Im existenziellen Drama “Die Wand“ spielt Martina Gedeck eine Frau, die sich in der Einsamkeit der Berge verliert. Wie fühlt sich das an?

Sie ist eine der interessantesten deutschen Schauspielerinnen und zurzeit in einer ungewöhnlichen Kinorolle zu sehen: Martina Gedeck spielt in "Die Wand" nach dem Roman von Marlen Haushofer eine namenlose Frau, die in einer Gebirgsgegend von allen Menschen isoliert ist, nur ein paar Tiere sind bei ihr. Die gebürtige Münchnerin, die mit "Das Leben der Anderen" auch international bekannt wurde, spricht über die ungewöhnlichen Dreharbeiten, das Leben mit einem Regisseur und ihr Verhältnis zu Hamburg.

Hamburger Abendblatt: Guten Morgen, Frau Gedeck. Sind Sie Morgenmuffel?

Martina Gedeck: Ich stehe fast immer sehr früh auf, auch wenn ich es nicht muss. Ich liebe die Ruhe des Morgens.

In "Die Wand" spielen Sie eine Frau in der Einsamkeit der Berge. Sie genießt die Natur, ist andererseits aber auch deren Gefangene. Wie haben Sie diesen Widerspruch erlebt?

Gedeck: Komischerweise kann man sich beengt fühlen, wenn man in der Natur lebt. Sie hat etwas Bedrängendes, weil wir ihrer nicht Herr werden können. Deshalb zieht man sich auch gern in kleine Räume zurück, wenn man sich fürchtet oder es kalt ist. Von solchen Spannungen lebt diese Geschichte: Weite und Enge, Freiheit und Angst.

Darüber, wie es wäre, der letzte Mensch zu sein, haben Künstler schon oft nachgedacht, zum Beispiel in "Robinson Crusoe". Was ist daran so reizvoll?

Gedeck: Den Menschen begleitet die Urangst, dass er verlassen wird. Das geht schon dem Kleinkind so, auch wenn die Mutter nur ins nächste Zimmer geht. Das Kind weiß ja noch nicht, dass sie wiederkommt. Allein sind wir verloren. Der Film erzählt auch etwas über unsere Kultur und Zivilisation und über das, was wir verlieren könnten oder schon verloren haben. Und darüber, dass es sich womöglich lohnt, darum zu kämpfen, dass man nicht allein ist.

Wenn jemand so lange einen Film zu machen versucht wie Regisseur Julian Roman Pölsler und dann auf jemanden trifft, der sich Charaktere so intensiv erarbeitet wie Sie - knirscht es da am Set nicht auch manchmal?

Gedeck: Wir waren beide klug genug, das zu vermeiden. Wenn ein Regisseur bei so einem Projekt Probleme mit seiner Hauptdarstellerin hat, ist wirklich Land unter. Wenn ich zusage, wenn ich so ein Projekt will, muss ich hundertprozentig zum Regisseur stehen. Das ist ein bisschen wie auf hoher See. Aber zwischen uns gab es während der ganzen Zeit keine Differenzen, da wir künstlerisch ganz ähnlich empfinden.

Sie kennen die Sorgen und Nöte eines Regisseurs gut, weil Sie selbst mit einem leben, oder? Reden Sie mit Ihrem Freund Markus Imboden viel über das Geschäft, wenn Sie gemeinsam Zeit verbringen?

Gedeck: Am ersten gemeinsamen Tag eigentlich nicht. Wir müssen dann viel einkaufen, kochen und uns in die Arme nehmen. Wir haben wenig Alltag, genießen ihn aber sehr. Ab dem zweiten Tag fangen wir an zu erzählen, und da ist man auch sehr dankbar, dass man jemanden hat, der sich auskennt. Manchmal hat man ja auch das Glück zusammenzuarbeiten, wie jetzt im kommenden Frühjahr bei seinem Film "Am Hang".

Wie verbindet sich da das Berufliche mit dem Privatem?

Gedeck: Ich bin ihm bedingungslos gefolgt, und er hat sehr darauf geachtet, dass ich mich wohlfühle. Markus ist ein sehr behutsamer Regisseur, der mich spielen lässt. Jeder lässt dem anderen sein Geheimnis. Natürlich kann ich mit ihm ganz anders sprechen, aber das mache ich nicht vor den Leuten. Man geht dann mit einer gewissen Distanz miteinander um, die ist zwischen Regie und Schauspieler ohnehin ratsam.

Ihre ersten Schritte als Theaterschauspielerin haben Sie in Hamburg gemacht. Welches Verhältnis haben Sie zur Stadt?

Gedeck: Was soll ich sagen? Ich liebe sie. Hamburg ist auch wie ein Zuhause für mich. Gerade heute Nacht habe ich wieder von Ulrich Wildgruber geträumt. Er hat in meinem Traum "King Lear" gespielt. Ich war direkt nach der Schauspielschule zwei Jahre am Schauspielhaus engagiert. Es war mein erstes Erleben von Theater und von all meinen Träumen, die in Erfüllung gingen. Markus hat hier oft zu tun. Wenn es geht, komme ich dann her, und wir gehen am Hafen in Richtung Blankenese spazieren. Oder um die Alster. Und ich bin immer in Planten un Blomen, wenn ich hier bin. Das sind zwar die Klassiker, aber die sind ja auch jedes Mal schön!