Die marode Büschenmaschinerie des Schauspielhauses führte zum Abbruch einer Vorstellung. Lösungen müssen her.

Hamburg. 110 Jahre alt ist das Deutsche Schauspielhaus. Dessen technisches Innenleben, die Bühnenmaschinerie, die beispielsweise die Drehbühne bewegt, wurde 1960 eingebaut und vor knapp 20 Jahren erneuert. Die Elektronik ist veraltet, neue Bauteile sind nicht mehr verfügbar und müssen kostspielig nachgebaut werden. Die 32 Radlager der Achsen sind überlastet, sie müssen alle acht Jahre ausgetauscht werden, jedes einzelne kostet 8000 Euro. Die Sicherheit der Mitarbeiter ist durch das mangelhafte System seit Langem gefährdet - schließlich könnte leicht mal etwas herunterknallen oder herumfliegen. All dies ist schon mehr als fünf Jahre bekannt. Nun ist zum ersten Mal etwas passiert, was den Theaterbetrieb lahmlegte.

Am Montagabend, kurz nach Beginn, musste die Vorstellung "Rust - ein deutscher Messias" am Schauspielhaus abgebrochen werden: Die Untermaschinerie hatte schlappgemacht, die Drehbühne stand still, nichts ging mehr. Die Zuschauer wurden nach Hause geschickt. Wer wollte, wurde in die Kantine noch auf ein Glas eingeladen. Die Karten behalten natürlich ihre Gültigkeit. Jack Kurfess, Intendant des Schauspielhauses, sagt: "Was genau passiert ist, wissen wir noch nicht. Wir warten auf einen Techniker, der eine der beiden Platinen mitbringt, die es für die Steuerungstechnik unserer Untermaschinerie gibt. Wir wissen aber noch nicht, ob danach wieder alles funktionieren wird." Noch konnte der Schaden an der Elektronik nicht repariert werden. So muss auch die heutige Vorstellung von "König Lear" ausfallen. "Derzeit sind nur Vorstellungen spielbar, die technisch nicht sehr aufwendig sind", sagt Schauspielhaus-Sprecherin Anka Dohmen. Mit einem "Auto, das mit Holzgas betrieben werden muss" hatte der frühere Schauspielhaus-Intendant Friedrich Schirmer die völlig veraltete Technik des Theaters verglichen.

Dementsprechend sind Maschinenmeister Rainer Welz und der technische Leiter Hans-Joachim Rau von einem technischen Ausfall auch nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen. Gelassen stehen die beiden vor den riesigen Schränken, in denen die Platinen sitzen, schrauben und schweigen. Rainer Welz ist seit fast 40 Jahren am Schauspielhaus tätig, Hans-Joachim Rau seit 2003. "Mittlerweile ärgere ich mich eigentlich nur noch, wenn etwas passiert", sagt Rau. Grund, sich zu ärgern, hat er oft.

Technisch war am Schauspielhaus schon lange nicht mehr möglich, was an anderen deutschen Theatern längst Standard ist. Zuweilen hat man sich hier schon gefragt, ob der langjährige Sanierungsstau des Theaters nicht auch als politisches Mittel dazu herhalten sollte, um die Voraussetzungen für eine mögliche Schließung des Schauspielhauses zu schaffen. "Schlimmstenfalls werden gravierende Sicherheitsmängel zur Stilllegung des Betriebes führen", schrieb das Abendblatt vor mehr als zwei Jahren in einem Bericht über die marode Bühnentechnik im Schauspielhaus. Einiges ist seitdem passiert. Auf politischer Ebene. Immerhin wird die Sanierung des Bühnenturmes im Juni 2012 beginnen. Mit den kaum noch funktionierenden technischen Teilen müssen die Mitarbeiter bis dahin irgendwie klarkommen. Wie lange der reguläre Bühnenbetrieb weitergehen kann - das weiß niemand.

"Bisher haben wir immer irgendeine Lösung gefunden, um den Betrieb weiterlaufen zu lassen. Wir wollen die Zuschauer nicht, wie am Montagabend, nach Hause schicken müssen", erklärt Rau. "Aber vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätten wir schon früher sagen sollen: Es geht nicht mehr." Jack Kurfess erklärt auf Abendblatt-Nachfrage: "Wir hatten schon mehrfach einen Stillstand der Drehbühne. Bisher konnte das innerhalb von 15 Minuten repariert werden und die Vorstellung ging weiter. Einen Abbruch der Vorstellung gab es noch nicht. Die Achsen der Drehbühne sind überbelastet und brechen. Die Firma, die das vor 50 Jahren gebaut hat, gibt es nicht mehr. Wir haben einige Achsen vorfertigen lassen, aber davon existiert nun nur noch eine. Der Einbau dauert zwei Tage und eine Nacht. Das wirkt sich auf den Spielplan aus. Ich hoffe jetzt, dass der Techniker mit der neuen Platine die Maschinerie wieder zum Laufen bringt."

Und wenn nicht? Wenn das Theater in den kommenden anderthalb Jahren nur noch statische Vorstellungen zeigen kann? Vorhang auf, Vorhang zu und dazwischen laufen Schauspieler herum? Jack Kurfess zögert und sagt dann: "So etwas dürfen wir gar nicht denken. Mit diesem Risiko leben wir. Ich hoffe, dass dieser Techniker das jetzt schnell wieder hinbekommt."