Berlin. Günther Jauch hat sich von seinem Sonntagstalk verabschiedet. Dafür hat Anne Will ihren alten Sendeplatz zurück – und gibt sich relaxt.

Sie ist zurück. Manche mögen vielleicht sogar sagen: endlich. Denn zuletzt stand Moderator Günter Jauch doch immer wieder arg in der Kritik. Seine Fragen seien zu harmlos, sein Stil zu wenig kritisch. Jauch ist Anne Wills Vorgänger auf dem Sonntagsplatz und ihr Nachfolger zugleich. Denn von 2007 bis 2011 gehörte die Stunde nach dem „Tatort“ schon einmal ihr. Sie folgte damals auf die Grande Dame des poltischen Gesprächs, Sabine Christiansen.

Keine Überraschung ist das Thema von Anne Wills erster Sendung im Jahr 2016 am Sonntag um 21.45 Uhr in der ARD: „Nach Köln – Höchste Zeit für eine neue Flüchtlingspolitik?“ In der Ankündigung ihrer Produktionsfirma Will Media vom Freitag heißt es: „Hat Angela Merkels Flüchtlingspolitik die Silvesterübergriffe überhaupt erst ermöglicht? Und wenn schon Verfassungsrechtler an Merkels Kurs zweifeln, wie lässt sich dann das gesellschaftliche Vertrauen in ihre Flüchtlingspolitik wieder herstellen?“ Auch die Gäste sind erprobte TV-Diskutanten: Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts, Gesine Schwan (SPD), Politologin, Ahmad Mansour, Psychologe und Autor und Stefan Aust, Chefredakteur von WeltN24.

Anne Will – die ewige Zweite?

Trotzdem es also formal kaum Neues gibt, liegt auf ihrer ersten Sendung große Aufmerksamkeit. Denn als Cristiansen 2007 abtrat, wollte der NDR schon einmal Günther Jauch als Nachfolger. Damals mochte Jauch noch nicht. Und Anne Will war irgendwie nur zweite Wahl. Jetzt will er nicht mehr. Und sie darf wieder. Ist sie also die ewige Zweite?

Wie findet Anne Will es also, dass ihre Talkshow wieder am Sonntag ausgestrahlt wird und nicht mehr am Mittwoch? Man würde es gern genau wissen, aber auf die meisten Fragen wollte Will in den vergangenen Wochen nicht mehr antworten. Sie sei konzentriert auf die Vorbereitung, sagte eine Sprecherin. Die vierwöchige Pause bis zum Start wurde auch dazu genutzt, das Studio in Berlin-Adlershof leicht zu überarbeiten.

Der neuen Webseite „Übermedien“, dahinter steht der Journalist Stefan Niggemeier, sagte Will zum Thema Genugtuung: „Ich denke bei solchen Entscheidungen anders, schaue mir das sehr nüchtern an: Ist das ein guter Auftrag, ist das ein spannender Job? Dann spielt für mich eigentlich keine Rolle: Wie wirkt das jetzt?“ Und bei Radio Eins versicherte sie: „Das ist einfach nur eine andere Sendezeit und ein anderer Sendetag.“ Warum sollte sie da aufgeregt sein. Man möchte Anne Will gern glauben, ist sie doch ihre Analysefähigkeit, ihre nüchterne Art eines ihrer Markenzeichen.

Will will weitermachen wie bisher

Im Studio gibt es einen neuen Anstrich, mehr Blau. Im Vorfeld teilte Will gut gelaunt mit: „Ein bisschen was werden wir verändern, allein schon, weil wir demnächst 60 statt 75 Minuten haben. Also wischen wir einmal feucht durch, bringen das Altpapier raus und sind dann am 17. Januar frisch gekämmt und gut gelaunt zurück.“

Strukturell habe sie sich nach dem Sonntag nicht gesehnt, denn jetzt müssen sie und ihr Team auch wieder am Wochenende arbeiten. „Den Hinkefuß mussten wir in Kauf nehmen.“ Für sie bestehe der Unterschied vor allem in der öffentlichen Aufmerksamkeit, die am Sonntag weitaus höher sei als an einem Mittwoch. Innerhalb der Woche gelte so etwas wie „Artenschutz“. Wer dagegen den Sonntagsplatz bespiele, brauche sich nicht zu wundern, „voll auf die Fresse zu bekommen.“

Anne Will wirkt auf Kritik vorbereitet. Was soll ihr auch passieren? Sie führt seit neun Jahren einmal in der Woche eine politische Talkshow, genauso lang wie die Mutter des Formats, Sabine Christiansen. Länger ist nur Maybrit Illner beim ZDF dabei.

Und über eine fast schon automatisch höhere Einschaltquote am Sonntag darf sie sich auch freuen: Während sie am Mittwoch 2015 im Schnitt 1,47 Millionen Zuschauer erreichte, brachte es auch der viel kritisierte Günther Jauch am Sonntag im Schnitt auf 4,6 Millionen Zuschauer.