Tierische Zeiten: Im neuen „Lucky Luke“-Comicband muss sich der Cowboy mit radikalen Tierschützern und Vegetariern auseinandersetzen.

Diesmal geht es ans Eingemachte. Schon einmal musste sich Lucky Luke, der berühmteste Cowboy der Comic-Welt, radikal dem Wandel der Zeit anpassen. Und seine ewige Zigarette, die ihm stets im Munde hing, wenn er nicht gerade eine neue drehte, durch einen Grashalm ersetzen.

Der Cowboy als Wiederkäuer – das trägt der Kultfigur bis heute ein wenig Spott und Häme ein. Aber es lesen halt vor allem Kinder diese Comics. Und pädagogisch ist es nachvollziehbar, wenn die lieben Kleinen nicht von früh auf mit einem falschen Selbstverständnis von Kettenrauchern und einer solchen Schleichwerbung für Tabakkonsum aufwachsen.

Kurz nach seinem Jubiläum gerät der Berufsstand des Cowboys in die Kritik

Ansonsten aber durfte der einsame Cowboy immer noch der einsame Cowboy sein und am Ende jedes Abenteuers singend in den Sonnenuntergang der Prärie reiten. Jaja, der Wilde Westen – das letzte Derivat des Mannes, wo ein Kerl noch Kerl sein darf. Doch nun wird der Held noch einmal in seinen Grundfesten erschüttert. Denn ausgerechnet nach seinem Doppeljubiläum – im Vorjahr wurde Lucky Luke 75 Jahre alt, dazu erschien der 100. Band „Die Ursprünge“ – muss sich der Westernheld nun in seinem neuesten, ergo 101. Abenteuer mit radikalen Tierschützern und Vegetariern auseinandersetzen. Die setzen ein Fleischverbot durch. Und damit steht auch Lukes ureigener Beruf in der Kritik: der des Cow-Boys, der eine Viehherde durch die amerikanischen Weiten treibt – zur industriellen Verarbeitung als Steak auf dem Teller.

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Die hübschesten Seitenhiebe sind wie immer die lakonischen Kommentare des sprechenden Pferdes Jolly Jumper.
Die hübschesten Seitenhiebe sind wie immer die lakonischen Kommentare des sprechenden Pferdes Jolly Jumper. © Lucky Comics ©2022/Egmont Ehapa

In „Rantanplans Arche“ treibt Luke für einen Viehbaron, der auch noch den sprechenden Namen Rick Meat („Fleisch“) trägt, 204 Rinder durchs Land. Meat preist ihn als „Zierde seines Berufsstands“. Und weil Lucky Luke nun mal Lucky Luke ist, tut er das auch ganz allein, einzig mit seinem sprechenden und nicht minder berühmten Pferd Jolly Jumper.

Nebenbei rettet er noch einen Mann vor der Lynchjustiz, dem vorgeworfen wird, er sei ein Pferdedieb. Dabei hat dieser Ovide Byrde das Tier nur befreit und vor grausamen Schikanen bewahrt. Zum Dank lädt Byrde seinen Retter auf seine Farm ein, wo er ausgesetzte und malträtierte Tiere hegt und pflegt. Und von ihnen tierisch geliebt wird. Die titelgebende Arche.

Wenn radikale Vegetarier das Zepter übernehmen

Doch als Lucky Luke nach seinem Viehtransport zurückkehrt, ist alles ganz anders. Die Stadt heißt nicht mehr Cattle Gulch (noch so ein sprechender Name, was „Vieh-Schlucht“ heißt), sondern Veggie Gulch. Byrde, der zwischenzeitlich auf Gold gestoßen ist, nutzt das neue Vermögen, um seine Visionen zu realisieren. Bislang war er das einzige Mitglied des von ihm gegründeten Tierschutzvereins, nun heuert er Leute an, um den Tierschutz auszubauen und die Menschen zu überzeugen, tierlieber zu werden, ausgesetzte Tiere aufzunehmen. Und ihren Fleischkonsum zu überdenken.

