Die Bestsellerverfilmung „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ mit Aylin Tezel ist so sprunghaft wie seine suchende Hauptfigur.
Zur Freiheit verdammt oder einfach nur unfähig sich festzulegen? Bei Mascha (Aylin Tezel) ist das nicht so klar, am allerwenigsten ihr selbst. Nomadisch sucht die 29-jährige zwischen Köln und Tel Aviv, zwischen Liebe und Freundschaft, den Traumata der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft einen Platz in der Welt.
Eine ganze Weile läuft sie nur vor sich und dem Leben davon. Dabei ist sie nicht auf den Mund gefallen, weder als angehende Dolmetscherin, die fünf Sprachen beherrscht, noch im Alltag angesichts des Rassismus, dem sie und ihr diverser Freundeskreis ausgesetzt sind.
Verschachtelt über mehrere Zeitebenen
Als kleines Mädchen war sie Mitte der 90-er mit ihrer Mutter von Aserbaidschan nach Deutschland gekommen, wie so viele jüdische Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Mittlerweile ist sie erwachsen, zumindest dem Alter nach, eine selbstbewusste junge Frau, die schlagfertig, kompromisslos und klug ist, aber auch ziemlich verloren. Und lange behauptet, Identität und Herkunft interessierten sie nicht. Von sich selbst redet sie ohnehin ungern.
So sprunghaft wie seine Protagonistin beginnt „Der Russe ist einer, der Birken liebt“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Olga Grjasnowa aus dem Jahr 2012. Da taucht in schnellen Schnitten ein Mann in Maschas Bett auf, im nächsten Bild ist es ein anderer, noch ein Schnitt und neben ihr liegt eine junge Frau.
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So setzt es sich fort über die nächsten 110 Minuten. Statt linear fortzuschreiten oder in klassischen Rückblenden vorzugehen, springt die Handlung verschachtelt und oft momenthaft zwischen den Zeitebenen: von der Beziehung mit ihrem Freund Elias (Slavko Popadic) und dessen schwerem Unfall zum Seitensprung mit ihrem Ex Sami (Bardo Böhlefeld) und der Reise nach Israel, nach Elias plötzlichem Tod, wo sie sich in die junge Soldatin Tal (Yuval Scharf) verknallt.
Sprunghaft erzählen: Der Kniff wird zur Masche
Beim Zuschauen dauert es zumindest ohne Kenntnis der Buchvorlage eine Weile, bis man sich zurechtfindet in diesen elliptisch versammelten Schnipseln, mit denen der Film versucht, die Orientierungslosigkeit und den Trauerprozess seiner Protagonistin in einen filmischen Ausdruck zu übertragen.
So eindrücklich dieser Kniff von der 1982 in Berlin geborenen Regisseurin Pola Beck und ihrem Drehbuchautor Burkhardt Wunderlich (der bereits ihr Langfilmdebüt „Am Himmel der Tag“ schrieb) ist, nicht brav ordentlich von A bis Z abzuhaken, so ermüdend wird er doch zur melodramatisch aufgeladenen Masche.
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Einige Szenen wirken unglaubwürdig und lediglich konstruiert, um eine Funktion zu erfüllen. Anderes wird zu sehr über Dialoge erzählt, statt es zu zeigen. Am ärgerlichsten ist allerdings die Nebenfigur des besten schwulen Freundes Cem, der immer dann auftaucht, wenn Mascha Hilfe und Trost braucht. Sohel Altan Gol spielt die undankbare Rolle mit großer Empathie und bewahrt sie davor, reiner Funktionsträger zu sein.
Den Film rettet am Ende halbwegs Hauptdarstellerin Aylin Tezel. Die Wahlberlinerin wirft sich mit intensiver Wucht und emotionaler Glaubwürdigkeit in diese ambivalente Figur und erweist sich einmal mehr als eine der spannendsten Schauspielerinnen ihrer Generation.
DramaD 2022 105 min., von Pola Beck, mit Aylin Tezel, Sohel Altan Gol, Slavko Popadic