Die Kulturetage im Neuen Forum der Großen Bergstraße wurde eröffnet. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 2,4 Millionen Euro.

Hamburg. Künstlerhaus ist beileibe nicht gleich Künstlerhaus. In anderen Atelier-Zentren tobt gern der kreative Wahnsinn durchs Durcheinander, Ordnung ist dort ein eher theoretisch bekanntes Daseinsprinzip, an das man sich halten kann, aber nicht muss. In der Kulturetage Altona hat alles seine Ordnung.

+++Kommentar: Kunst belebt das Geschäft?+++

Es gibt durchgestylte Namensschilder an den verschlossenen Ateliertüren, es gibt sogar, als wäre man auf irgendeinem Großflughafen zwischen hier und Sydney, schicke Piktogramme für die Küche und die WCs. Schöne neue Kunstwelt im schönen Neuen Forum Altona, dort, wo die Neue Bergstraße nach jahrelangem Siechtum im Schatten eines Möbelhauses eine neue Blütezeit erleben soll. Dort, wo im Vorgänger-Forum die Off-Kultur wild schillernde Zwischennutzungs-Blüten trieb, bis der Auszug der Künstler aus dem Frappant-Gebäude in andere Adressen begann. Jetzt jedoch ist hier alles neu, proper - und wie die Luxusvariante einer Legebatterie für Kunstproduzenten wirkend. Gekünstelt statt künstlerisch.

Umso zwiespältiger ist dieser Eindruck, da sich bei der gestrigen feierlichen Eröffnung alle offiziellen Redner, darunter auch Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose, so sehr freuten, wie gut das alles für die Verwandlung und Belebung des Quartiers sein werde.

Der Gesamtpreis für die Einrichtung der "Kulturetage Altona" beträgt etwa 2,4 Millionen Euro, das Geld kommt aus Bundesfördermitteln sowie von Stadt und Bezirk. Mit etwa 100.000 Euro jährlich werden die Mieten für die Ateliers bezuschusst. So liegen sie bei etwa sechs Euro brutto pro Quadratmeter, Büroflächen sind für zwölf Euro brutto zu haben. Ähnlich schöne, penibel von der Stadt abgezählte Ateliers soll es in der Speicherstadt geben, genutzt von handverlesenen Künstlern.

In dieses Bild passte auch der Auftritt von Baudirektor Janos Brenner aus dem Berliner Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der bei diesem Projekt an der Großen Bergstraße von der "Revitalisierung eines innerstädtischen Bereichs" sprach und von der Dreifaltigkeit der "kreativen Innenstadt: Kultur, Kunst, Erlebnis". Gegen solche Floskeln wurden vor noch nicht allzu langer Zeit wütende Manifeste gegen die Vereinnahmung von Künstlern durch die Stadt verfasst. Auch wegen solcher Denkstrukturen wurde das Gängeviertel besetzt, gerettet - und letztlich unter Denkmalschutz gestellt.

Betrieben wird die Kulturetage von einem ehrgeizigen Verein, der für die Auswahl der Künstler zuständig ist und ihnen die unbefristeten Mietverträge gewährt. Etliche rührend engagierte Helfer im Hintergrund sorgen dafür, dass alles so läuft, wie es jetzt angelaufen ist. Die Galerie Kunstnah will die 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche in der ersten Etage betreiben und beleben, unter anderem durch Workshops und Aktionen für Schulklassen aus der Umgebung. Dahinter befinden sich die neun Ateliers, von 36 bis 135 Quadratmeter groß für zwei Dutzend Mieter. Publikumsmagnet soll das Café im Erdgeschoss sein. Doch dort hat man pünktlich zur Eröffnung die Sorge, wie man es zukünftig betreiben kann, da eine Maßnahmenkürzung der Sozialbehörde das Konzept konterkariert.

Für die Kulturbehörde kommentierte deren Sprecher Enno Isermann das Projekt: "Damit wird das Sanierungs- und Stadtumbaugebiet Große Bergstraße um eine kulturelle Nutzung bereichert. Nach der erfolgreichen kulturellen Zwischennutzung und dem notwendig gewordenen Umzug der dort angesiedelten Kreativszene ist es auch aus Sicht der Stadtentwicklung nur folgerichtig, dass hier neue Räume für die Kultur geschaffen wurden. Eine lebendige Stadt braucht Räume für Künstler und Kulturschaffende."

Das sehen die Betroffenen aus dem Vorgänger-Forum genauso, allerdings unter anderen Vorzeichen. Einer von ihnen ist der Musiker Heiner Metzger, Mitbetreiber der Blinzelbar, die ihren Platz damals räumen musste: "Das Gefühl, nun ist alles toll, kann ich nicht nachvollziehen", sagt er. Für ihn kam der angebotene Wiedereinzug ins Forum nie infrage. "Wir sollten wohl durch das Angebot befriedet werden." Aber Musik machen ginge dort nicht, in den ersten Stock ziehen, ohne Anbindung an die Straße, das ginge auch nicht. "Im stillen Kämmerchen kann ich überall arbeiten. Dafür muss ich dort nicht hin." Und bei den drei Buchstaben K, E und A für Kulturetage Altona fällt Metzger spontan ein: "Fehlt nur noch ein I. Dann hätten wir Ikea."