Berlin. Sie war die prollige Chantal in „Fack ju Göhte“. Jetzt wird Jella Haase mit 23 Jahren die jüngste „Tatort“-Kommissarin aller Zeiten.

Sie ist erst 23 und hat schon in zwei der erfolgreichsten deutschen Filme mitgespielt: In „Fack ju Göhte“und „Fack ju Göhte 2“. Sie spielte diese Kaugummi kauende Prollgöre von der Straße. Manche könnte so ein Sensationserfolg aus der Bahn tragen. Nicht so Jella Haase.

„Ich wach jetzt nicht auf und denke: Ich habe in zwei Hits mitgespielt.“ Man rutsche halt da rein, auf einmal sei das so. „Für mich ist das etwas Abstraktes. Das ist nicht greifbar, das sind nur Zahlen.“

Erstes Angebot war eine Hauptrolle

Es ist jetzt nicht so, dass wir zum Interview eine Proll-Chantal erwartet hätten. Und doch: So selbstbewusst, wie sie uns in einem Berliner Hotel entgegentritt, so abgeklärt, wie sie die Fragen beantwortet, das würde man einer so jungen Frau nicht unbedingt zutrauen. Manchmal klingt sie beinahe altklug, wäre da nicht gleichzeitig diese einnehmende, herzerfrischende Art.

Zum Schauspiel sie die geborene Neuköllnerin durch reinen Zufall gekommen. Eigentlich, erzählt sie, wollte sie ja in der Musikschule ein Instrument spielen lernen. Sie habe da jedes Instrument ausprobiert, aber nichts habe gepasst. Das klingt noch ganz chantalmäßig. Stattdessen hat sie da aber von einer Theatergruppe in Neukölln gehört. Und da sie, wie sie offen bekundet, „schon immer eine gewisse Spielwut“ in sich trug, ging sie da hin. „Als ich 15 war, dachte ich, was andere können, kann ich auch. Und bin zu einer Agentur gegangen.“ Und wurde sofort angenommen.

Gleich das erste Angebot war eine Hauptrolle, im Fernsehfilm „Mama kommt!“ Es folgten Serien, dann „Lollipop Monster“ und „Kriegerin“, für die sie, mit 19, beim Bayerischen Filmpreis als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet wurde. Und dann kam „Göhte“.

Haase will kürzer treten

Jetzt ist sie gleich mit zwei Filmen zu sehen: Seit vergangenen Donnerstag läuft „4 Könige“, ein Jugenddrama in einer psychiatrischen Einrichtung. Und ab kommenden Donnerstag ist sie auch mit einer kleinen Rolle in „Heidi“ dabei Unterschiedlicher könnten die Rollen nicht sein. Dabei liegen Filme, die an Extreme gehen, und Figuren, die sich am Rand der Gesellschaft bewegen, Jella Haase mehr. Das fordert sie heraus.

Alwara Höfels (spielt die Ermittlerin Karin Gorniak), Karin Hanczewski (Ermittlerin Henni Sieland) und Jella Haase (Polizeianwärterin Maria Mohr) im neuen „Tatort“ aus Dresden.
Alwara Höfels (spielt die Ermittlerin Karin Gorniak), Karin Hanczewski (Ermittlerin Henni Sieland) und Jella Haase (Polizeianwärterin Maria Mohr) im neuen „Tatort“ aus Dresden. © imago/Andreas Weihs | imago stock&people

Und das, obwohl sie nie Schauspielunterricht genommen hat. Wo nimmt sie das nur alles her? „Das ist schon sehr viel Intuition, viel aus dem Bauch“, sagt sie.

Gerade hat sie sechs Filme hintereinander gedreht, mit vielen extremen Szenen. Da habe sich ihre Spielfreude erschöpft. Auch ihre Lust am Reisen. Ein sicheres Zeichen, dass sie auf die Bremse treten müsse. Beim letzten Film, „Looping“, habe sie erstmals richtige Alpträume gehabt. „Da war so eine hohe Emotionalität, mein Unterbewusstsein hat ganz fiese Dinge mit mir angestellt.“ Das hat sie sehr erschrocken. Da muss sie sich, das weiß sie, eine Distanz aufbauen, Schauspieltechniken aufbauen. Als Schutzmaßnahme.

Vielleicht, damit kokettiert sie jetzt, aber ein wenig Ernst steckt schon dahinter, mache sie ja bald was ganz anderes. Sie könnte sich vorstellen, mit Kindern zu arbeiten. Würde sich auch gern weiterbilden. Sie hätte sehr viele Ideen. Aber es läuft halt grade so gut. Sie genießt das und macht weiter. Nur mehr Pausen will sie sich setzen. Und keine Chantal-Rollen mehr! Auch wenn die ihr natürlich angeboten werden.

Jüngste „Tatort“-Ermittlerin aller Zeiten

Stattdessen macht sie jetzt im zugfähigsten Schlachtross des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit, im „Tatort“. Das Höchste, was man hierzulande einem Schauspieler anbieten kann. In dem neuen, ersten Team aus Dresden spielt sie neben Alwara Höfels, Karin Hanczewski und Martin Brambach eine Kommissarin mit dem etwas symbolhaften Namen Maria Magdalena Mohr. Im grassierenden Jugendwahn, der derzeit beim „Tatort“ herrscht, wird sie die jüngste Ermittlerin aller Zeiten – nach Aylin Tezel (2012) und Mit-„Kriegerin“ Alina Levshin (2013).

Sie empfindet es natürlich als „totale Ehre“, beim „Tatort“ mitzumachen. Wo die Serie doch auch bei ihr fest zum Sonntagabend gehört. Aber auch da bleibt sie ganz nüchtern: Andere unterschreiben in einem solchen Fall einen Vertrag für zwei Jahre. Jella Haase weiß aber gar nicht, ob ihr so eine Serienfigur wirklich liegt. Deshalb hat sie erst mal nur für eine Folge zugesagt, „Auf einen Schlag“, die bereits abgedreht ist und im März 2016 ausgestrahlt werden soll.

Und dann? Mal sehen. „Vielleicht will ich ja mal abhauen für ein Jahr und auf Reisen gehen“, sagt sie. „Jedenfalls möchte ich mich nicht festlegen.“

Und sie sei sehr dankbar, dass ihre Sicht auch so akzeptiert wurde. Ganz schön cool für eine 23-Jährige.