Hamburg. Das Drama „Salt and Fire“ von Werner Herzog leidet unter akuter Handlungsarmut – auch Darstellerin Veronica Ferres ist ein Problem.

Seit dem irrwitzigen Südamerika-Abenteuer „Fitzcarraldo“ (1981) setzt sich Werner Herzog immer wieder mit dem Themenkomplex „Mensch und Natur“ auseinander. Dank „Königin der Wüste“ (2015) weiß er mittlerweile, dass man solche Geschichten auch mit weiblichen Hauptfiguren erzählen kann.

Sein jüngstes Werk hat das Potenzial für einen flammenden ökologischen Appell. Der Titel „Salt and Fire“ bezieht sich auf eine doppelte Bedrohung: Die Handlung spielt in Sichtweite eines schlummernden bolivianischen Vulkans, dessen Ausbruch verheerende Folgen für den gesamten Planeten hätte.

Die Bilder, die Herzog in Bolivien gefunden hat, sind eindrucksvoll

Noch konkreter ist die Bedrohung durch einen gigantischen Salzsee, der sich am Fuß des Bergs ausbreitet und die Menschen in seiner Umgebung schleichend vergiftet. Hauptfigur des Films ist die deutsche Evolutionsbiologin Laura Sommerfeld, die diese Umwelttragödie im Auftrag der Vereinten Nationen analysieren soll. Unmittelbar nach ihrer Ankunft wird sie allerdings mitsamt ihrer Kollegen entführt.

Der Auftraggeber der Kidnapper entpuppt sich als Geschäftsführer jenes internationalen Konsortiums, das die Katastrophe durch die Umleitung zweier großer Flüsse überhaupt erst verursacht hat. Weil er erreichen will, dass Sommerfeld dieses ökologische Fiasko nicht als Wissenschaftlerin, sondern als Frau und „Mutter“ erlebt, setzt er sie gemeinsam mit zwei kleinen, halb blinden Jungs und Vorräten für ein paar Tage auf einer Insel inmitten der weißen Wüste aus.

Die Bilder, die Werner Herzog und sein bevorzugter Kameramann Peter Zeitlinger in Bolivien gefunden haben, sind eindrucksvoll.

Die Aufnahmen der endlosen Fläche könnten auch von einem fernen Planeten stammen. Trotzdem hat „Salt and Fire“ zwei entscheidende Probleme. Das eine ist die Handlung, die sich auch als Kurzfilm erzählen ließe.

Veronica Ferres hat sich hörbar selbst synchronisiert

Das andere Problem ist der Star des Films: Veronica Ferres hat sich hörbar selbst synchronisiert, und das ist nicht jedem gegeben. Wenn sie kein Spielmaterial bekommt und deshalb quasi nichts zu tun hat, stößt die Schauspielerin, die den Film mit ihrer eigenen Firma koproduziert hat, erfahrungsgemäß auch darstellerisch an ihre Grenzen. Da Laura Sommerfeld in der Geschichte oft sich selbst überlassen bleibt, gibt es zu viele solcher Szenen.

Wenig überzeugend ist auch die Dramaturgie. Herzogs Drehbuch, das auf Tom Bissells Kurzgeschichte „Aral“ basiert, zerfällt in zwei Hälften: Nach der Entführung liefern sich die Forscherin und ihr Entführer Matt Riley (Michael Shannon) einige philosophische Dispute, die nicht so tiefschürfend klingen, wie sich Herzog (Buch, Regie und Produktion) das vermutlich vorgestellt hat.

Am spannendsten sind noch die Gespräche über Kunstwerke, die erst dann einen Sinn ergeben, wenn der Betrachter seine Perspektive ändert. Das ist auch der Hintergrund der Entführung: Sommerfeld soll ihre Erfahrung nicht von außen, sondern von innen machen.

Gael García Bernal spielt einen übergriffigen Südländer

Was als Entwurf durchaus faszinierend klingt, ist in der Umsetzung eher kraftlos und entwickelt trotz der eigenwilligen Musik (Ernst Reijseger) zu wenig innere Spannung. Schon der Prolog mit der Entführung ist zu umständlich erzählt und auch darstellerisch wenig überzeugend, zumal Sommerfelds Begleiter, ein übergriffiger Südländer (Gael García Bernal) und ein kleinwüchsiger Deutscher (Volker Michalowski), fast wie Witzfiguren angelegt sind.

Gleiches gilt auch für Rileys rechte Hand (verkörpert von dem Astrophysiker Lawrence Krauss). Der Mann sitzt in einem elektrischen Rollstuhl; später stellt sich raus, dass er den gar nicht braucht, weshalb dem Gefährt das eindrucksvolle Schlussbild gehört, als es unbemannt in die unermessliche weiße Weite hinausfährt.

• Arte, 9. August, 0.15 Uhr.