Berlin. Bei Maybrit Illner ging es eigentlich um die Integration. Einen guten Teil der Zeit nahm aber die Auseinandersetzung mit der AfD ein.

Wie kann Integration angesichts der hohen Flüchtlingszahlen gelingen? Reicht die jetzt beschlossene schnellere Abschiebung von straffällig gewordenen Asylbewerbern? Und was tun mit Menschen, die sich einfach nicht integrieren wollen? Maybrit Illner versuchte am Donnerstagabend unter dem verunglückten Titel „Antanzen zur Integration - Wie deutsch müssen Ausländer werden?“ zu klären, welche Schritte jetzt in der Flüchtlingskrise notwendig sind.

Diskutiert wurde das Thema vom stellvertretenden CDU-Parteivorsitzenden Thomas Strobl, der Grünen-Politikerin Claudia Roth und dem Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen. Außerdem auf dem Podium: Die deutsche muslimische Religionspädagogin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und Ulf Küch vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Bekannte Rezepte

In der vierten Woche nach den Übergriffen von Köln wählte die Redaktion von Illner einen angenehm unaufgeregten Ansatz, um sich weiter mit dem Flüchtlingsthema zu beschäftigen. Allein, die Frage nach dem richtigen Weg zur Integration jener Neuankömmlinge mit Asylanspruch führte zwangsläufig zur Ausbreitung altbekannter Rezepte: Sprachkurse, günstiger Wohnraum und die Möglichkeit, schneller arbeiten zu dürfen wurden von allen Talk-Teilnehmern mehr oder weniger einhellig als entscheidende Instrumente identifiziert.

Für eine überraschendere Perspektive sorgte Thomas de Vachroi von der Berliner Notunterkunft „Rathaus Wilmersdorf“, der die Diskussion mit seinen Ausführungen aus der Praxis, wenn auch erst am Ende, ein wenig erdete. „Es hängt immer am Geld“, sagte der Leiter der Einrichtung. Dabei gelte: „Wenn man nicht von Anfang an integriert, verliert man.“ Zu Beginn seien etwa gerade Dolmetscher entscheidend, und doch würden sie an vielen Stellen fehlen.

„Die Bürger haben kein Vertrauen mehr“

Natürlich kam aber auch diese Diskussion nicht umhin, sich mit den Geschehnissen von Köln auseinanderzusetzen. „Die Bürger haben kein Vertrauen mehr“, sagte Polizeigewerkschafter Küch, dem wenig überraschend die Rolle zukam, mehr Mittel für die Sicherheitsbehörden zu verlangen. Zugleich stellte Küch aber auch klar, dass es sich bei den Intensivtätern zumeist um junge nordafrikanische Männer ohne Bleibeperspektive handle. Syrer und Iraker etwa würden dagegen kaum auffällig werden. „Die Problembären die wir haben, müssen das Gesetz kennenlernen“, forderte Küch in einer eigenartigen Terminologie.

Unterstützung erhielt er in der Sache von Koddar. Es gebe in der Tat ein Tätermilieu unter nordafrikanischen Einwanderern, sagte die Islamwissenschaftlerin. Und natürlich müssten die Täter bestraft werden. Zugleich warnte sie aber vor einer Pauschalisierung und einem Generalverdacht. „Das bedeutet nicht, dass alle nordafrikanischen Männer ein Problem haben.“

Asyl bevorzugt für Christen?

Küch kam dann auch zu, die Auseinandersetzung mit AfD-Mann Meuthen zu eröffnen. Ein Problem sei, so der Polizeigewerkschafter, dass vom rechten Rand gezielt mit Falschmeldungen über Flüchtlinge gearbeitet würde. „Das ist gefährliches Zündeln“, sagte Küch, der als Beispiel Berichte über angebliche Vergewaltigungen anführte.

Die Auseinandersetzung mit Meuthen nahm dann auch mindestens so viel Zeit ein, wie die Diskussion der Integrationsfragen. Illner versuchte, den AfD-Bundesvorsitzenden festzunageln: Wie viel Zuwanderung denn integrierbar sei? Maximal 200.000 Menschen pro Jahr, schloss sich Meuthen der CSU-Position beim Thema Obergrenze an. Außerdem sollten bevorzugt Christen aufgenommen werden, weil sie „besser zu unserer Kultur“ passten. Mit diesen Äußerungen brachte Meuthen die Runde endgültig gegen sich auf. „Es heißt nicht ‚Die Würde des christlichen Menschen ist unantastbar‘“, empörte sich Claudia Roth.

Strobl wird wütend

Zuvor hatte die Grünen-Politikerin Meuthen bereits bloßgestellt: Nachdem sich der AfD-Mann schockiert über die gesellschaftliche Polarisierung in der Flüchtlingskrise gezeigt hatte, konfrontierte Roth ihn mit Forderungen aus seiner Partei, ihr Gewalt anzutun. „Die Stimmung ist von Hass und vom Aufruf zur Gewalt geprägt“, sagte Roth mit Blick auf die AfD und Bewegungen wie Pegida. Unterstützt wurde sie von Illner, die Meuth fragte, wie er es damit halte, dass AfD-Mitglieder auf Demonstrationen Journalisten attackieren.

„Das steht nicht für unsere Partei“, erwiderte Meuthen, der auch wegen eines Einspielers mit grenzwertigen AfD-Zitaten zur Flüchtlingskrise unter Druck stand. Mit der Äußerung, dass es so etwas in allen Parteien gäbe, brachte er schließlich den ansonsten ruhigen CDU-Politiker Strobl fast zur Weißglut. „Belegen Sie mir das jetzt hier oder nehmen sie es zurück“, sagte Strobl. „Sie setzen immer Dinge in die Welt, die Sie überhaupt nicht belegen können.“

Meuthen in Erklärungsnot

Und so endete eine sachlich angelegte und zunächst auch so geführte Debatte mit den üblichen Grabenkämpfen. Einen Erkenntnisgewinn hatte die Diskussion am Ende aber doch. Einmal mehr wurde deutlich, dass in der AfD Strömungen existieren, die selbst ein wortgewandter und vergleichsweise liberaler AfD-Politiker wie Meuthen kaum mehr verargumentieren kann. Meuthens Klage, dass die AfD in eine Ecke gestellt würde, in die sie nicht gehöre, wirkte daher am Ende entsprechend hilflos.

Die Ausgabe von „Maybrit Illner“ in der ZDF-Mediathek.