Berlin. Was haben der Münsteraner „Tatort“ und die Sat.1-Serie „Mila“ gemeinsam? Nichts! Ein Überblick über die Quoten im Fernsehjahr 2015.

Die Reise durch das Fernsehjahr 2015 bringt sowohl gescheiterte Serienversuche als auch nicht absolute Dauerbrenner. Der TV-Krimi „Tatort“ ist einfach nicht kleinzukriegen. Dafür sind am Ende des Jahres die weniger einprägsamen Show-Experimente der vergangenen Monate schon fast vergessen. Wir liefern eine Übersicht über die Glanz- und Tiefpunkte des ausklingenden Fernsehjahres 2015.

• Das waren die größten Fernseh-Tops 2015

Ungeschlagen: der„Tatort“ aus Münster. Fast alle „Tatort“-Krimis erreichen Länderspiel-Niveau, aber das Schauspieler-Duo Axel Prahl und Jan Josef Liefers heben sich vom Rest der ARD-Ermittler ab. Mit 13,63 Millionen Zuschauern verbesserten die beiden am 8. November in der Folge „Schwanengesang“ noch einmal ihren eigenen Rekord.

Die historische ARD-Serie „Weissensee“ um das Ostberlin vor und um die Wendezeit bewies bei ihrer kompakten Ausstrahlung Ende September, dass Qualitätsfernsehen und Publikumsinteresse nicht im Widerspruch stehen müssen. Fast fünf Millionen Zuschauer sahen jede Folge.

„Promi Big Brother“: Mit dem Container für halbwegs bekannte Celebritys hat Sat.1 eine Marke geschaffen, die beim TV-Publikum und in den sozialen Netzwerken Gesprächsstoff liefert, auch wenn der Sieger der Show fast wieder vergessen ist. War es David Odonkor?

So befremdlich es noch für manchen klingen mag: Deutschlands erfolgreichste TV-Show ist „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“. Im Januar lockte die Dschungel-Reality-Show gut sieben Millionen Zuschauer täglich vor die Bildschirme. Und das im Zeitalter digitaler Vereinzelung. Respekt für RTL und Haudegen wie Walter Freiwald und Maren Gilzer.

Ein Überraschungserfolg für Sat.1 war „Das große Backen“. Zu Sendebeginn kümmerte es sonntagnachmittags im Herbst kaum jemanden, bis plötzlich ganz antizyklisch die Sendung von Mal zu Mal immer mehr Freunde gewann. Sie endete am 8. November mit beachtlichen 2,5 Millionen Zuschauern. Allerdings kein Vergleich zum englischen Parallel-Format, das zum Finale mehr als 13 Millionen sahen.

Der ZDF-Zweiteiler „Tod eines Mädchens“ war mit 7,18 und 8,02 Millionen Zuschauer Anfang Februar fast „Tatort“-reif. Während er bei den Zuschauern gut angenommen wurde, war er bei den Kritikern nicht ganz so prominent angesiedelt – zumindest weniger als etwa der Dreiteiler „Tannbach“, der ebenfalls im ZDF zwischen sechs und sieben Millionen Zuschauer erreichte.

Keineswegs massenattraktiv, aber hoch beachtet: „Neo Magazin Royale“. Was Jan Böhmermann im Netz für Gesprächsstoff erzeugt, ist aller Ehren wert. Die Note eins und viel Applaus verdiente er sich mit der Behauptung, den ausgestreckten Mittelfinger von Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis in einen Film hineinmanipuliert zu haben, den Günther Jauch in seinem ARD-Talk vor Millionen zeigte.

Jan Böhmermann sorgt regelmäßig für Gesprächsstoff im Internet.
Jan Böhmermann sorgt regelmäßig für Gesprächsstoff im Internet. © ZDF und Ben Knabe | Ben Knabe

Für den Münchener Privatsender RTL II war die Doku-Soap „Daniela Katzenberger – Mit Lucas im Babyglück“ mit 1,82 Millionen Zuschauer ein beachtlicher Erfolg. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Blondine als Hauptfigur zuletzt bei Vox mit ihrer Selbstvermarktungssoap keine Fortune hatte.

Ausgezeichnet, und zwar zweimal: „Sing meinen Song“ und „Grill den Henssler“ bescherten dem Vox-Chefredakteur Kai Sturm und seinem Sender einen Bambi bei der Verleihung im November. Beide Showformate sind zwar nicht aus diesem Jahr, aber mit steter Akzeptanz beachtet.

Noch einmal Vox: Aus der Nische heraus hat der Kölner Privatsender mit „Der Club der roten Bänder“ die erste eigenproduzierte Serie hervorgezaubert. Sie bestand bei Kritikern und dem Publikum (etwa 2,5 Millionen bislang pro Folge) gleichermaßen.

