Hamburg. Mit wenigen, fast zärtlichen Gesten führt Star-Dirigent Simon Rattle Chor und Orchester durch Bachs Johannes-Passion.

In dem hellen Viereck, das der Scheinwerfer aus vielleicht zwei Metern Höhe auf den Bühnenboden wirft, liegt ein Mann auf dem Bauch, die Augen verbunden, erschöpft von der Geißelung. Sein Peiniger beobachtet ihn mit katzenhafter Gespanntheit, dann robbt er an den Liegenden heran: „Redest du nicht mit mir?“, fragt er drohend. „Weißest du nicht, dass ich Macht habe, dich zu kreuzigen?“

Der andere erwidert: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben.“ Die Baritone Roderick Williams als Jesus und Georg Nigl als Pilatus flüstern diese Verhörszene aus Bachs „Johannes-Passion“ mehr, als dass sie singen. Und doch trägt die Akustik den intimen, erschütternden Moment in jeden Winkel im Großen Saal der Elbphilharmonie.