Berlin. Der Berliner „Tatort“-Ermittler Robert Karow hat Sex mit einem Mann. In der Krimi-Serie noch immer eine Ausnahme. Warum eigentlich?

Die Sensation fand nach etwas mehr als 70 von 90 Minuten statt. Oder ist das alles nicht der Rede wert? Millionen Fernsehzuschauer haben am Sonntagabend im Berlin-„Tatort“ im Ersten gesehen, wie sich Ermittler Robert Karow (gespielt von Mark Waschke) beim Ausgehen anmachen lässt und einen Mann mit zu sich nimmt. Sex gab es zwar nicht zu sehen, aber filmsprachlich die Zigarette danach am frühen Morgen auf dem Balkon.

Ist das jetzt der von Kollegen und manchen Krimifans lange erwartete erste schwule „Tatort“-Kommissar?

Karow lässt sich in keine Schublade stecken

Die zuständie Redakteurin kann die Frage nicht beantowrten. „Es gibt keine Antwort auf diese Frage“, sagt Josephine Schröder-Zebralla, beim RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) verantwortlich für den „Tatort“. „Robert Karow ist flirrend und rätselhaft, und so bleibt auch die Frage nach seiner sexuellen Ausrichtung ein Geheimnis.“

Im Fall „Ätzend“ sehen die Zuschauer zwar, wie Karow einen Mann aus einer Bar mit in seine Wohnung nimmt. „Aber sie erfahren auch, dass Karow ein Verhältnis mit der Frau seines früheren Partners Maihack hatte“,sagt Schröder-Zebralla. Robert Karow lässt sich in keine Schublade stecken. „Wem sein Herz gehört, wird sich herausstellen.“ Der Schauspieler Mark Waschke ist im wirklichen Leben verheiratet ist und hat eine Tochter.

Einige Tatort-Darsteller sprechen sich längts für einen schwulen Kommissar aus

François Werner von der Experten-Seite „Tatort-Fundus.de“ meint: „Auch wenn die sexuelle Orientierung der Ermittler nicht wichtig für den Kriminalfall in einer „Tatort“-Folge ist, finde ich es gut, dass es diesen neuen Farbtupfer bei den derzeit aktiven Ermittlerfiguren gibt.“ Schon Götz George habe 1991 in einem „Spiegel“-Interview gesagt, dass sein Schimanski ruhig hätte schwul werden können im Verlauf der vielen Fälle, um Abwechslung in den „Tatort“ zu bringen. „Jetzt ist ein Sender diesem Ruf gefolgt – ohne Not zwar, aber doch auch der deutschen Lebenswirklichkeit folgend.“

Erst vor einigen Monaten, als in einem Münster-„Tatort“ die beiden Ermittler vorgaukelten, ein schwules Pärchen zu sein, sprachen sich Beteiligte der Krimireihe – darunter die Münster-Stars Axel Prahl und Jan Josef Liefers – für einen schwulen Ermittler aus. Der Schweizer Stefan Gubser (Luzern) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ damals: „Ein schwuler Kommissar würde dem „Tatort“ sicherlich eine neue Farbe verleihen, und das kann nie schaden.“

Der „Polizeiruf 110“ ist da schon weiter

Im Jahr 2001 küsste mal Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) im Krimi „Fette Krieger“ eine andere Frau. Doch sonst? Bisher gibt es als homosexuelle „Tatort“-Ermittler nur Liz Ritschard (gespielt von Delia Mayer) in Luzern sowie Andeutungen beim neuen Kölner Assistenten Tobias Reisser (Patrick Abozen). In der „Tatort“-Schwesterreihe „Polizeiruf 110“ ist man da schon weiter: Da verabschiedete sich immerhin Kommissar Jochen Drexler (Sylvester Groth) vor kurzem in seiner letzten Folge mit einem Coming-out. Sein Liebhaber starb.

Schwule Serienfiguren sind an sich in Deutschland keine Neuheit. Es gibt oder gab sie unter anderem in der „Lindenstraße“, bei „Verbotene Liebe“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Auch in den Krimiserien „SK Kölsch“ (mit Christian Maria Goebel) und „Mit Herz und Handschellen“ (mit Henning Baum) bei Sat.1 kamen sie schon vor vielen Jahren vor.

Doch im ARD-„Tatort“ – sozusagen der Nationalmannschaft unter den Fernsehformaten – bleibt die schwule Seite einer Hauptfigur vorerst noch ein „Geheimnis“. (dpa)