Beim türkisch-deutschen Festival “Goldene Hochzeit“ gibt es bis zum 31. Oktober allerlei Kunst und eine stimmungsvolle Nachtfahrt durch Hamburg.

Hamburg. "Wir sind Hamburger" annoncieren stolz türkische Mitbürger auf den Porträtplakaten im Foyer des Thalia in der Gaußstraße. Sie sind Angestellte in Betrieben, Mitarbeiter in Handelsunternehmen oder haben sich als Freiberufler eine Existenz aufgebaut. Die vom Norddeutschen Netzwerk zur beruflichen Integration von Migranten organisierte Wanderausstellung "Wir sind Hamburger" begleitet das gerade gestartete deutsch-türkische Festival "Goldene Hochzeit". Bis zum 31. Oktober präsentiert es Theater, Musik, Lesungen, Videovorträge und Vorstellungen für Kinder.

"Das Wort Migrationshintergrund kann ich nicht mehr hören", sagt ein junger Hamburger mit türkischem Migrationshintergrund bei der Audiotour "Vom Bosporus zur Außenalster". Während der schwarze Cadillac Fleetwood aus den 60er-Jahren um Mitternacht durch die Straßen der Stadt kreuzt, erzählen türkische Hamburger oder Hamburger Türken über Lautsprecher drei Mitfahrern - dem Publikum - im Fond des Luxusschlittens mit der Whisky-Bar aus ihrem Alltag und Leben.

Andreas Kebelmann inszenierte mit Peter Göhler und Robert Schmidt die stimmungsvolle Nachtfahrt, ein Projekt der Agentur Kriwomasow. Der Regisseur gibt auch den höflichen, aber schweigsamen Fahrer. Eine Art blasser Fährmann Charon, chauffiert er über die Reeperbahn nach St. Georg und in den Hafen. Durch die "multikulturelle Unterwelt" der Stadt, in der nicht Deutscher sein kann und darf, den dunkle Augen, schwarze Locken oder olivfarbene Haut verraten.

"Ich bau mir einen Deutschen in Dur", singt Bernadette La Hengst zum Finale ihres multimusikalischen Integrationsdiskurses "Integrier mich, Baby!" in der Garage des Thalia-Studios. Einer der wenigen Momente, in denen Spott aufblitzt im ansonsten recht dröge, oberlehrerhaft und moralisch daherkommenden Crash-Kursus für eine zukünftige Gesellschaft, in der alle "Touristen mit Hawaiihemden" sind.

Selbst ein improvisierter Kurzauftritt des Berliner Volksbühnenstars Sophie Rois, die im Publikum mit an den Tischen saß, brachte die Mitmach-Show mit Fragespiel und Bilderrätsel zum Thema Integration nicht in Schwung.

Zwischen "Gruppenarbeit" und Punktesammeln wie im Studienseminar verschafft sich La Hengst ihre Auftritte und singt zur Auflockerung einige pseudokritische Songs, wobei die Mitspieler - darunter selbstlos engagiert Christoph Bantzer und Marina Wandruszka - den Background singen dürfen und gute Miene zum schwachen Spiel machen. Schließlich sollen alle zum Titelsong "Integrier mich, Baby!" brüderlich vereint singen und tanzen. Aber da ist den meisten Zuschauern die Integrationslust in diese zwar gut gemeinte, doch auch ärgerlich flache Lehrstunde bereits gründlich vergangen - sollten sie nicht schon vorher geflüchtet sein.

Auf der "Nachtfahrt" gibt es zwar keine Live-Musik, doch bringen die Stimmen und das Gleiten im Cadillac-Schlitten die Gedanken zum Tanzen. Etwa wenn ein junger, in Billstedt aufgewachsener Mann berichtet, jedes Gespräch beginne doch mit der Frage: Woher kommst du? Und ende dann doch mit seinem Bekenntnis: Ich bin Türke. Wie kann er sich denn jemals als Deutscher oder gar Hamburger fühlen?

Integrier mich, Baby! 29.10., 19.00, 7.11., 20.00, Garage; das Festival "Goldene Hochzeit" läuft noch bis 31.10. im Thalia in der Gaußstraße 190, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de