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Ein Schock für die großen und kleinen Fans: In diesem Band wird das geliebte Pferd verletzt.
Ein Schock für die großen und kleinen Fans: In diesem Band wird das geliebte Pferd verletzt. © Lucky Comics ©2022/Egmont Ehapa

Was Byrde nicht ahnt: Die Leute, die er bezahlt, sind skrupellose Desperados und Verbrecher, die die Viehzüchter ins Gefängnis stecken, eine „Viehwertsteuer“ errichten, Steaks von der Speisekarte streichen und alle aufknöpfen wollen, die dagegen verstoßen. Das ist selbst Byrde zu radikal. Aber er wird vom Oberschurken belehrt: „Man kann kein Omelett machen, ohne ein paar Eier zu zerschlagen.“ Klar, dass Lucky Luke da nach dem Rechten schauen muss. Aber was ist hier das Rechte?

Steht Lucky Luke einmal auf der falschen Seite?

Comics wie die von Asterix, Tim und Struppi oder eben Lucky Luke sind ja immer ein doppelter Spaß: weil man sie schon als Kind noch ganz naiv genießen kann, als Erwachsener in ihnen aber oft einen doppelten Boden findet. Der neue Band allerdings ist fast zu erwachsen. Auch wenn der Kosmos von Lucky Luke damit ganz auf der Höhe der Zeit ist. Wird doch nicht nur in vielen Schulen über einen Veggie Day diskutiert, und das oft in einem scheinbar unvereinbaren Grabenkampf. In Berlin haben Aktivisten gar das erste vegane Bürgerbegehren für Kreuzberger Kantinen gestartet.

Lucky Luke: Rantanplans Arche. Egmont Comic Collection, 46 Seiten, 14 Euro, kartoniert: 7,99 Euro.
Lucky Luke: Rantanplans Arche. Egmont Comic Collection, 46 Seiten, 14 Euro, kartoniert: 7,99 Euro. © Lucky Comics ©2022/Egmont Ehapa

Da ist die Geschichte des Comic-Autors Jul mit den Zeichnungen von Achdé recht gewagt, wenn sie Tierschützer und Veggie-Apologeten als Desperados darstellen und die reichen Viehzüchter als arme Menschen, die man befreien muss. Steht Lucky Luke, laut Eigenwerbung „der Beschützer hilfsbedürftiger Ladys, Schrecken aller Viehdiebe und Falschspieler“, womöglich einmal auf der falschen Seite? Und kommt er nun selbst in Schulen auf den Index? Als Veggie-Verächter?

Von dem Comic-Held kann man im Veggie-Streit lernen

Nein, natürlich nicht. Schon immer war Luke ein expliziter Tierfreund. Sein bester Freund ist nun mal Jolly Jumper, sein sprechendes Pferd. Und stoisch plagt sich der Cowboy auch immer mit dem stupiden Gefängnishund Rantanplan, der auch diesmal wieder, und sogar im Titel, eine tragende Rolle spielt. Aber als man ihm im Saloon kein Steak mehr servieren kann, greift Luke ein.

Und es ist eben nicht der Tierschützer Byrde, der hier zum Veggie-Diktator mutiert. Die Bösen sind die Desperados, die diese Idee ins Extrem führen. Sie gilt es zu vertreiben. Und die Gulch-Bürger miteinander zu versöhnen. Das wird spätestens dann deutlich, wenn Jolly Jumper zwischen die Fronten gerät. Und zum Schock der Fans zu Boden geht.

Vielleicht sollte man gerade diesen Band öfter in Schulen lesen. Vor allem in solchen, wo heftig darüber gestritten wird, ob Fleisch noch in die Schulkantine gehört oder nicht. Von Lucky Luke könnte man jedenfalls viel lernen, was Besonnenheit und den Umgang miteinander angeht. Die hübschesten Gags sind dabei wie immer die trockenen Seitenkommentare des sprechenden Pferdes Jolly Jumper. Und am Ende, so viel sei verraten, reiten sie einmal nicht zusammen in den Sonnenuntergang. Sie laufen nebeneinander her. Um das Pferd zu schonen. Ein schönes Bild.