Berlin. Was ändern die Terroranschläge von Paris? Wenig bei „Hart aber fair“ – vor allem ohne denjenigen, der vorher die Debatte befeuert hat.

Ändern die Anschläge von Paris alles? Mit Markus Söder (CSU) war zu „Hart aber fair“ am Montag der Mann angekündigt, der das wenige Stunden nach den Attentaten am Samstag so verkündet und mit der Flüchtlingsdebatte verknüpft hatte. „Alles“? Es hätte spannend werden können: Muss der forsche Finanzminister aus Bayern in der Sendung „Terror gegen die Freiheit – Wie verteidigen wir unsere Werte?“ sich selbst als Angreifer auf unsere Werte verteidigen? Doch Söder ließ sich entschuldigen und durch Kabinettskollegin Ilse Aigner (50) vertreten. Die polarisiert längst nicht so wie Söder, Gastgeber Frank Plasberg sah in ihr den anderen Teil der Arbeitsteilung in der CSU: die präsidiale Haltung. Und so wurde es eine Sendung, die gegensätzliche Auffassungen zeigte, Überraschungen bot, aber keine harten Konfrontationen.

Riskierte keine dicke Lippe: Markus Söder, nicht bei  hart aber fair.
Riskierte keine dicke Lippe: Markus Söder, nicht bei hart aber fair. © REUTERS | LEONHARD FOEGER

Der Terror und die Flüchtlinge: Die Themen darf man nicht vermengen, war die Ausgangsthese von Plasberg. Und Aigner bekräftigte das noch und fing Söder gleich mit ein: „Man muss die Diskussionen trennen“, berichtete sie von einem Treffen, „wie waren uns da einig, und da war Herr Söder dabei.“ In der Sendung ging es dann aber immer wieder hin und her.

Der starke Staat und die Symbole: Plötzlich geht es um Burka – oder doch um Niqab? Ums Kopftuch? Die Begriffe fliegen durcheinander, als Plasberg nach einem Symbol fragt, dass der starke Staat seinen Bürgern vielleicht bieten solle. Es ist Huber, der das am deutlichsten bejaht, der offenes Visier anmahnt, während Schwan darauf verweist, dass ein Symbol keinen Wert hat, wenn es vor Gerichten nicht bestehen wird. Den frühere Focus- und Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer ficht das nicht an: Wieso solle der Staat nicht gegen die Burka vorgehen? „Es ist ja auch nicht erlaubt, nackt herumzulaufen, obwohl manche Menschen das wollen.“ Am Ende der Sendung hat er einen anderen Vorschlag: „Wir müssen auch sagen, wir dulden Hassprediger nicht.“

Ilse Aigner, mit Halstuch in den französischen Farben, wie sie eingangs betonte.
Ilse Aigner, mit Halstuch in den französischen Farben, wie sie eingangs betonte. © Hart aber fair | ARD

Der Weihnachtsmarkt und die Grenzen: Wollen die Menschen lieber an Grenzen warten und dafür sicher über Weihnachtsmärkte gehen? Ilse Aigner schaffte es, in einem Satz das unkontrollierte Einsickern von IS-Terroristen im Zug der Flüchtlinge zu fürchten, gegen einen Zaun zu sein und Kontrollen an Übergangspunkten, wie es sie früher gab, als taugliches Mittel anzusehen. Keiner fragt sie an dieser Stelle, ob Terroristen dann wirklich am Schlagbaum auf Abfertigung warten. Publizist Wolfram Weimer sieht eine Zäsur in der Migrationsdebatte. Weil die Ängste der Bevölkerung größer würden, gehe die Phase des „Wir schaffen das“ zu Ende und es beginne eine „Wir schützen das“-Rhetorik.

Gesine Schwan.
Gesine Schwan. © Hart aber fair | ARD

Doch den vollkommenen Schutz gibt es nicht, wendet Markus Kaim ein, Sicherheitsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Abgeriegelte Grenzen bedeuteten nicht, den Terror draußen zu haben. Diese Gleichung geht nicht auf.“ Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin und zweifache Kandidatin der SPD fürs Bundespräsidentenamt, sieht die Brutstätten des Terrors in ghettoähnlichen Siedlungen im Land. Und wenn Terroristen ins Land wollten, würden sie andere Wege finden, sagt sie. Es wird der Fall des über den Balkan eingereisten und mehrfach registrierten Terroristen eingespielt – und keiner kann daraus richtig Schlüsse ziehen. Wie wichtig eine funktionierende Registrierung der Flüchtlinge ist, stellt aber keiner in Frage.

Wolfgang Huber.
Wolfgang Huber. © Hart aber fair | ARD

Der Bischof und der Krieg: Wolfgang Huber, früherer Bischof von Berlin und Brandenburg und einstiger Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche, ist der, der auf die Frage nach Krieg gegen IS zwar mit sich ringt, aber nach vorne drängt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, diese Art der Gewaltausübung ohne Gegengewalt zu beenden“, antwortet er. Der frühere Focus- und Cicero-Chefredakteur Weimer ist es, der daraufhin zu Besonnenheit mahnt. „Krieg ist, was der IS will.“ Und Ilse Aigner setzt den Konflikt in den großen Kontext: Ohne die Regionalmächte geht es nicht, ohne Russland auch nicht. „Alleine mit Luftschlägen wird man das Problem nicht lösen.“ Mit dieser Strategie sei seit einem Jahr nichts erreicht worden, stimmt Sicherheitsexperte Kaim zu. Er sagt: „Wenn man ISIS ernsthaft ausschalten will, führt der Weg am Bodenkrieg nicht vorbei.“

Die Sendung und die Werte: Um die geht es auch hin und wieder. Am deutlichsten, als Bischof Huber auf die Pegida-Demonstrationen zu sprechen kommt: „Menschen, die in Dresden mit Galgen demonstrieren, empfinde ich genauso weit von unseren Werten weg wie Muslime, die gewaltbereit sind.“ Er warnt davor, sich spalten zu lassen: „Nach Frankreich gehen die Terroristen, weil das schon eine gespaltene Gesellschaft ist, weil sie es dort leichter haben, die Spaltung tiefer zu treiben.“ Weimer greift Söders „alles“ auf: „Wir sollten uns nicht alles ändern lassen, das will der Terrorist, das will ISIS.“ Eine neue Gelegenheit, die Söder-Frage zu beantworten, gibt es übrigens schon am Dienstagabend, 22.45 Uhr: „Ändert Paris wirklich alles?“, fragt Sandra Maischberger.

Ilse Aigner und Wolfram Weimer hören Markus Kaim zu.
Ilse Aigner und Wolfram Weimer hören Markus Kaim zu. © Hart aber fair | ARD

Die Hoffnung und die Ernüchterung: Es hätte ein so schönes Schlusswort sein können, was Weimer sagt: In 150 Jahren habe der Terror sich noch nie durchgesetzt. „Die Zivilgesellschaften sind stärker.“ Doch dann antwortet Sicherheitsexperte Kaim: Erstmals habe eine Terrorgruppe einen Geltungsanspruch für ein Gebiet. „Das sollte uns demütig sein lassen bei der Frage, wir werden uns damit noch länger herumschlagen müssen als uns lieb ist.“

Das Schlusswort nimmt sich Ilse Aigner: Sie dankt den Sicherheitskräften. Daran sollte sich nichts ändern.