Berlin. Rot-grüne Wahlkämpfer wollen lieber nicht mit der AfD diskutieren. Wie falsch diese Taktik ist, zeigte sich bei „Anne Will“ in der ARD.

Für Beatrix von Storch ist die Sache klar: „Die Stimmung in diesem Land kippt. Angela Merkel ist nicht mehr willens, das Flüchtlingsproblem zu lösen.“ Deshalb sei absehbar, dass die Kanzlerin „das Land verlässt, nach Chile oder Südamerika“. Denn in Deutschland, raunt Storch mit ernster Mine, sei Merkel schon bald nicht mehr sicher. Gelächter beim Studio-Publikum. Moderatorin Anne Will, die ansonsten nicht auf den Mund gefallen ist, bleibt für einen Moment die Spucke weg. Die Kanzlerin quasi schon auf dem Weg ins Exil?

Storch ist Vorsitzende der AfD in Berlin und Vize-Chefin der Bundespartei. Sie gehört also zu jenen, mit denen einige hochrangige Politiker, vor allem von der SPD, nicht mehr diskutieren wollen. Die Sozialdemokratin Malu Dreyer etwa, wahlkämpfende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, verweigert die TV-Debatte mit dem Spitzenkandidaten der Rechtspopulisten. Auch ihre Partei-Kollegin Hannelore Kraft in NRW hat schon mal vorsorglich angekündigt, dass sie sich mit einem AfDler nicht an einen Tisch setzen wird. Und der Grüne Regierungschef von Baden-Württemberg, Wilfried Kretschmann, lehnt öffentliche Auftritte ab, bei denen ein Vertreter der Alternative für Deutschland mitredet.

Feigheit vor dem Feind

Das Problem dabei ist nur: Was wohl als Signal der Abgrenzung gegen die fremdenfeindlichen Parolen der AfD gedacht war, wirkt nun wie Feigheit vor dem Feind. Dabei zeigt sich bei am Sonntagabend bei Anne Wills ARD-Runde, dass man nicht vor der AfD kneifen muss. Man muss die Sache nur richtig angehen.

Etwa so wie Armin Laschet aus NRW, Merkels Vize-Chef in der CDU, der bei der Diskussion um Flüchtlinge und Asylbewerber und Obergrenzen zu großer Form aufläuft. Aber der Reihe nach.

Beatrix von Storch nimmt sich das Thema Integration vor und unterscheidet dabei zwischen Flüchtlingen und Migranten. „Flüchtlinge“, so die AfD-Politikerin, „brauchen nicht integriert werden.“ Die kehrten doch sowieso wieder zurück nach Hause, wenn der der Krieg vorbei sei.

Etwa nach Syrien.

Da fährt CDU-Mann Laschet, einst Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, zum ersten Mal dazwischen. „Was wollen Sie denn mit den syrischen Kindern machen?“, schnaubt Laschet. Selbst wenn die Kinder nach einigen Jahren zurückkehrten, schade es ja wohl nicht, wenn sie Deutsch gelernt und ein paar Jahre Bildung genossen hätten. Das hat gesessen.

Und Gastgeberin Will hakt nach: „Wollen Sie Integration oder nicht?“

Nicht mehr als Versatzstücke

Doch Storch hat nicht mehr zu bieten als die Versatzstücke, die sie die ganze Sendung über einstreut: Man müsse die Realitäten anerkennen, Deutschland könne nicht die ganze Welt aufnehmen, Merkels Willkommenskultur müsse ein Ende habe. Und dazu wiederholt sie immer wieder die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. Doch Laschet kontert kühl, in Anspielung auf die Sache mit Merkel und Chile:

„Ihre Untergrenze in Sachen Niveau haben wir heute schon gehört.“

Doch Laschet und von Storch sind nicht die einzigen, die sich an diesem Abend ein TV-Duell liefern. Denn da sitzen noch Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche von Deutschland (EKD), und CSU-Hardliner Hans-Peter Friedrich. Der Kirchenmann mahnt mehrfach „unsere humanitären Verpflichtungen“ für die Flüchtlinge an, lehnt Obergrenzen ab und beharrt darauf, dass „man die Verantwortung nicht immer anderen Länder zuschieben kann“. Wenn stattdessen einzelne Länder, wie gerade eben Österreich, Obergrenzen einführten, drohe „eine Chaotisierung Europas“, so Bedford-Strohm.

Da rutscht CSU-Mann Friedrich schon ganz unruhig auf seinem Sessel herum. Er will ja gerade die Obergrenze. Maximal 200.000 Flüchtlinge im Jahr, hat sein Parteichef Horst Seehofer kürzlich als Marge ausgegeben.

„Ich akzeptiere nicht, dass nur das christlich sein soll, so viele Menschen wie möglich zu uns zu holen“, hält er Bedford-Strohm entgegen.

Dass der EKD-Chef das gar nicht gefordert hatte - egal.

Und immer wieder der Spruch vom „Magneten“

Doch Friedrich legt gerade erst los. Nicht nur in Syrien und im Irak, nicht nur in Nordafrika, sondern auch in Afghanistan, in Indien und in Bangladesh machten sich die Menschen inzwischen auf den Weg. „Sie wollen alle nach Deutschland“, so Friedrich. Das gibt Beatrix von Storch die Gelegenheit, zum dritten oder vierten Mal ihren Spruch vom „Magneten“ loszulassen, den die Kanzlerin „angestellt“ habe. Und bei der Kanzlerin ist dann auch Friedrich angekommen. Er glaubt nämlich an die bevorstehende Wende Merkels. Die „neue Flüchtlingspolitik“ inklusive Obergrenzen, die die CSU einfordert, werde schon „in Kürze“ von Angela Merkel höchstpersönlich formuliert. Vorausgesetzt, die Kanzlerin ist dann nicht schon in Südamerika.

Die komplette Sendung in der ARD-Mediathek