“Die Ganzen Wahrheiten“ hält uns den Spiegel vor. Zwischen Alltagstrott, Depression und Beziehungskrise geht aber die Contenance verloren.

Hamburg. Für empfindliche Gemüter ist das eher nichts. In "Die Ganzen Wahrheiten" am Monsun Theater fallen Sätze wie: "Frustriert ist jemand, der zu viel Zeit und keine Hobbys hat. Ich bin hochdepressiv", noch milde Mitschnitte aus der Stimmungslage jener fünf Mittdreißiger, die den Abend bestreiten. Aber diese aggressive Melancholie wirkt auch zeitgemäß.

Zwischen Alltagstrott, Depression und Beziehungskrise stampfen die Figuren hasserfüllt über die Bühne. Die eine erträgt die farblos-nette Art ihres Gatten nicht, der andere ist es leid, mit seinem prokrastinierenden Freund zusammenzuwohnen, und eine weitere fragt sich verzweifelt, warum sie keine persönlichen Interessen besitzt.

Gelungen schlägt der Text von Sathyan Ramesh aus dieser Bitternis Kapital. Die Charaktere verlieren sich in ihrer skurrilen Welt. Beispielsweise hat ein korpulenter Arbeitsloser die Vision einer Revolution der Dicken, die in einem ekstatischen Ausbruch zusammenkommt und sich orgiastisch mit ihrer unbeliebten Körperform versöhnt.

Überhaupt geht es häufig und explizit um Sex, was der Haken dieser Inszenierung ist: Die Gedankengänge, meist monologisch vorgetragen, sind dermaßen mit Obszönitäten übersät, dass jeder Anflug von Empathie im Keim erstickt wird und das Stück weitgehend unzitierbar bleibt. Das war für Teile des Publikums ein todkomischer Tabubruch, für andere hätte auch eine Schippe weniger gereicht.

Mehr Platz dagegen wäre für Bernd Grawert gewesen. Der Musiker saß hinter seinem E-Piano in der rechten Ecke der Bühne, von wo aus es ihm mit Zwischenspielen gelang, die zugleich überhitzte und unterkühlte Atmosphäre zu beruhigen.

"Die Ganzen Wahrheiten" Monsun Theater, weitere Termine 7.-9.2., Karten unter T. 390 31 48 und www.monsuntheater.de