Das Experiment, Rap und Ballett auf der Bühne des Ernst-Deutsch-Theaters zusammenzuführen, glückte - 40 000 Euro Spenden zur Belohnung.

Hamburg. "Was habt ihr erwartet, Hamburg, das ist Hardcore, richtig guter Stoff", ruft Rapper OMP von der Bühnenrampe ins Parkett des Ernst-Deutsch-Theaters. "Ich lass die Puppen tanzen." Ein Jubelsturm aus dem Saal antwortet ihm. Das Experiment "Rap auf Ballett" geht bei der Premiere voll ab. Ein Höhepunkt des Programms "Im Aufschwung IV". Das Bundesjugendballett präsentiert es noch bis Freitag als Gast der Mundsburg-Bühne und erhielt gleich ein Überraschungsgeschenk: eine Spende des Lions Clubs Hamburg in Höhe von 25 000 Euro zur Unterstützung der Arbeit. Und Intendant John Neumeier legte noch die 15 000 Euro seines Gustaf-Gründgens-Preises 2012 drauf.

Aber mit Puppen tanzen lassen war dann doch nix. Das hätte der glatzköpfige Macho gern gehabt. Die Tänzerinnen verfolgen auf den hämmernden Beat, zu den cool abgefeuerten Spruchsalven oder intimen Bekenntnissen der (ehemaligen) Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Rottenburg eigene Wege: Unterstützt durch ihre Partner, demonstrieren Winnie Dias, Gabriela Finardi, Madoka Sugai, Yukino Takaura und Natalie Ogonek (nun im Hamburg Ballett) lässig und selbstbewusst lupenreinen klassischen Stil. Sie drehen Pirouetten auf Spitze, zeigen Arabesque, Grand jété und Figuren des Adagios, brechen sie mit freier Improvisation.

Gerade dadurch ergibt sich Reibung und knisternde Spannung zwischen den beiden einander fremden Welten von Ballett und Hip-Hop. Die Kluft bleibt (beinahe schmerzlich) spürbar, wird nicht durch sich anbiedernde Breakdance-Formen zugekleistert, die nur hie und wie nebenbei und abgewandelt anklingen. Etwa in den kantigen, Knastgitter webenden Armbewegungen zum gerappten "Tage-buch" aus der Zelle. OMP und AKA JA liefern die geballte "kriminelle Energie" und zeigen: Auch ganze Kerle haben Gefühl.

Vor "Rap auf Ballett" sind drei Pas de deux zu sehen: Ein munteres Versteckspiel mit dem Spiegelbild tanzen Maurus Gauthier und Daan van den Akker in Marc Jubetes "Hide and Seek". Neuzugang Winnie Dias beweist mit Graeme Fuhrman in Kevin Haigens elegant neoklassischem Pas de deux auf Dvorak-Musik Präsenz, makellose Linie und unsentimentalen Ausdruck.

Dagegen sollte Aleix Martínez den kiltberockten James in "La Sylphide" besser lassen, während Partnerin Xue Lin die grazile "Elfenprobe" gerade noch besteht. Der Kontrast zum zweiten Programm-Highlight, Natalia Horecnas "Dressed up in Tissue Paper", hätte nicht krasser sein können: Die albtraumartige Bilder-, Musik- und Tanz-Collage verblüfft und fasziniert durch ein Feuerwerk gedanklicher, körperlicher und stilistischer Sprünge. Das Ensemble brilliert nun auch in humoresker Bestform.

"Im Aufschwung IV" 22., 23.11., 19.30, Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20; www.bundesjugendballett.de

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