Mainz. Statt stärker über Lösungen zu diskutieren, blieb der Flüchtlings-Talk bei Maybrit Illner beim Dilemma der Bundeskanzlerin stecken.

Acht Wochen. So viel Zeit soll Angela Merkel noch bleiben, um den Zulauf an Flüchtlingen nach Europa und insbesondere nach Deutschland zu stoppen. Denn dann läuft nicht nur das Man-weiß-nicht-mehr-wie-viele-Ultimatum der CSU ab, sondern dann stehen auch Landtagswahlen an und da könnte man schließlich, oh Schreck, Macht verlieren.

Macht war überhaupt das dominierende Thema des politischen Talks von Maybrit Illner, von dem man sich allerdings gewünscht hätte, dass auch die Lösungsansätze für die Krise tiefer diskutiert worden wären – denn die ist schließlich überhaupt erst der Grund dafür, dass Merkel zunehmend geschwächt wirkt.

Merkel zwischen Macht- und Glaubwürdigkeitsverlust

„Zuwanderung ohne Grenzen – bleibt Merkel nur die Wende?“ lautete das Motto des Abends, zu dem Illner neben Ruprecht Polenz (CDU) und Markus Söder (CSU), die das Unions-Gezänk personalisieren sollten, auch die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, Staatsrechtler Ulrich Battis, Publizist Michael Spreng und Flüchtlingsbetreuer Firas Al Habbal geladen hatte.

„Wie viel Zeit geben Sie der Kanzlerin noch?“, „Wie lange kann Merkel noch Politik gegen die Schwesterpartei machen?“, „Wie lange ist Angela Merkel noch Kanzlerin?“ – man konnte am Donnerstagabend den Eindruck gewinnen, der innere Zwist in der Union sei spannender als die Suche nach ernsthaften Lösungen. Politikberater Spreng lieferte denn auch die passenden Statements: „Der März wird ein Schicksalsmonat für Merkel, auch was ihr Amt betrifft.“ Und: „Sie hat nur zwei Alternativen: Entweder sie verliert ihre Macht oder ihre Glaubwürdigkeit.“ Die CSU hätte im Übrigen noch nichts erreicht, außer die Kanzlerin zu schwächen.

CSU-Abgesandter und bayerischer Finanzminister Söder ging auf diesen Seitenhieb nicht ein, sondern profilierte sich lieber als Versteher der besorgten Bürger. Eine Verfassungsklage, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer jüngst androhte, sei nicht das Ziel, sondern: „Das Volk erwartet, dass die Politik etwas tut.“ Und wer wüsste besser, was zu tun ist, als jemand aus dem besten Bundesland der Welt, der jeden zweiten Satz beginnt mit „Wir in Bayern“ oder „Bei uns in Bayern“? Eben. Also bitte.

Söders Heilmittel sind geschlossene Grenzen

„Wenn überall in Europa das Bewusstsein einsetzt, dass wir Obergrenzen brauchen, muss man die Chance nutzen“, so Söder. Und weiter: „Die Verantwortung allein auf die Türkei und Griechenland zu übertragen, ist für so ein starkes Land wie Deutschland nicht die Lösung.“ Söders Vorschlag also: nationale Grenzen schließen. Wie das konkret umzusetzen sei, darüber ließ sich Bayerns Finanzminister allerdings nicht aus. Damit ist er offenbar in guter Gesellschaft zu Österreich, das laut CDU-Mann Polenz, „eine Zahl in die Welt gesetzt hat, aber wie die umgesetzt werden soll, wird gerade noch diskutiert“. Er hätte auch sagen können: Österreich hat keinen Plan.

In den Augen von Außenpolitiker Polenz könnte Abschottung zudem unerwünschte Folgen haben: „Wenn wir die Grenze dicht machen, verlagern wir das Problem auf die schwachen Balkanstaaten.“ Man habe in der Vergangenheit viel Geld investiert, um diese Länder zu stabilisieren, doch die Flüchtlingskrise könnte dort neue Konflikte schüren. Außerdem würden geschlossene Grenzen der Wirtschaft schaden, so Polenz weiter: „Es kostet zehn Milliarden Euro, wenn wir den Schengen-Raum wieder zu nationalen Grenzen degradieren.“

Am Freitag Gespräche mit der Türkei

Gerne hätte man gehört, was die Befürworter-Fraktion um Söder sowie Rechtsstaatler Battis erwidert, doch Illner wollte lieber wissen: „Wie weit werden Sie gehen?“, bekam aber auch darauf keine konkrete Antwort, sondern Söders Rechtfertigung, warum man Merkel überhaupt Kontra gibt: „Wir müssen uns nicht darüber streiten, was das Beste ist, sondern was passiert, wenn das Beste nicht eintritt“. Polenz liebster Plan B wäre, man könnte die Türkei überzeugen, alle Flüchtlinge aufzunehmen, die aus Griechenland zurückkommen und so den weiteren Zuzug an den Außengrenzen stoppen. Als Lockmittel könnte Deutschland Geld überweisen und 100.000 syrische Flüchtlinge in einem geordneten Verfahren aufnehmen. An diesem Freitag sollen darüber Gespräche geführt werden.

Wenig Anteil an der Diskussion hatten Flüchtlingsbetreuer Al Habbal, der kurz sagen durfte, dass die Flüchtlinge auch weiterhin Wege finden werden, über die Grenze zu gelangen (Stichwort: Schleuser), sowie Linken-Chefin Kipping. Bei ihr mag das zum einen daran gelegen haben, dass ihre Antworten stark von Wahlkampfrhetorik geprägt waren, auf die niemand einging. Andererseits aber auch daran, dass sie auf einer anderen Ebene diskutieren wollte: „Wir müssen wirklich an die Fluchtursachen rangehen“, sagte sie, sprach dann vom Landraub deutscher Banken und von Waffenexporten. Doch da griff wiederum Illner ein. Denn so genau wollte man es an diesem Abend ja gar nicht wissen.