Berlin. „Menschen bei Maischberger“ wollte die ganz großen Fragen des Jahres klären. Dazu kam es nicht. Stattdessen gab es: Eine steile These.

2015 war ein Jahr der Krisen. Eurokrise, Flüchtlingskrise, Bedrohung durch islamistischen Terror, dazu eine Gesellschaft, die sich bei diesen Themen spaltet – in sogenannte Gutmenschen am einen Ende der Skala und Rechtsradikale am anderen. Frühestens in zehn Jahren könne man ermessen, wie tief die Einschnitte seien, die 2015 gebracht habe, meinte am Dienstagabend Sandra Maischberger in der letzten „Menschen bei Maischberger“-Ausgabe am alten Sendeplatz (künftig ist die Sendung am Mittwoch zu sehen). Nicht ohne von ihren Gästen sogleich einzufordern, genau das doch bitte schon jetzt zu beurteilen.

Als „Das Quartett der Querdenker“ war der ARD-Talk angekündigt, dieses Motto mit Leben füllen sollten die Publizistin Alice Schwarzer, Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, Ex-CDU-Politiker Heiner Geißler und Fernsehmoderator Thomas Gottschalk. Ja, ganz recht, Thomas Gottschalk. Während die anderen Gäste in der Vergangenheit durchaus dadurch auffielen, unbequem zu sein, verstand sich der Moderator bisher ganz gut darauf, gar keine Position zu beziehen. Und so sah sich Maischberger gleich zu Beginn genötigt, einen der Gründe für Gottschalks Einladung zu nennen: „Sie haben jetzt das Rentenalter erreicht.“ Achso.

Mehr Streit als gemeinsame Erkenntnisse

Welche Lehren müssen wir aus 2015 ziehen? Das war die Frage, auf die die Gäste Antworten finden sollten. Es dürfte wenig überraschen, dass ihnen das nur bedingt gelungen ist. Einigkeit bestand zwar bei der Geißler-These, dass der heutige Terrorismus so gefährlich ist, weil er Nationalismus und Religion kombiniere – und dadurch attraktiv werde, weil er dem Leben so auf verquere Weise Sinn verleihe. Und auch Gottschalks Behauptung, die ganze Welt sei heute in Geiselhaft, überall sei man in Alarmbereitschaft, widersprach niemand. Spannender allerdings waren die Streitpunkte der Talk-Runde.

Ist der Islamische Staat militärisch zu besiegen?

Der ehemalige Bundesminister Geißler hat dazu eine klare Meinung: „Der Versuch, den Islamischen Staat militärisch zu besiegen, ist der richtige Weg.“ Unterstützung bekam er vom Grünen Cohn-Bendit: „Solange es noch Kräfte gibt, die sich dem IS in den Ländern entgegenstellen, sollte man versuchen, ihn mit Bombardierung zu begrenzen.“ Feministin Schwarzer gab allerdings zu bedenken, dass bei allen Bombenangriffen 70 bis 80 Prozent der Toten Zivilisten seien. „Die Schuldigen sind längst wieder woanders.“

Wie gelingt Integration?

In Cohn-Bendits Augen braucht es dafür vor allem eins: viel Geld. Man müsse investieren, in Schulen, Lehrer, einen Einwanderungs- und Integrationsplan erarbeiten, kurz: „Die Bedingungen schaffen, dass Integration klappt.“ Schwarzer hingegen sieht auch die Migranten in der Pflicht: „Ich erwarte mehr von den Islamverbänden als nur zu sagen, ‘das hat nichts mit dem Islam zu tun’. Sie müssen endlich ihre rückwärtsgewandte Politik aufgeben!“ Man müsse es ihnen gar vorleben, wie es in Deutschland laufe. „Dann müssen wir aber auch Pegida an die Hand nehmen“, warf Cohn-Bendit ein.

Wie ernst muss man welche Ängste nehmen?

Die Rolle der Pegida-Versteherin hatte Schwarzer inne. Sie hat bemerkt: „Wir neigen in diesem Land wieder zu Denkverboten“ – und forderte, dass man die Ängste der Leute ernst nehmen und mit ihnen reden müsse. Das mit dem Reden fand Geißler auch, nur anders: „Man muss laut und deutlich sagen: ‘Was ihr redet, ist Mist.’“ Und weiter: „Es gibt begründete und unbegründete Ängste. Die einzige begründete Angst ist die Todesangst. Angst vor Fremden nicht.“

Fehlt es der Gesellschaft an Zusammenhalt?

Gegen Ende der Diskussion wollte Sandra Maischberger offenbar Thomas Gottschalk noch etwas mehr Redezeit gönnen. Denn plötzlich schlug sie einen Bogen von Pegida zu „Wetten, dass..?“. Ob es ein Problem sei, dass es kein gemeinsames Kaminfeuer mehr gebe, dass alle Menschen vor dem Fernseher vereint? Schon, befand Gottschalk. Was man in der Show veranstaltet habe, seien zwar Luftblasen gewesen, trotzdem habe es immer „ein integratives Moment“ gegeben. Pegida als Symptom des „Wetten, dass..?“-Niedergangs? Wenigstens eine steile These an diesem Abend.