Johannes B. Kerner und seine Frau Britta sorgen dafür, dass Schüler künftig Theaterkarten schon ab 1,99 Euro bekommen.

Hamburg. Was macht eigentlich Johannes B. Kerner? Die Frage stellt sich der Zuschauer bereits seit ein paar Monaten, wenn er die vorderen Knöpfe der Fernbedienung drückt und sich durch BeckmannLanzMaischberger zappt. Die aktuelle Antwort lautet: Theatix. Was in zweifacher Hinsicht eine gute Nachricht ist. Denn bei Theatix handelt es sich keinesfalls um den soundsovielten neuen Fernsehtalk, tatsächlich hat es nicht das Geringste mit der Branche zu tun, in der Kerner zeitweise das laufende Programm praktisch im Alleingang wegmoderierte. Böse Zungen sprachen nur noch von "kernern".

Darüber hinaus ist Theatix eine so rundherum gelungene Erfindung, dass man beinahe froh ist, dass Kerner im Fernsehen, höflich formuliert, derzeit eher unterbeschäftigt ist und Zeit für Projekte der vor zwei Jahren gegründeten Becker-Kerner-Stiftung findet. Zum Beispiel für die kostenlose Smartphone-App, deren Name natürlich ans Theater erinnert.

Am Anfang stand die Idee, mehr junge Leute ins chronisch überalterte Theater zu bekommen. Hübscher Einfall, aber den hatten andere schon vorher. Gebracht hat es eher wenig: In den vergangenen drei Jahren ist das Durchschnittsalter der Theaterzuschauer um zwei Jahre gestiegen. Das ist eine Zahl, die Kerner gleich parat hat, wenn es um sein neues Engagement für die Kunst geht. Überhaupt kennt er sich aus mit dem Geschehen auf deutschen Bühnen, viel besser, als es wohl die meisten von einem alten Fernsehhasen erwartet hätten.

Initialzündung für die Theater-App, die am Donnerstag im Thalia Theater präsentiert wurde und ab sofort an den Start geht, waren denn auch persönliche Bühnen-Aha-Erlebnisse des jungen Kerner: Heribert Sasse in Brechts Klassiker "Arturo Ui". Nicole Heesters in dem Monolog "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe". "Eine Frau, zweieinhalb Stunden lang allein auf einer Bühne, toll", sagt Kerner.

Theater prägt. Man kann gar nicht früh genug damit anfangen, in die Vorstellungen zu pilgern. Da sind sich alle, die an diesem Vormittag auf der Bühne sitzen, einig. Kultursenatorin Barbara Kisseler, Schulsenator Ties Rabe und Thalia-Indentant Joachim Lux und eben die Kerner-Beckers haben sich schließlich zusammengetan, um jenen "jugendlichen Angang" zu suchen, der Hamburger Schülerinnen und Schüler zu den Bühnen treibt. "Theaterbesuch so einfach wie nie, so günstig wie nie" war schließlich die Formel, aus der Theatix resultierte.

Die Karten werden in drei Preiskategorien zu 1,99 Euro, 4,99 Euro und 7,99 Euro (bei Sonderaufführungen) angeboten. Am Tag der Vorstellung stellen die beteiligten Theater - neben Thalia und Schauspielhaus sind so gut wie sämtliche Privattheater beteiligt - das jeweilige Kartenkontingent ein. Per App (oder auch über die Internetseite von Theatix) können nun Karten reserviert werden. Beim Abholen der Tickets muss der Schülerausweis vorgezeigt werden. Die Vernetzung mit Facebook macht es möglich, die Reservierung umgehend zu posten - und so eventuell Freunde zum Mitgehen zu überreden. In Zeiten, in denen jeder dritte Jugendliche ein Smartphone besitzt und ein Großteil der Kommunikation über Facebook läuft, ist Theatix natürlich zeitgemäßer als ein herkömmlicher gemeinsamer Schulausflug ins Theater mit anschließendem Erlebnisaufsatz über das Gesehene.

"Das neue Angebot leistet einen Beitrag, die Begeisterung für das Theater lebendig zu halten", sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler. Sie sei überzeugt, Theatix werde ein "Riesenerfolg". Kerner dagegen stapelt absichtlich tief. Für ihn sei es bereits ein Erfolg, wenn die App einen einzigen Schüler ins Theater bringe. "Zwei Schüler wären mir allerdings lieber." Schulsenator Thies spricht von einem "wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung in Hamburg". Noch ist Theatix bundesweit die einzige App dieser Art.

Zum Start stiftet Thalia-Intendant Lux 200 Karten für eine Sondervorstellung am 11. Februar von "tschick" nach Wolfgang Herrndorfs Romanbestseller. Eine rührend-komische Geschichte um zwei Jungs unterwegs ins Nirgendwo, die sich im Thalia Gaußstraße als Publikumsliebling entpuppt hat. Nahezu jede Vorstellung ist ausverkauft, die Warteliste lang. Von diesem Freitag an können sich interessierte Jugendliche auf der Facebookseite von Theatix für die begehrten "Tschick"-Karten melden, sie kosten 1,99 Euro. Finanziell sei das unschlagbar, so Lux: "Theater ist fortan für Schüler preiswerter als Kino."

Ist Johannes B. Kerner vielleicht am Ende sogar froh, dass ihm die fehlenden Moderationsjobs Zeit lassen für Liebhaberprojekte dieser Art? "Man kann eine Weltreise machen oder etwas Sinnvolles tun. Ich habe mich für das Sinnvolle entschieden", sagt Kerner.

www.theatix.de