Parodie als Hommage: „See How They Run“ ist ein augenzwinkernder Film – über eine Agatha-Christie-Verfilmung, die es nie gab.

Als Theaterinszenierung ist „Die Mausefalle“ eine Art Äquivalent zu den Kardashians oder auch den Geissens: Berühmt dafür, berühmt zu sein. Seit den frühen 50er Jahren steht das Stück nicht nur auf dem Spielplan des Londoner West Ends, sondern auch der „To do“-Liste von Touristen aus aller Welt.

Auch wenn die Anziehungskraft eines Agatha Christie-Krimis auf die jüngere Generation nicht mehr ganz so groß sein dürfte, läuft „The Mousetrap“ im Londoner St Martin’s Theatre unbeirrt weiter, einzig unterbrochen von einer Corona-bedingten Pause. Alle Rekorde (über 27.500 Vorstellungen!) sind längst erreicht oder übertroffen, ein London ohne „Mousetrap“ wäre mittlerweile so wenig vorstellbar wie ohne Big Ben.

„See How They Run“: Rücksturz in die 50-er

Dass das Stück einen solchen Status annehmen würde, war nicht absehbar. Für das Kino ist die Entwicklung nicht ohne Ironie. Denn Agatha Christie selbst hat noch dekretiert, dass es eine Verfilmung erst dann geben sollte, wenn das Stück in London abgelaufen sei. „See How They Run“ schlägt nun einen charmant anmutenden Umweg ein: Der Film des britischen TV-Regisseurs Tom George handelt nicht von der „Mausefalle“ selbst, sondern erzählt die Geschichte eines (schiefgegangenen) ersten Verfilmungsprojekts.

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Ort und Zeit der Handlung ist das London der 50-er, als die Inszenierung noch in der Originalbesetzung mit dem jungen Richard Attenborough und dessen Frau lief. In „See How They Run“ verkörpert ihn Harris Dickinson (den man zur Zeit in Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ bewundern kann) als mildes Pastiche mit eitler Selbstsicherheit. Wie überhaupt der Film als Parodie einer Hommage angelegt ist mit immer mindestens einem doppelten Boden.

Ein Amerikaner, der jede britische Sentimentalität verletzt

Den Auftakt macht Adrien Brodys Stimme, die in all die Dinge einführt, die dem Zuschauer von heute nicht mehr so geläufig sind – inklusive der stereotypen Figuren, die in Christies „Mausefalle“ ja selbst schon als Typen ausgestellt werden.

Brody verkörpert den Amerikaner Leo Köpernick, der bei der „Mausefallen“-Verfilmung die Regie führen soll und, wie es sich für das Klischee der Zeit gehört, auf vielfache Weise die britische Sensibilität verletzt. Angefangen von der Begrüßung bis zu den Drinks, die er ordert. Die eigentliche Filmhandlung aber setzt erst dann ein, wenn Köpernicks Off-Erzählung (manch einer mag denken: endlich) vorbei ist.

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Adrien Brody spielt den hochnäsigen Regisseur Leo Köpernick.
Adrien Brody spielt den hochnäsigen Regisseur Leo Köpernick. © 20th Century Studios | Disney

Dann nämlich erfordert eine Leiche im Theaterkeller das Eingreifen von „Inspector Stoppard“ (Sam Rockwell) und „Constable Stalker“ (Saoirse Ronan), zwei Londoner Polizisten-Klischees, wie sie noch heute manches BBC-Drama bereichern: Er ein knorriger Eigenbrötler mit Alkoholproblem, sie eine Naive mit nervigem Gründlichkeitseifer.

Man weiß natürlich, wie das ausgeht: Es werden ihre so akribisch geführten Notizen sein, die dem schlampigen, aber trotzdem genialischen Inspektor die richtigen Hinweise zur Lösung des Falls liefern werden. Gefolgt von einer väterlich-herablassenden Geste der Anerkennung oder so.

Ein typisches Bühnen-Problem gibt es auch hier: Die Rampensau-Auftritte

Wie „Die Mausefalle“ selbst ist auch „See How They Run“ ein Ensemble-Stück und leider übernimmt der Film damit auch ein typisches Bühnen-Problem: das des Rampensau-Auftritts. Jede Figur hat ihre paar Szenen und versucht verständlicher Weise das meiste aus ihnen herauszuholen. Bei David Oyelowo als ambitionierter Drehbuchschreiber weiß man dann schon nicht mehr, ob seine Figur noch Parodie oder schon Karikatur sein soll.

Wie überhaupt das ganze ironische Augenzwinkern mit dem Originalstoff und seinen keinen mehr überraschenden Wendungen über die Dauer des Films hinweg mehr anstrengt als amüsiert. Am Ende begreift man vielleicht, wer der Mörder war, aber nicht, warum es diese Verfilmung einer fiktiven Verfilmung geben musste.

Krimikomödie GB 2022, 98 min., von Tom George , mit Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Harris Dickinson, Adrien Brody