Mainz. Das ZDF stellt provozierende Fragen zur Flüchtlingskrise, denen man so deutlich selten in Medien begegnet. Geantwortet wird mit Fakten.

Kein Tag, an dem Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, die zu Tausenden über die deutschen Grenzen drängen, nicht im Mittelpunkt der Nachrichten stehen. Allein das ZDF hat – nach eigener Angabe – in den letzten vier Monaten schon in über 500 aktuellen Sendungen darüber berichtet. Am Dienstagabend widmet sich die Dokumentationssendung „ZDFzeit“ sogar 45 Minuten lang zur besten Sendezeit ausschließlich diesem Thema, indem sie nach den Folgen des Ansturms fragt. Schon deshalb ist die Dokumentation von Mona Botros, Gesine Müller und Utta Seidenspinner unbedingt sehenswert: Sie bringt Details, die man so geballt und konkret sonst nur selten hört.

Sendung stellt provozierende Fragen

Die Kakofonie der Meinungen und Bewertungen, die sich sonst tagtäglich über öffentliche und soziale Medien verbreitet, spitzen die erfahrenen TV-Journalistinnen – alle drei sind ehemalige „Spiegel-TV“-Autorinnen – zu provozierenden Fragen zu, die ihrem Film Struktur und Form geben. Das sind die typischen Fragen, die seit Wochen das ganze Land beschäftigen und alle Parteien spalten: Schaffen wir das? Können wir uns das leisten? Wen wollen wir haben?

Die gelieferten Antworten – jede Menge Daten und frische Emnid-Zahlen sowie sachkundige Auskünfte von beteiligten Praktikern, die stets unmittelbar mit der Lösung der Flüchtlingskrise befasst sind – sind geeignet, die Diskussion zu versachlichen. Schnelle Lösungen kann es sowieso nicht geben. Der Film zeigt, wie vielschichtig die Herausforderungen sind, die der Ansturm der Tausenden ins Land bringt – und ob sich die Investition von Staat und Gesellschaft überhaupt jemals auszahlen kann.

Bilder sind bewusst emotional aufgeladen

Natürlich sind die genutzten Bilder bewusst emotional aufgeladen, wenn sie beispielsweise zeigen, was passiert, wenn in der malerischen Idylle des Luftkurortes Sasbachwalden im Schwarzwald statt zahlender Touristen nunmehr Busladungen an Flüchtenden ankommen. Da schwappen die Gefühle, Ängste und Vorurteile ähnlich über wie in einer ostdeutschen Plattenbausiedlung, in deren Mitte plötzlich ein Containerbau gesetzt wird.

In einer solch aufgeheizten Stimmung gibt der Film viele klare Antworten auf die Fragen: Bekommt ein Flüchtling mehr Geld als ein Hartz-IV-Bezieher? Nein, etwa zehn Prozent weniger. Wie kann der Staat uns vor kriminellen Einwanderern schützen? BKA- und Polizeibeamte haben aufwendige Techniken, um Passfälscher zu entlarven.

Animationen eher überflüssig

Nur die Animation, die zwischendurch einmal den typischen Asylbewerber als geschlechtsneutrales Piktogramm zeigt, hätten sie sich sparen können. Denn so schlicht wie der Cartoon ist die Situation schon nach eigener Darstellung nicht. Und der Versuch, mit herabregnenden Kalenderblättern zu erklären, wie lang dieser Zeitraum ist, ist auch eher banal.

Fazit: Mit einer Fülle an Fakten zeigt die Reportage, wie vielschichtig die Herausforderungen sind, die der Ansturm der Flüchtlinge mit sich bringt. Und wie komplex die Lösungen sind, um zu einer Normalität zu gelangen.

Dienstag, 10. November 2015, ZDF, 20.15 Uhr