• Das waren die größten Fernseh-Flops 2015

Der nicht freiwillige Abschied von Moderator Andy Borg vom „Musikantenstadl“ geriet zu einer öffentlichen Inszenierung seines Grolls. Die Neuauflage, die ARD-„Stadlshow“ mit Francine Jordi und Alexander Mazza, bedeutete im September mit knapp 2,5 Millionen Zuschauern das Tief in der Geschichte des Volksmusikklassikers.

RTL II im Jahr 2000: Millionen feiern die Mädchenband No Angels. Und heute, 15 Jahre später? „Popstars“ will niemand mehr sehen. Die Band Leandah kennt kaum jemand. Die Castingshow gehört endgültig in die Mottenkiste des Fernsehens, das Publikum lehnte sie ab.

1,46 Millionen Zuschauer für das Showfinale von „Got to Dance“ ist ein Wert, der unter der kritischen Grenze liegt. ProSieben sollte andere Ansprüche haben. Moderatorin Palina Rojinski, einst eine große Zukunftshoffnung, hatte auch mit ihrer Show „The Big Surprise“ und dem Format „Inside Hongkong – Unterwegs mit Palina“ kein Glück.

Ebenfalls eine Riesenenttäuschung: „Die Band“. Wer dachte, dass Samu Haber allein ein Castingformat trägt, sah sich getäuscht. Wie der extrovertierte Finne eine neue Musiker-Kombo bilden wollte, interessierte außerhalb von ProSieben niemanden. Haber verließ auch „The Voice of Germany“.

„Stern Crime“: Der Stern ging auf und gleich wieder unter. RTL sendete am 1. Oktober nur eine Ausgabe des TV-Magazins rund um Kriminalität, das nach dem gleichnamigen Printprodukt bezeichnet wurde. 1,69 Millionen Zuschauer reichen nicht – Fortsetzung ungewiss.

Sat.1 verband große Erwartungen mit der neuen Vorabendserie „Mila“. Doch nichts funktionierte. Nach wenigen Tagen wurde das Liebe-Suchspiel mit Susan Sideropoulos abgesetzt, das anschließende Magazin auch, ebenso die Abendserie „Frauenherzen“.

„Newtopia“ war noch so ein Sat.1-Rückschlag. Eine kleine Schar sogenannter Pioniere sollte eine eigene Welt in einer Scheune bei Berlin aufziehen. Es lief alles gut an, dann sanken die Quoten, Regie-Manipulationen wurden aufgedeckt, das Publikumsvertrauen schwand – und letztlich war „Newtopia“ nur noch Utopie.

Auch ein Serienimport aus Österreich floppte. „Vorstadtweiber“, eine Art alpine Version der „Desperate Housewives“, wollte nicht zünden. Ob es wohl am ARD-Publikum und seinen konventionellem Geschmacksnerven lag?

Die alpine Version der „Desperate Housewives“ wollte das ARD-Publikum nicht sehen, „Vorstadtweiber“ floppte.
Die alpine Version der „Desperate Housewives“ wollte das ARD-Publikum nicht sehen, „Vorstadtweiber“ floppte. © dpa | Herbert Neubauer

„Wer wird Millionär?“ selbst war eigentlich kein Flop. Aber eine Kandidatin floppte grandios: Die 20-jährige Tanja Fuß überwand im Juni nicht die simple 50-Euro-Frage: „Seit jeher haben die meisten A) Dober Männer B) Cocker Spaniels C) Schäfer Hunde D) Riesen Schnauzer.“ C) war richtig, Fuß fiel auf null Euro.

„Rach und die Restaurantgründer“: Mit Kulinar-Shows Quote machen – dafür hatte das ZDF 2014 den TV-Koch Christian Rach von RTL geholt. Doch alle Sendungen mit Rach wollten nicht klappen. Zuletzt „Rach und die Restaurantgründer“. Jetzt ist er wieder bei RTL.

Eine große Serienenttäuschung war „Männer – Alles auf Anfang“. Der Mann, das Rumpelstilzchenwesen. Wenn ihn die Frau sitzenlässt, muss er eine Männer-WG gründen. Der Klamauk war zu konstruiert, das RTL-Publikum mochte nicht so recht hinschauen.

Der ZDF-Versuch, dem brennendsten Thema der Gegenwart mit „Menschen auf der Flucht“ ein abendfüllendes Sendegefäß mit Johannes B. Kerner im Studio zu geben, glückte nicht. Kritiker sprachen von Planlosigkeit, gar von Chaos. 2,17 Millionen Zuschauer waren die Quittung. (dpa)