Facebook, Instagram & Co.

Förderprogramm: Wie dpa die Medien retten möchte

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Jens Meyer-Wellmann
Das Team des „Next Media Accelerator“ (v. l.): Nico Lumma, Jenni Schwanenberg, Dirk Herzbach und Meinolf Ellers

Das Team des „Next Media Accelerator“ (v. l.): Nico Lumma, Jenni Schwanenberg, Dirk Herzbach und Meinolf Ellers

Foto: Christian Charisius / obs

Mit einem neuen System der Förderung hilft die Agentur Start-ups bei der Suche nach für die Branche dringend nötigen Innovationen.

Hamburg.  Klar, am besten wäre es, wenn das nächste Facebook oder Instagram oder WhatsApp aus Hamburg käme. Das „next big thing“ der digitalen Welt, oder wie es unter deutschen Internet-Leuten etwas schnöde heißt: der „neue heiße Scheiß“. Das kann aber natürlich niemand verordnen. Politik und Wirtschaft können nur versuchen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Kreativität gedeiht, in dem es genug Befruchtung und Freiheit und den Mut zum bisweilen irren Herumprobieren gibt – ein Biotop also, in dem kleine junge Firmen, die Start-ups, wachsen und gedeihen. Neben den Förderungen, die es bereits gibt, soll es in Hamburg vom August an, ein ganz neues System der Start-up-Förderung geben, den „Next Media Accelerator“.

Der Neue-Medien-Beschleuniger hat ein keinesfalls bescheidenes Ziel: Er soll die Suche nach dem „rettenden großen Ding“ für die Medien unterstützen. Denn bis heute gibt es kein tragfähiges Modell, mit dem etwa Zeitungsredaktionen ihre Arbeit im Internet refinanzieren können.

20 Jahre sei es jetzt her, dass die ersten Zeitungen online gegangen seien, sagt Meinolf Ellers, Chef von dpa-Infocom, einer Tochter der Deutschen Presse-Agentur, die das Projekt angestoßen hat. Aber immer noch täten sich viele Medienhäuser mit der digitalen Veränderung schwer. Als Gesellschaft mit Teilhabern aus der Medienbranche habe dpa natürlich großes Interesse daran, dass Journalismus auch künftig funktioniere. Also sei er mit Kollegen 2013 ins Silicon Valley gefahren, habe Google und all die anderen großen Spieler besucht und sei auch auf Matter VC gestoßen, einen „Accelerator“, in dem Start-ups gezielt gefördert werden. Das nahmen sich Ellers und seine Kollegen zur Inspiration – und riefen mit politischer Unterstützung des Senats das eigene Programm ins Leben.

Das Prinzip des Hamburger Accelerators ist simpel: Zehn Unternehmen aus der Medienbranche, eins davon dpa, zahlen jeweils 200.000 Euro in einen Fonds. Mit den insgesamt zwei Millionen Euro sollen dann vom August an für zwei Jahre insgesamt 20 mediennahe Start-ups aus ganz Europa in Hamburg gefördert werden. Es gibt insgesamt vier „Klassen“ à fünf Start-ups, die jeweils für sechs Monate nach Hamburg kommen. Pro Start-up können zwei bis drei Personen teilnehmen. Sie nutzen gemeinsam eigene Räumlichkeiten und Ausstattung im betahaus im Schanzenviertel, werden vom Team des Accelerators betreut – und „Sponsoren“ wie Amazon, Google, Twitter oder Facebook und andere geben bei Bedarf ebenfalls Hilfestellung oder stellen Zugänge zum eigenen System zur Verfügung.

Für diesen Service müssen die Start-ups einen dreiprozentigen Anteil an ihrem jungen Unternehmen an den Accelerator abtreten. Start-ups, die zugleich eine Finanzierung benötigen, können 25.000 Euro für sechs Monate bekommen und müssen dafür fünf Prozent Firmenanteile abtreten. Für die Maximalförderung von 50.000 Euro sind zehn Prozent abzutreten.

Chief Executive Officer (CEO) des Next Media Accelerators ist Dirk Herzbach, der bereits für Unternehmen wie ImmobilienScout24 und E.on Accelerator-Programme aufbaute. Als Chief Operating Officer (COO) wurde mit Nico Lumma einer der umtriebigsten deutschen Internet-Experten gewonnen. Beide sollen den Start-ups helfen, ihre Produkte schnell an den Markt zu bringen. dpa-Infocom Geschäftsführer Ellers soll für den Wissenstransfer zwischen der Produktentwicklung der Start-ups einerseits und den Gesellschaftern des Accelerators und der dpa andererseits sorgen. Komplettiert wird das Team von Jenni Schwanenberg.

Junge mediennahe Unternehmen aus ganz Europa können sich noch bis 15. Juli unter www.nma.vc bewerben. Kurssprache ist, wie in der Branche üblich, Englisch. CEO Dirk Herzbach geht von mehreren Hundert Bewerbungen aus.

Wichtige Auswahlkriterien seien die technischen Fähigkeiten, die Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden, auch das Verständnis für kaufmännische Belange und Vertrieb. „Außerdem sollte das Team schon länger zusammenarbeiten“, so Herzbach. Mögliche Ergebnisse könnten in den Bereichen „Monetarisierung von Inhalten“, mobile Anwendungen, aber auch in interessanten Neu-Entwicklungen für den Werbemarkt liegen.

Auch Hamburg hat etwas von dem Projekt – den Zuzug kluger Köpfe

Natürlich versprechen sich auch die Unternehmen, die den Fonds finanzieren, einen relevanten Output. Zum einen hätten sie den ersten Zugriff auf für sie nützliche Anwendungen. Zudem könnte unter den geförderten Start-ups ja auch das vielzitierte „Einhorn“ sein – das Facebook von morgen. Die an den Accelerator übertragenen Unternehmensanteile wären dann sehr schnell sehr viel wert.

Letztlich hat auch Hamburg etwas von dem Projekt – nämlich den Zuzug kluger Köpfe. „Denn das ist doch klar“, so Nico Lumma. „Wer einmal in Hamburg war, der will auch hierbleiben.“

Infos unter www.nma.vc

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