Hamburg/Madrid. „Nacht in Caracas“ ist ein Roman der davon erzählt, was passiert. Gespräch mit der venezolanischen Autorin Karina Sainz Borgo.

„Das war kein Land. Es war ein Fleischwolf“, schreibt Karina Sainz Borgo über das Land, in dem sie geboren und aufgewachsen ist und das sie vor zwölf Jahren verließ: Venezuela, „großzügig in Schönheit und Gewalt, über die man hier besonders verschwenderisch verfügte.“ Venezuela, das Land mit den weltweit größten Erdölreserven, in dem die Bevölkerung leidet. Für etwas Maismehl muss man Stunden anstehen, es gibt kaum Medikamente und keine freie Presse, längst ist auch die Menschlichkeit Mangelware geworden. Caracas gehört, außerhalb von Kriegsgebieten, zu den gefährlichsten Städten der Welt; es kommt immer wieder zu Massenprotesten und Straßenschlachten, willkürlichen Verhaftungen und Entführungen, zu Plünderungen, Vergewaltigungen, Folter.

Es herrschen Korruption, Straflosigkeit, Verzweiflung. Die politische Lage ist unübersichtlich. Oppositionsführer Juan Guaido wird von mehr als 50 Staaten als rechtmäßiger Staatschef anerkannt, auch von Deutschland und den USA. Der amtierende Präsident Nicolas Maduro hingegen wird von Russland, China, Kuba und vor allem noch immer von den eigenen Militärs unterstützt. Die venezolanische Autorin Sainz Borgo, 36, die im Madrider Exil lebt und dort als Journalistin arbeitet, erzählt vom Untergang einer Gesellschaft am Beispiel einer Frau, die alles verliert, ihre Mutter, ihre Erinnerungen, ihre Bücher, ihr Land, ihre Identität, ihre Sicherheiten, auch ihre Skrupel. „Nacht in Caracas“ heißt Sainz Borgos Roman; es ist ein erschreckendes, kraftvolles und dabei sinnlich erzähltes Debüt, das sich schon jetzt in mehr als 20 Länder verkaufte.