Berlin. Bei Maybrit Illner ging es um Terror, Gewalt und kriminelle Ausländer. Von Pathos und Populismus blieben die Zuschauer aber verschont.

Sie hätte gern über etwas anderes geredet, leitete ZDF-Talkmasterin Maybrit Illner in ihre erste Sendung des neuen Jahres ein. Doch angesichts der aktuellen Entwicklungen – Terrorwarnung in München, sexuelle Übergriffe in Köln, Anschlag mit vielen deutschen Toten in Istanbul – sei ein besinnlicher Jahresbeginn unmöglich.

„Ist das Leben der Deutschen gefährlicher geworden?“, fragte die Moderatorin ihre Gäste zum Einstieg. Gekommen waren: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Grünen-Chef Cem Özdemir, die Anwältin Seyran Ates, Terrorismus-Experte Guido Steinberg und Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“. Die Frage soll einen Zusammenhang herstellen zwischen Istanbul und Köln. Er wirkt nur auf den ersten Blick konstruiert.

Von Istanbul auf den Kölner Bahnhofsvorplatz

Zum Auftakt sprach der Bundesinnenminister, gerade zurück aus Istanbul. De Maizière schilderte seine Eindrücke und beruhigte: Die Bundesregierung bemühe sich um eine gute Partnerschaft mit der Türkei.Auf die Vorwürfe der anderen Gäste reagierte der Minister entsprechend diplomatisch. Journalist Ulrich fragte, warum dem IS nicht das Wasser abgraben werde, Steinberg, der Wissenschaftler, machte deutlich, dass die Erdogan-Regierung den IS zulange nicht bekämpft habe.

Bei Illner durfte jeder der Gäste ausreden, niemand wurde unnötig laut. Die Problematik, das wussten sie wohl alle, ist komplex: Das deutsch-türkische Verhältnis grundsätzlich, die Politik Erdogans, der Bundeswehr-Einsatz in Syrien, die wachsende Zahl an Flüchtlingen. Aber über allem schwebte die Frage der politischen Verantwortung.

Müsste der Bundesinnenminister nun vor Reisen ins Ausland warnen? Hätte die Bundesregierung mehr über die möglichen Folgen eines militärischen Einsatzes aufklären sollen? Und, damit schlug Illner den Bogen zu Köln: Schützt der Staat seine Bürger überhaupt ausreichend?

Mit Sachlichkeit gegen Verschwörungstheorien

Zwei Wochen liegen die Übergriffe von Köln zurück, im Fokus steht seitdem auch die Polizei. Sie wurde bei Maybrit Illner durch Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter vertreten. Illner holte ihn erst nach rund 20 Minuten in die Runde. Seine Forderungen waren nicht neu – mehr Personal, mehr Unterstützung aus der Politik. Unerheblich waren seine Beiträge dennoch nicht. Man müsse die Hintergründe benennen, sagte Fiedler, als es um die Herkunft der mutmaßlichen Täter ging. Aber man müsse differenziert darüber sprechen.

Sachliche Aussagen, unterfüttert mit Fakten, das machte die Stärke dieser Runde aus. So erzählte Bernd Ulrich von den Recherchen seines Kollegen Mohamed Amjahid. Für die „Zeit“ hatte Amjahid junge Männer in Köln getroffen. Sie kommen aus dem Maghreb, sind illegal in Deutschland, klauen, nehmen Drogen, haben vor nichts Respekt. Die Geschichte zeigte, worüber ansonsten alle mutmaßten: Was für Männer sind das? So mysteriös sei das nicht, sagte Ulrich dazu. Allen hätte klar sein müssen, dass die Flüchtlingskrise kein Zuckerschlecken werde. „Wir bekommen kein ‘Best of’ an Flüchtlingen.“

Das Problem lässt sich nicht abschieben

Kurz vor Schluss wollte Illner einen realistischen Ausblick wagen und machte damit zwei neue Themen auf: „Muss das Sexualstrafrecht verschärft werden?“, fragte sie den Bundesinnenminister. Der schaffte gekonnt den Schwenker zu seinem eigentlichen Anliegen: Strengere Gesetze zur Abschiebung straffälliger Asylbewerber. Darüber gerieten er und Ulrich in eine Diskussion, während Ates noch etwas zur Rechtslage sagen wollte, Özdemir den Oppositionsvertreter gab und de Maizière die Verantwortung für die Gesetzesmängel zuwies.

Offen blieb am Ende die letzte Frage – ob und wie viele der Täter von Köln verurteilt werden würden. Sie hatte mehr rhetorischen Charakter und bewies Illners Geschick im Umgang mit politisch schwierigen Themen. Denn wer ernsthaft an dem konkreten Problem, und nicht an plumpem Populismus interessiert ist, der kennt die Zahlen und auch die Antwort.

Sehen Sie die aktuelle Folge vom Talk mit Maybrit Illner in der Mediathek des ZDF.