Berlin. Die Talkrunde bei Jauch diskutiert über den Terror in Europa und den Umgang mit dem IS. Die beste Figur macht dabei Jürgen Todenhöfer.

Tage im Zeichen des Terrors: Seit den Anschlägen von Paris herrscht in Frankreich der Ausnahmezustand – und auch Deutschland ist in erhöhter Alarmbereitschaft: Das Fußball-Länderspiel in Hannover wurde abgesagt, täglich gibt es Polizeieinsätze aufgrund von Terrorwarnungen. Obwohl sich Politik und Gesellschaft der Bedrohung nicht beugen wollen, haben viele Menschen Angst vor weiteren islamistischen Anschlägen.

Wie sicher sind wir vor Terroranschlägen? Kann es einen hundertprozentigen Schutz überhaupt geben – und wenn ja, um welchen Preis? Wie gehen wir mit der Bedrohung um? Darüber sprach Günther Jauch am Sonntagabend im Ersten mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich, Stefan Aust, Autor und Herausgeber von „Welt N24“, und dem Journalisten Jürgen Todenhöfer.

Streitbare Position in Flüchtlingsfrage

Die beiden Kontrapunkte hatten sich schnell gefunden: RAF-Experte Aust auf der einen Seite, der den Scharfmacher gab und gleich zu Beginn der deutschen Kanzlerin Angela Merkel unterstellte, weder die aktuelle Lage noch ihre Regierung im Griff zu haben. Und sich mit seiner Bemerkung, der ungehinderte Zustrom der Flüchtlinge würde zur Destabilisierung beitragen, keine Freunde machte. „Wenn die Grenzen weiter offen sind, kann nichts kontrolliert werden.“ Eine militärische Unterstützung im Kampf gegen den Islamischen Staat wollte Aust als probates Mittel nicht ausschließen.

Todenhöfer positionierte sich entschieden gegen diese Vermischung der Flüchtlingsproblematik mit der des Terrors. Der ehemalige Politiker hatte in diesem Jahr mit einem Buch über den IS Aufmerksamkeit erregt, den er zehn Tage lang zusammen mit seinem Sohn begleitete. „Ein Bodenkrieg gegen die westlichen Länder, vor allem die Amerikaner, ist der große Traum des IS.“ Die Antiterrorpolitik der EU sei falsch. „Haben wir den Terrorismus nicht erst gesät?“, fragte Todenhöfer und spielte damit auf den Einmarsch der Amerikaner nach den Anschlägen vom 11.September 2001 an. Hollande habe nun auch mit Bomben geantwortet. Stromleitungen, Krankenhäuser und Unschuldige getroffen. Dadurch würde nur neuer Terror geschürt.

„Realpolitik ist manchmal widerlich“

Einigkeit herrschte weitgehend darüber, dass die Prävention ein entscheidender Punkt sein müsse, um die Zahl der „Gefährder“ in Deutschland zu minimieren. Immerhin 426 Islamisten seien derzeit hier als solche zu klassifizieren. Für Mikich seien schärfere Grenzkontrollen nicht der entscheidende Punkt. Wenn Uniformierte das Bild in Deutschland prägen würden, sei das ein Erfolg für den IS. Und konkret? Sie riet an, auch mit eher unbequemen Partnern wie Syriens Machthaber Assad oder Russlands Präsident Putin zu verhandeln, um die Probleme Stück für Stück in den Griff zu bekommen. „Realpolitik ist manchmal widerlich.“

Todenhöfer sprach aus seiner langjährigen Erfahrung im Umgang mit Sympathisanten des sogenannten Islamischen Staates. Waffenexporte aus Saudi-Arabien an Terrorristen müssten verhindert, die Grenze zwischen der Türkei und dem IS zugemacht werden. Und vor allem müssten die unterdrückten Sunniten im Irak und Syrien besser integriert werden, dann wäre der IS erledigt, da ihnen der Nachwuchs ausginge. „Das ist zehn Mal besser als jeder Krieg.“ Und da war er mit dieser Aussage plötzlich ganz nah bei RAF-Experte Aust, der das Ende der Roten Armee Fraktion daran festmachte, dass das Umfeld der Sympathisanten ausgetrocknet sei und die Terrorgruppierung daran am Ende zu Grunde gegangen sei.

Herrmann fordert erneut Schutz der EU-Außengrenzen

CSU-Politiker Herrmann blieb recht blass in seiner erwartbaren Rolle. „Wir müssen für sichere Grenzen sorgen. Der Schutz der Außengrenzen der EU funktioniert nicht, deshalb müssen wir das an der deutschen Grenze machen.“ Die Bedrohung für Deutschland sei real, auch wenn Frankreich und die USA vielleicht noch mehr im Fokus stünden.

Doch es war Todenhöfer, der die Diskussionsrunde fesselnd machte. Nicht viele Journalisten trauen sich, was er auf sich nahm, um einen direkten Eindruck von der Struktur des IS zu bekommen. Mit einer am Ende bitteren Erkenntnis: „Die Kämpfer des IS sind verlorene Seelen, gehirngewaschen, reine Werkzeuge. Mit Reden ist ihnen nicht beizukommen.“