kommissar Peter Faber beobachtet, wie die Ehefrau des Ermordeten ihren Kindern vom Mord am Vater berichtet.
Heftig: Kommissar Peter Faber beobachtet, wie die Ehefrau des Ermordeten ihren Kindern vom Mord am Vater berichtet. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Polizeipsychologe Peter Lech (Roland Kukulies, m.) bittet Kommissar Faber um Fingerspitzengefühl, wenn er mit der Tochter über den Mord an ihrem Vater spricht.
Polizeipsychologe Peter Lech (Roland Kukulies, m.) bittet Kommissar Faber um Fingerspitzengefühl, wenn er mit der Tochter über den Mord an ihrem Vater spricht. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Die Ermittler Dalay und Kossik nehmen das berufliche Umfeld des Ermordeten unter die Lupe...
Die Ermittler Dalay und Kossik nehmen das berufliche Umfeld des Ermordeten unter die Lupe... © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
...und überbringen der Sekretärin die Nachricht von dessen Tod. Diese ist bemüht, die Fassade zu wahren.
...und überbringen der Sekretärin die Nachricht von dessen Tod. Diese ist bemüht, die Fassade zu wahren. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Fast wäre sie ertrunken: Faber will von Judith Stiehler (Anne Ratte-Polle, l.) erfahren, warum sie sich mit dem späteren Mordopfer verabredet hatte.
Fast wäre sie ertrunken: Faber will von Judith Stiehler (Anne Ratte-Polle, l.) erfahren, warum sie sich mit dem späteren Mordopfer verabredet hatte. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Paul Stiehler (Dirk Borchardt, r.) passt es nicht, dass die Kommissare seiner Familie auf den Leib rücken.
Paul Stiehler (Dirk Borchardt, r.) passt es nicht, dass die Kommissare seiner Familie auf den Leib rücken. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Feierabend-Idylle sieht anders aus: Die Kommissare Faber und Bönisch nach Dienstschluss...
Feierabend-Idylle sieht anders aus: Die Kommissare Faber und Bönisch nach Dienstschluss... © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
...mit Dosenbier und Pommes frites.
...mit Dosenbier und Pommes frites. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Die Ermittler Faber und Bönisch kommen sich näher. Zu nah?
Die Ermittler Faber und Bönisch kommen sich näher. Zu nah? © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Kommissar Faber begleitet Eva Dehlens ins Krankenhaus. Ein schwieriger Gang.
Kommissar Faber begleitet Eva Dehlens ins Krankenhaus. Ein schwieriger Gang. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Die Witwe ist der festen Meinung, ihren verschwundenen Sohn wiedergefunden zu haben.
Die Witwe ist der festen Meinung, ihren verschwundenen Sohn wiedergefunden zu haben. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Hat er die Mörderin vor dem Ertrinken gerettet? Kommissar Faber wird von Selbstzweifeln geplagt.
Hat er die Mörderin vor dem Ertrinken gerettet? Kommissar Faber wird von Selbstzweifeln geplagt. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Die Familie Stiehler hält fest zusammen.
Die Familie Stiehler hält fest zusammen. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Das Ermittler-Quartett versucht ein düsteres Familiendrama aufzuschlüsseln. Rätselraten bis zum Schluss.
Das Ermittler-Quartett versucht ein düsteres Familiendrama aufzuschlüsseln. Rätselraten bis zum Schluss. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
Für Regisseur Stephan Wagner ist „Hundstage“ der erste „Tatort“ aus Dortmund.
Für Regisseur Stephan Wagner ist „Hundstage“ der erste „Tatort“ aus Dortmund. © WDR/Wolfgang Ennenbach | WDR/Wolfgang Ennenbach
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Der Fall, mit dem sie es zu tun bekommen, hat auf vielfache Weise damit zu tun. Faber wird nachts zum Dortmunder Hafen gerufen. Er kann eine Frau aus dem Wasser retten, ein Mann kann nur noch tot geborgen werden, ein Einschussloch in der Brust. Ein Zeuge behauptet, die Frau habe zuvor auf den Mann geschossen. Was hat sie dann im Wasser gemacht? Was hatten die beiden überhaupt miteinander zu tun? Sie ist eine Verkäuferin, er ein hochrangiger Manager. Bald werden auch noch 100.000 Euro entdeckt. War da Erpressung im Spiel?

Ein 14 Jahre alter Fall taucht wieder auf

Für Ermittlerin Bönisch klopft auch hier eine alte Geschichte an die Tür. Mit dem Toten und seiner Witwe hatte sie vor 14 Jahren zu tun, als deren Sohn spurlos verschwand. Sie wirft sich heute Ermittlungsfehler vor. Und erfährt nun auch, dass die verwaiste Mutter der Frau am Hafen nachgestellt hat – beharrlich behauptend, deren Sohn sei in Wirklichkeit ihr eigenes Kind. Eine Konstellation, die vor allem Faber an die Nieren geht. Er sitzt nachts besoffen in der Wache, starrt die Bilder der Verdächtigen an und wiederholt immer wieder diesen einen Satz: Ich habe mein Kind verloren.

Das haben sie alle, die Kommissare aus Dortmund. Dieser atmosphärisch dichte, spannende „Tatort“ hätte vielleicht ab und an ein Fenster öffnen können, um diesem schlimmsten aller Sätze seine Wucht zu nehmen. Aber vor dem Fenster ist es heiß und stickig, und drinnen sitzen traurige Menschen.

• „Tatort: Hundstage.“ ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.