Hamburg. In dem neuen Krimi „Vergiss den Tod“ wird im Hamburger Westen irrwitzig um das Vermögen einer dementen Witwe gekämpft.

Bei Empfehlungen für gute Kriminalromane gibt es vor allem ein Problem: Man möchte wiedergeben, worum es geht, aber gleichzeitig nicht zu viel preisgeben.

In dem neuen Krimi „Vergiss den Tod“ (Junius Verlag, 336 Seiten, 16 Euro) vom Autorenteam Peter Wenig und Prof. Hanns-Stephan Haas ereignet sich ein alles entscheidendes Desaster schon gleich am Anfang, sodass es hier verraten werden darf. Spannend bleibt das Buch trotzdem – von der ersten bis zur letzten Seite.

Neuer Krimi: Opfer stirbt bei einem Einparkunfall an der Waitzstraße

Die große Liebe von Fritz und Anna-Lena Benzow endet in einer Tragödie: Anna-Lena, an Alzheimer erkrankt, verwechselt vor einer Bäckerei an der Waitzstraße Gas und Bremse und verletzt ihren Mann, einen durch ein Kunststoff-Patent zu Reichtum gelangten Chemiker, tödlich.

„Das letzte, was Fritz Benzow, Doktor der Chemie, in seinem Leben roch, war der Duft von Käsekuchen“, heißt es dazu im Buch – ein nicht allzu grauslicher, mit makaberem Humor beschriebener Exitus also. In Schockstarre verfallen Leserinnen und Leser danach garantiert nicht, oder zumindest nicht lange. Denn kaum ist Fritz tot, nimmt die Handlung so stark Fahrt auf wie der SUV, mit dem die alte Dame ihren Gatten gegen das berstende Schaufenster gedrückt hatte.

Buch bietet eine Ansammlung skurriler Typen

Es beginnt ein geradezu irrwitziger, mörderischer Kampf um das Hab und Gut der reichen Nienstedtener Witwe, bei dem man zunächst kaum erkennen kann, wer gut und wer böse ist. Ein Pastor mit Haarausfall und Hochschulambitionen, ein gemeingefährlicher (und todkranker) Chemiker, eine rasende und reisende Kriegsberichterstatterin, ein habgieriger Ex- Gastwirt und ein pädophiler Anwalt sind nur einige der vielen skurrilen, gut gezeichneten Typen, die hier auftauchen.

Ihre Lebensgeschichten bilden in der Verbindung mit denen von Fritz und Anna-Lena ein schillerndes Mosaik. Obwohl man die ganze Zeit weiß, dass Fritz letztlich zu Tode kommen wird, lesen sich die Rückblicke auf sein Leben auf diese Weise uneingeschränkt faszinierend. Das gilt für das Mobbing im Wissenschaftsbetrieb durch den fiesen Chemiker Fiedler genauso wie für das Werben um Anna-Lena und den Eklat bei beider Hochzeit.

Autorenduo mit Kenntnissen über Demenz

Das ist aber nicht das einzig Bemerkenswerte an diesem Krimi. Vielmehr gelingt es Wenig und Haas, das Thema Demenz so geschickt in den Mittelpunkt zu stellen, dass Leserinnen und Leser gleichermaßen gefesselt und informiert werden.

Dass dabei nichts überzeichnet oder unglaubwürdig wirkt, hängt mit dem Hintergrundwissen der beiden Autoren zusammen: Peter Wenig, langjähriger Abendblatt-Redakteur, hat bereits den großen Hamburger Pflegeberater geschrieben, Hanns-Stephan Haas war als Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Stiftung Alsterdorf lange auch mit den Schicksalen dementer Menschen beschäftigt. Entsprechend kenntnisreich behandeln sie in ihrem Buch auch beispielsweise Themen wie Vormundschaft und Erbrecht.

Demente Menschen häufig Opfer von Betrügereien

Den neuen Krimi (336 S., 16 Euro) gibt es im Buchhandel und in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18 bis 32.
Den neuen Krimi (336 S., 16 Euro) gibt es im Buchhandel und in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18 bis 32. © Junius Verlag

Das Abendblatt traf Wenig und Haas am Elbufer – ganz in der Nähe der (natürlich fiktiven) Villa der Benzows. Beide steuern den Alten Schweden an – genau so, wie es im Buch der verzweifelte Fritz tut. „Am Alten Schweden setzte sich Benzow kurz in den Sand und grübelte. Was war mit seiner Frau los?“, heißt es dazu im Krimi. „Sie vergaß ständig etwas. Einkaufslisten Portemonnaie, Schlüssel.“ „Demente Menschen sind viel häufiger Opfer von Betrügereien als gemeinhin bekannt ist“, weiß Peter Wenig.

Es vergeht kaum eine Lesung des Autorenteams, bei der nicht jemand aus dem Publikum dazu eine leidvolle Geschichte aus dem Familien- oder Bekanntenkreis berichten kann. Faktisch beruht die erfundene Handlung von „Vergiss den Tod“ übrigens auf einer wahren Begebenheit, nämlich dem Schicksal einer an Demenz erkrankten Witwe aus dem Hamburger Raum, das Haas und Wenig in ihren beruflichen Funktionen aus nächster Nähe miterlebten.

Buch liest sich wie ein Gesellschaftsroman

Giftanschlag und Generationenkonflikt, Einparkunfall, Afghanistankrieg und sexuelle Nötigung – kaum ein Thema, das in diesem Krimi nicht angerissen wird, der sich dadurch stellenweise wie ein Gesellschaftsroman liest. Das hätte leicht zu einer überdrehten Farce werden können, zumal der Humor auch nicht zu kurz kommt.

Doch eines wollten Wenig und Haas eben nicht: ihre demenzkranke Protagonistin vorführen. Und in der Tat belassen sie Anna-Lena immer ihre Würde – auch wenn die Krankheit fortschreitet und die unerfreulichen Ereignisse geradezu auf die Witwe einprasseln.

Neue Krimi: Viele Hamburger Schauplätze

Im Buch gibt es viele Ortswechsel, auch (aber nicht nur) innerhalb von Hamburg. Die meisten Szenen spielen sich im Westen ab, einer Gegend, die den beiden Autoren vertraut ist. „Uns war klar, dass die Beschreibungen von tatsächlich existierenden Orten und Wegstrecken schon genau stimmen müssen“, sagt Haas, „Leserinnen und Leser würden Fehler ja sofort bemerken.“

Den Protagonisten auf ihren alles andere als geraden Wegen zu folgen, macht Spaß. Das Tempo bleibt dabei bis zum Schluss hoch – und die Stimmung ganz schön mörderisch. Ein Buch, das nun wahrlich nicht zum Vergessen ist. Das Buch „Vergiss den Tod“ ist im Junius Verlag erscheinen. Es hat 336 Seiten und kostet 16 Euro