Das renommierte Frauenmagazin “Brigitte“ hat einen neuen Chef: Stephan Schäfer ist der Hoffnungsträger im Haus G+J.

Mit dem Wissen von heute liest sich das Editorial der aktuellen Ausgabe der Frauenzeitschrift "Brigitte" beinahe wehmütig, wie ein Abschiedslied. Zu den Refrains des Lebens gehöre es, "sich weiterzuentwickeln, etwas Neues anzufangen, mal die Tonfolge zu ändern", schreiben die Chefredakteure Andreas Lebert und Brigitte Hubert anlässlich des neuen Heftdesigns.

Die wesentlichere Veränderung des Blattes stand zu diesem Zeitpunkt noch bevor - zumindest offiziell: Gestern wurde bekannt, dass Chefredakteur Lebert das Magazin nach zehn Jahren an der Spitze verlässt. Auf ihn folgt Stephan Schäfer, das neue Wunderkind im Hamburger Verlagshaus.

"Allzweckwaffe" nennen ihn Leute, die ihm weniger gut gesinnt sind; für andere ist er der "Multi-Chefredakteur". Fest steht: Nach den Titeln "Schöner Wohnen", "Essen & Trinken", "Häuser" und "Couch", die Schäfer bereits leitet, übernimmt er mit der "Brigitte" nicht nur die Führung beim fünften Magazin - sondern auch bei einem der G+J-Flagschiffe. Die "Brigitte", die seit bald 60 Jahren erscheint, ist nicht nur die auflagenstärkste unter den 14-tägigen Frauenzeitschriften, sie ist auch die bekannteste, die renommierteste. Die "Brigitte"-Diät ist ein feststehender Begriff; wenn das Heft Jubiläum feiert oder eine modelfreie Zukunft beschließt, berichten die deutschen Feuilletons geschlossen.

Und diese Zeitschrift will Schäfer quasi nebenbei leiten? Pflegt das Nachrichtenmagazin "Stern" im selben Haus seit Jahren die Doppelspitze, verhält es sich im Fall Schäfer scheinbar umgekehrt: Einer für alles. Laut Pressestelle will sich Schäfer ganz auf seine neuen Aufgaben bei der "Brigitte" konzentrieren. Zu seinem Erfolgsrezept gehöre auch, dass er auf eine "starke zweite Ebene" setze. Bedeutet: Er baut stellvertretende Chefredakteure auf, denen er viel Handlungsspielraum lässt und die das jeweilige Magazin weitgehend unabhängig steuern können. Bei der "Brigitte" steht ihm Brigitte Hubert gleichberechtigt zur Seite. Co-Chefredakteurin war sie bereits in der Ära Lebert, öffentlich wahrgenommen wurde ihre Funktion weniger. Fraglich, ob sich das mit dem neuen starken Mann im Hause G+J ändern wird.

+++ Andreas Lebert gibt die Chefredaktion der "Brigitte" ab +++

Was G+J-Verlagsgeschäftsführerin Julia Jäkel an dem 38 Jahre alten Schäfer vor allem schätzt, liegt auf der Hand: Seine Zahlen sprechen für sich. Schäfer kann nicht nur bei der "E&T" einen stetigen Auflagenzuwachs verbuchen; auch die bis dahin schwächelnde "Schöner Wohnen" hat er wieder auf Erfolgskurs gebracht. Seit seiner Übernahme des Wohnmagazins im Herbst 2009 hat sich der Verkauf am Kiosk um durchschnittlich 34 Prozent gesteigert. Die Foodzeitschrift wuchs im Einzelverkauf seit dem Führungswechsel Anfang 2011 um durchschnittlich 28 Prozent.

Kein Wunder, dass in der Branche bereits seit Wochen geflüstert wurde, Schäfer könne der Hoffnungsträger sein, der die "Brigitte" vor weiterem Auflagenverlust bewahrt. Vorbei sind die Zeiten, als die Frauenzeitschrift die Milliongrenze bei der weiblichen Leserschaft knackte. Aber lag die Auflage 2007 noch bei weit über 700 000 verkauften Heften, melden die letzten IVW-Zahlen lediglich rund 600 000. Bislang wird dieser Verlust durch Ableger wie "Brigitte Woman", "Brigitte Balance" und "Brigitte Mom" aufgefangen - Special-Interest-Magazine, die sich an eine kleinere Zielgruppe wenden. Langfristig aber stand in der Verlagsgeschäftsführung fest: Ein neues Rezept für die "Brigitte" musste her. Das Rezept heißt Stephan Schäfer.

Schäfer hat bis 2008 die Frauenzeitschrift "Maxi" (Bauer-Verlag) geleitet, 2009 wechselte er zu G+J, brachte mit dem Auflagenzuwachs bei den genannten Magazinen auch die Innovation "Couch" an den Markt, eine Art "InStyle" mit Sesseln. Es funktionierte. "Ich muss nicht durchs ganze Land rennen, um den idealen Chefredakteur zu suchen, wenn ich ihn im eigenen Haus in meinem Team habe", sagt Verlagsgeschäftsführerin Jäkel dem Abendblatt. Und in der Tat: Könnte man sich den idealen "Brigitte"-Chefredakteur backen, seine Vita wäre in etwa die von Schäfer: mit Mode- und Beautyerfahrung gestählt, themensicher in den Bereichen Food, Living und Gesellschaft.

Beim Abschied des im Verlag überaus beliebten Andreas Lebert sollen am Dienstag bei einigen Mitarbeitern Tränen geflossen sein. Auch Jäkel findet mehr als nur die üblichen Floskeln für den geschätzten Kollegen. Wohin es Lebert zieht, ist bislang nicht bekannt. "Tiefenentspannt" sei er an seinem letzten Arbeitstag jedoch gewesen, heißt es aus Verlagskreisen. Wohin es Stephan Schäfer mit der "Brigitte" drängt, dürfte indes klar sein: zurück zum Leuchtturm unter den Frauenmagazinen. Eine Mitarbeiterin hat das Phänomen Schäfer einmal so beschrieben: "In Zeiten, in denen überall Anzeigen wegbrechen, kriegt Stephan Schäfer seine Hefte immer voll." Keine schlechte Voraussetzung für den neuen Job.