Das Altonaer Museum beleuchtet in der Ausstellung “Wunschlos! Glücklich?“ die Geschichte von Weihnachtsbriefen und Wunschzetteln.

Hamburg. Wie heißt es so schön im Märchen vom Froschkönig der Brüder Grimm: "Als das Wünschen noch geholfen hat." Wer denkt schon so weit, dass eine Wunscherfüllung selten zu dauerhaftem Glück führt. Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit spukt die positive Wunsch-Utopie in den Köpfen der Menschen herum - heute allerdings bevorzugt im Kontext von Begehrlichkeiten materieller Natur.

Dabei unterliegen Wünschende und Bewünschte über die Jahrhunderte zahlreichen Wechselfällen. Der kulturhistorischen Dimension handschriftlicher Weihnachts- und Neujahrswünsche widmet sich die nunmehr 20. Weihnachtsausstellung des Altonaer Museums, die vom 29. Oktober bis zum 9. Januar kommenden Jahres zum Besuch einlädt.

+++Es geht wieder aufwärts+++

Museumsdirektor Torkild Hinrichsen hat Exponate aus drei Jahrhun-derten zusammengetragen, ergänzt durch moderne Weihnachtsbriefe und Wunschzettel aus der Sammlung Alix Paulsen, die erstmals 2010 im Weihnachtshaus in Husum zu sehen waren. Ehrenamtliche Museumsmitarbeiter der Sütterlin-Gruppe haben die alten deutschen Schriften der Briefe in mühsamer Detailarbeit in heutige Typografie transkribiert. Die prächtig aufgemachten Wunschbriefe gelten als speziell norddeutsches, protestantisches Phänomen. Beginnend im ausgehenden Mittelalter, erreichte das Weihnachtsbriefwesen Ende des Jahres 1600 eine erste Blüte. Im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten sich die Weihnachtsbriefe zu aufwendig produzierten, mit Mitteln der Kalligrafie verschönerten Druckgrafiken. Der Text war meist vorformuliert und wurde von den Kindern nur noch handschriftlich vollendet. Die Druckgrafiken besaßen die Form eines kirchlichen Epitaphs. Die Vorderseite fungierte als eine Art Deckblatt und enthielt einen ornamentalen oder architektonischen Rahmen mit allegorischen oder biblischen Darstellungen und in Zeilen angelegter Schrift. Die Rückseite war ebenfalls opulent verziert und ließ wenig Raum für eine Verunstaltung durch die ungeübte kindliche Schreibhand.

Im aufklappbaren Inneren durften - oder vielmehr mussten - die Kinder dann, eingeleitet von einer prächtigen kalligrafischen Initiale, nicht etwa eigene Wünsche formulieren, sondern möglichst wortgewaltig den Eltern huldigen. "Das war ein Akt der Zwangshandlung, gesteuert von den Hauslehren oder den Stadtschullehrern", erläutert Torkild Hinrichsen. "Diese Wünsche formulierten auch nicht die Kinder selbst. Pastoren, Schullehrer und Kantoren dachten sich die möglichst frommen, pietistischen Texte aus."

Die Erzeuger wurden darin regelrecht zu Heiligen stilisiert. Artig bedankten sich die Kinder bei den Eltern dafür, dass sie ernährt werden und in Gottesfurcht aufwachsen dürfen. "Zu Dir erhebt sich heut' mein Flehen / Am schönsten Fest der Christenheit; / Du sollst auf das erhörend sehen, / Was Kindes Herz den Eltern weih't ...", steht da etwa zu lesen. Der gedruckte Anteil wurde im Laufe der Zeit immer größer, der persönliche Anteil immer kürzer. Das Ausfüllen des Bogens war zwar zunehmend keine Leistungsschau, doch die Pflicht, die Bögen möglichst unfallfrei in schönstgemalter Schrift ohne Tintenkleckse oder Verschreiben zu füllen, verursachte den Kindern vorweihnachtlichen Stress.

In einer extra eingerichteten Schreibwerkstatt laden die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Sütterlin-Gruppe die Ausstellungsbesucher dazu ein, sich wahlweise mit Griffel und Schwamm auf einer Schiefertafel oder mit Stahlfeder und Tintenfass einmal selbst an der Sütterlinschrift zu versuchen.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte und vereinnahmte die aufkommende Spielzeugindustrie das Briefwesen. Die christlichen Bildmotive wichen weltlichen, etwa dem bürgerlichen Weihnachtszimmer, dem Weihnachtsbaum, einem voll bepackten Weihnachtsmann oder einem Christkind samt Hilfsengeln. Kinder formulierten ihre Wünsche an den Weihnachtsmann oder das Christkind. Allerdings blieb es noch lange Zeit bei den Wünschen für die Eltern.

Später glichen die Briefe dann zunehmend Katalogen, vorgefertigten Wunschbögen zum Ankreuzen. Gipfelnd etwa in Exemplaren der Firma Lego in vorgemalten Bausteinfarben. "Das Habenwollen von Dingen beflügelte alles", erklärt Torkild Hinrichsen. "Weihnachten als Zeremoniell wurde immer flacher, eine Hülle, die sich beliebig füllen lässt." Das Ritual ließ sich vor jedem kulturellen Hintergrund ausführen. Auch Kinder mit türkischen Wurzeln formulierten Weihnachtsbriefe. Das Phänomen der Weihnachtspost bekamen auch die Orte zu spüren, die die Worte "Christ" oder "Himmel" im Namen trugen, wie etwa Himmelpforten im Landkreis Stade. Sie wurden zur Weihnachtszeit mit kindlichen Zuschriften überflutet. Mangels exakter Adresse rotierten die Briefe herum, bis sie an den Absender zurückgingen.

Bei der Post begriff man schnell, dass sich damit wunderbar für die eigene Sache werben lässt, und nahm sich des Themas professionell an. Zunächst pensionierte Postmeister und heute extra engagierte Helfer unterhalten spezielle Weihnachtspostämter und beantworten von Mitte November bis Mitte Dezember mehrere Hunderttausend Wunschbriefe. Denn es könnte ja helfen, das Wünschen.

Wunschlos! Glücklich? 29.10.2011 bis 9.1.2012 Altonaer Museum, Museumstraße 23, Di-Fr 10.00-17.00, Sa/So 10.00-18.00; www.altonaermuseum.de