Vom Wilden Westen zum Virtuellen Westen, Sommerreise durchs Silicon Valley, Teil 3: Arbeit muss hart sein? Nur in Deutschland! An der US-Westküste soll sie auch schmecken.

San Francisco/Soma. South of Market in San Francisco. Früher gab es in diesem Stadtteil – direkt am Wasser der Bay gelegen - eine Fülle von Lagerhallen. Die gibt es immer noch – jetzt aber virtuell. Ich bin zu Gast bei Dropbox, einem der größten virtuellen Lager für Daten weltweit. Über 300 Millionen Menschen und vier Millionen Unternehmen nutzen Dropbox, um Fotos, Dokumente zu lagern, zu verwalten und zu verteilen. 2007 erst wechselte das Unternehmen von Boston nach San Francisco – die ersten Geschäftsräume bestanden aus einem Appartement mit zwei Schlafzimmern.

Die Zeiten haben sich geändert. Inspirierende Loft-Etagen und deutlich mehr Menschen sind jetzt an Bord. Und genau dies ist mittlerweile im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Herausforderung: Die begrenzte Anzahl brillanter Köpfe so zu umgarnen, dass sie im eigenen Unternehmen anheuern – und nicht beim Wettbewerber.

Neben vielen Annehmlichkeiten in Sachen Sport, Freizeit bietet Dropbox eine Kantine, die legendär ist. Obwohl Kantine ja schon das falsche Wort ist, hat es bei uns in Deutschland doch den Beigeschmack von „Ich geh_ draußen essen...“ . Hier heißt es „Tuckshop“ und wird vom gebürtigen Briten Brian Mattingly geleitet. Einem Koch, der in Sterneküchen gelernt hat, zuvor Chefkoch bei Apple und Google war. Sein Ziel ist es, die Innovationskraft des Unternehmens kulinarisch vorzubereiten und den Techis gutes, gesundes Essen mit auf den Weg zu geben.

Frühstück, Mittagessen und Abendessen gibt es – die Speisekarte hat sich seit Mattinglys Start im Unternehmen nicht einmal wiederholt. Er sieht das Unternehmens-Restaurant als perfekten Weg, die Kommunikation und Zusammenarbeit zu fördern. Lust sich Appetit zu holen? Dann schauen Sie sich doch mal auf der Facebookseite des Tuckshops um.

Drei Mahlzeiten pro Tag bietet auch quixey.com, eine Suchmaschine für Apps mit Sitz auf der Hauptstraße von Mountain View, der Castro Street. Mitten in dieser Fressmeile zwischen China-Food und Gyrosbude fällt ein Schaufenster auf, in dem an einer Wäscheleine aufgehängt vakante Jobs hängen. Und gleich auch die Vorteile, die einen bei Einstellung erwarten: alternative koschere oder vegane Küche, Yogaklassen, freie Auswahl an Computer-Hardware und (für amerikanische Verhältnisse besonders) eine umfassende Krankenversicherung für die gesamte Familie.

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Natürlich soll auch das Umfeld stimmen – innovatives Interieur soll die kreativen Zellen befeuern. Google ermöglicht es seinen Mitarbeitern, in komplett anderen Bürowelten zu arbeiten – Abwechslung, Inspiration und Spaß inklusive. Da sieht ein Meetingraum schnell mal aus wie das Innenleben eines Airbus. Unter kalifornischer Sonne wird aber auch draußen konferiert. Auf dem Google Campus in Mountain View entdecke ich ein Konferenzfahrrad, die ich in Deutschland bisher nur in Zusammenhang mit Vatertagstouren beobachtet habe. Hier bei Google können auf dem Bike sieben Kollegen Platz nehmen und ihre Innovationsfreude in Bewegung bringen. Helm aufsetzen nicht vergessen!

Viele deutsche Firmen scheinen sich mit solchen Ideen immer noch schwer zu tun – schließlich sind wir so programmiert, dass Arbeit hart sein muss. Dabei sollte gerade viel Arbeit leicht sein und Spaß machen – wie der Erfolg dieser jungen Unternehmen beweist. Alles schön, Yoga, Kaffeemaschine etcetera, meint Jason Aiken, Produktmanager bei 99designs.com, den ich in San Francisco besuche. Für ihn sind das mittlerweile nur noch Grundlagen. Vielmehr gehe es den Leuten heute darum, etwas Bedeutendes zu tun. Das Leben der Menschen zu verändern.

99designs bringt Auftraggeber und Designer zusammen, vermittelt Designaufgaben wie zum Beispiel Logo-Designs. Er berichtet von Auftraggebern, für die das Logo der Beginn eines unternehmerischen Erfolges war. Oder über die Vermittlung eines Jobs an einen Designer in Indonesien, der zunächst noch aus einem Internetcafe arbeitete, sich vom ersten Geld einen Computer kaufen konnte und später dann sogar von seinem Verdienst den Eltern ein Haus schenken konnte.

An solchen Geschichten beteiligt zu sein, etwas Bedeutendes zu tun, das sei geeignet, gute Leute an ein Unternehmen zu binden, meint Jason. Aber ist das alles innovativ? Die Umsetzung ja, die Idee selbst ist es nicht. Bereits in den 1930er Jahren sorgte Walt Disney – ein Steve Jobs seiner Zeit - in seinem Unternehmen dafür, dass es seinen Mitarbeitern gut geht – auf das sich die Kreativität entfalte. Er brachte die besten Architekten und Designer der Zeit zusammen, um ein lebendiges Arbeitsumfeld zu schaffen.

Eine Klimaanlage – für damalige Verhältnisse eine Besonderheit – wurde installiert. Um seine Leute zu inspirieren, etablierte er Trainingsprogramme, lud spannende Persönlichkeiten zu Vorträgen ein – und es gab einen Firmen eigenen Golfcourt. Sein Ziel war es, das ohne Druck entspannt gearbeitet werden kann. Man konnte stolz sein und sich sicher fühlen, erinnern sich Zeitzeugen in einem Video, das man sich im Disney Familiy Museum San Francisco anschauen kann.

Von wem man sich jetzt inspirieren lassen möchte – Dropbox oder Disney – ist eigentlich egal. Manchmal können alte Ideen neues Leben in die Bude bringen. Und wenn die Bude dann auch noch von Stararchitekt Sir Norman Foster gebaut wird – wie jetzt gerade am 1, Facebook Way (die Adresse „1601 Willow Road“ in Menlo Park gleich gegenüber der derzeitigen Baustelle war wohl zu profan geworden), ist das ja auch von Vorteil. Wer wohnt und arbeitet nicht gerne schön?

Gerriet Danz ist Innovationsexperte und Hamburger aus Leidenschaft. Im Silicon Valley erforscht er die Innovationskultur erfolgreicher Unternehmen und aufstrebender Startups. Danz ist außerdem Lehrbeauftragter an der Steinbeis Hochschule Berlin, Mitglied der German Speakers Association (GSA) und der Global Speakers Federation (GSF). Er berät Unternehmen und Institutionen wie z.B. das Europäische Patentamt.