Berlin. Nach den Attacken in Paris sind sich Jauchs Talk-Gäste einig, sich nicht einschüchtern zu lassen. Schutz vor Terror gäbe es aber nicht.

“Ich sterbe jetzt, hoffentlich tut es nicht weh und geht schnell.“ Das waren die Gedanken, die Thomas Schmitz durch den Kopf gingen, als er sich am Freitagabend zusammen mit seiner Frau Julia ein Rock-Konzert in der Pariser Konzerthalle Bataclan anschaute und die Terroristen auf sich zukommen sah. Doch das deutsche Ehepaar entkam den Attentätern, überlebte den Anschlag und fand sich nur 48 Stunden später bei Günther Jauch ein, der am Sonntagabend im Ersten mit den beiden Augenzeugen und seinen Gästen aus Politik und Medien über die Ereignisse in Paris sprach.

Julia und Thomas Schmitz aus Köln, die die Anschläge in Paris überlebten, in der ARD-Talkreihe Günther Jauch. Thema war:
Julia und Thomas Schmitz aus Köln, die die Anschläge in Paris überlebten, in der ARD-Talkreihe Günther Jauch. Thema war: "Der Terror von Paris ? Was ist unsere Antwort?". © dpa | Paul Zinken

Der zehnminütige Prolog gehörte völlig zurecht einzig den beiden deutschen Parisurlaubern, die dem Tod in Gesicht geblickt hatten. Das Ehepaar schilderte ihre Situation relativ gefasst: Sie hätten Glück gehabt, denn sie saßen im Bataclan im Oberrang und konnten sich mit etwa 30 anderen Zuschauern in einen Backstageraum zurückziehen, den sie „mit einem Kühlschrank und einem Sofa“ barrikadierten.

„Wir haben das Ausmaß anfangs gar nicht gemerkt, ich dachte nur, so hört es sich im Fernsehen nicht an, wenn es gefährlich wird“, berichtete Julia Schmitz. Nach etwa drei Stunden trauten sie sich, den Raum zu öffnen und wurden von der Polizei über Wege eskortiert, die von „toten Körpern gepflastert waren“. Kleinkriegen lassen wollen sie sich von den Terroristen nicht, von Reisen wie dieser nach Paris würden sie sich auch in Zukunft nicht abhalten lassen.

Was ist die Antwort auf die Anschläge von Paris?

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Wir lassen uns nicht in die Knie zwingen.“
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Wir lassen uns nicht in die Knie zwingen.“ © dpa | Paul Zinken

Genau in diese Kerbe schlugen auch Jauchs fünf weitere Gäste in den verbliebenen 50 Minuten des Polit-Talks. „Wir lassen uns davon nicht in die Knie zwingen“, proklamierte Martin Schulz (SPD), der Präsident des Europäischen Parlaments. Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekräftigte, dass es das Wichtigste sei, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern „aufzustehen, und sich aufrecht dagegen zu wehren.“ Da waren sich alle einig. Nicht jedoch bei der Frage, die im Zentrum der Sendung stehen sollte: Was denn nun die Antwort auf die Anschläge von Paris sein soll. Zumindest den Königsweg konnte keiner aufzeichnen.

Von der Leyen sprach sich dagegen aus, den Bündnisfall auszurufen, so wie es nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA geschehen war. Das Wort „Krieg“ verstehe sie zwar aus Sicht der Franzosen, wolle sich aber lieber raushalten. Abzuwarten und mit größtmöglicher Besonnenheit vorzugehen sei die richtige Strategie.Schließlich habe man mit der bisherigen Politik gegen den Islamischen Staat Erfolge erzielt. Und auf der Syrien-Konferenz in Wien sei ein vielversprechender Fahrplan für die Zukunft entwickelt worden.

Syrischer Pass wahrscheinlich gefälscht

Bei Jauch bekräftigte von der Leyen ihren Eindruck, dass der syrische Pass, der bei einem der toten Attentäter in Paris gefunden wurde, gefälscht sein könnte. Es sei „sehr ungewöhnlich, dass sich ein Flüchtling bewusst in drei Ländern registrieren lässt“, sagte Leyen mit Blick auf das fragliche Dokument. „Es kann durchaus sein, dass da eine falsche Fährte gelegt wurde – bewusst.“

Im September hatte der holländische Journalist Harald Doornbos gezeigt, wie einfach es sein kann, einen gefälschten Pass zu organisieren. Er hatte nur 40 Stunden gebraucht, um in Aleppo für 825 Dollar an einen falschen Pass zu kommen. Der Pass zeigt das Fotos des niederländischen Premierministers Marc Rutte.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Georg Mascolo zeigte sich pessimistisch

Ulrich Wickert: „Wie kann der IS weiter Millionen durch Öl verdienen?“
Ulrich Wickert: „Wie kann der IS weiter Millionen durch Öl verdienen?“ © dpa | Paul Zinken

Den von der Verteidigungsministerin als vielversprechend bezeichneten Fahrplan wies der ehemalige Tagesthemen-Moderator und Autor Ulrich Wickert jedoch als „utopisch“ zurück. „Wie kann es sein, dass der IS jeden Tag 1,4 Millionen Euro durch den Verkauf von Öl und Waffen einnimmt?“ Da liege eines der Hauptprobleme. Der Journalist Georg Mascolo (NDR, WDR, SZ) zeigte sich durchweg pessimistisch, dass es überhaupt eine zufriedenstellende Antwort auf den Terrorismus der heutigen Zeit geben könne. Es drohe der völlige Zerfall der zivilisierten Ordnung. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass militärische Intervention nicht viel bringt, nicht einzugreifen macht jedoch auch nicht viel Hoffnung.“

Diese konnte auch der dritte Journalist unter den Gästen nicht aussprechen. Jaafar Abdul Karim (u.a. Deutsche Welle“) recherchierte nach den Anschlägen vor Ort und begab sich dafür in einen muslimisch geprägten Stadtteil von Paris. Seine Erkenntnis: Junge Muslime fühlen sich unter Generalverdacht, dagegen seien sie genauso Opfer wie alle anderen auch.

„Terror gehört zu den Lebensrisiken des 21. Jahrhunderts“

Immerhin in einem Punkt hatten alle Gäste eine klare Antwort, und zwar auf den Twitter-Post von CSU-Politiker Markus Söder, der unter dem Hashtag „ParisAttacks“ schrieb: „Das ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen.“ Frankreich-Experte Wickert nannte ihn „verantwortungslos“ und machte deutlich, dass fast alle Attentäter der letzten Jahre in Frankreich Franzosen waren, die nach Syrien gingen und zurück kamen. „Das waren niemals Flüchtlinge.“ Schulz ermahnte EU-Länder wie Polen und Ungarn, die sich ihrer Verantwortung bewusst werden und sich solidarischer verhalten müssten, dann wären die Flüchtlingsströme auch in den Griff zu bekommen. Doch Lösungen für ein baldiges Ende des Terrors hat auch er nicht: „Einen totalen Schutz gibt es nicht. Terror gehört zu den Lebensrisiken des 21. Jahrhunderts.“ (mit dpa)